Page images
PDF
EPUB

jedoch solche Prisen null und nichtig und sollen dem ursprünglichen Eigenthümer restituirt werden. 1)

Was die aus dem Prisenrecht folgenden Dispositionsbefugnisse über die aufgebrachten Schiffe und Ladungen betrifft, so gilt als Regel, daß solche nach einem heimathlichen Hafen des Captors gebracht, dort ab= geurtheilt und, je nach dem Ausfall der Entscheidung, verkauft oder freigegeben werden sollen. Diese Regel ist indeß gewissen Modificationen unterworfen; einmal in Betreff des Einlaufens mit Prisen in neutrales Gebiet, ferner in Betreff der Ausübung der Prisengerichtsbarkeit und des Verkaufs von Prisen an einem neutralen Plate; über die nach den letzteren Richtungen hin geltenden Grundsätze s. § 60, II. Hier soll zu= nächst die Befugniß zum Einlaufen mit Prisen in neutrale Häfen erörtert werden.

Die Prisen-Reglements enthalten gewöhnlich für die Befehlshaber der Kreuzer die Anweisung, die genommenen Schiffe nach einem eigenen heimathlichen Hafen oder nach demjenigen einer verbündeten Macht zu schicken, 2) und gestatten nur für den Nothfall das Aufbringen in einen neutralen Hafen.

Mit Recht sieht man in dem Aufbringen einer Prise in einen neutralen Hafen keine eigentliche kriegerische Action und dementsprechend in der Gewährung eines Asyls für dieselbe, vorausgesetzt, daß ein solches beiden kriegführenden Theilen bewilligt wird, keine unzulässige Begünstigung Seitens des Neutralen. Vom Standpunkt des internationalen Rechts

1). Bulmerincq, S. 326, 327. Für Großbritannien bestimmt die Foreign Enlistment Act, 1870 im § 14 unter der Rubrik "Illegal Prize: „If, during the continuance of any war in which Her Majesty may be neutral, any ships, goods, or merchandise captured as prize of war within the territorial jurisdiction of Her Majesty, in violation of the neutrality of this realm or captured by any ship which may have been built, equipped, commissioned, or despatched, or the force of which may have been augmented, contrary to the provisions of this Act, are brought within the limits of Her Majesty's dominions by the captor, or any agent of the captor, or by any person having come into possession thereof with knowledge that the same was prize of war so captured as aforesaid, it shall be lawful for the original owner of such prize, or his agent, or for any person authorized in that behalf by the Government of the foreign State to which such owner belongs, to make application to the Court of Admiralty for seizure and detention of such prize, and the court shall on due proof of the facts, order such prize to be restored."

2) Ausnahmen s. bei Geßner a. a. D. S. 349.

steht daher grundsätzlich dem Einlaufen mit Prisen in neutrale Häfen nichts entgegen, und zwar ganz unabhängig davon, ob die außerhalb des neutralen Seegebiets gemachte Prise eine legale ist oder nicht; denn hierüber zu befinden, ist der neutrale Staat nicht zuständig. 1)

Andererseits aber hat jeder neutrale Staat unzweifelhaft das Recht, seine Häfen und Rheden den von Kreuzern und von Capern weggenommenen Schiffen zu verschließen oder die Modalitäten zu bestimmen, unter welchen er sie zulassen will, und von diesem Recht haben die Neutralen so häufig Gebrauch gemacht, daß die Nichtzulassung, außer in dem Fall der Seenoth, eigentlich zur Regel geworden ist.

Schon die französische Marine-Ordonnanz von 1681 verbietet den Aufenthalt der von Kriegsschiffen oder Capern fremder Nationen aufgebrachten Schiffe in französischen Häfen über einen Zeitraum von vierundzwanzig Stunden hinaus, ausgenommen für den Fall der Seenoth. Seit dem Ausbruch des orientalischen Krieges von 1854 erging in zahl= reichen Neutralitätserklärungen ein Verbot gegen das Einlaufen mit Prisen, entweder überhaupt oder auf länger als vierundzwanzig Stunden, außer im Fall der Noth.) Auch in einzelnen Staatsverträgen ist vereinbart, daß jeder der contrahirenden Theile eintretenden Falls ein derartiges Verbot zu erlassen habe.")

1) Ueber abweichende Grundsäße s. bei v. Martens, Caper §§ 36, 37; auch § 58.

2) 3. B. im April 1854 von Schweden, Dänemark, Spanien, Neapel, Brafilien; während des nordamerikanischen Krieges im Juni 1861 von England, Frankreich und Spanien; nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im Jahre 1870 von Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Italien, Peru, Chili; s. die Neutralitätserklärungen in der Anlage L.

3) Eine solche Stipulation enthält z. B. ein Vertrag zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika von 1794. In demselben ist aber gleichzeitig festgeseßt, daß es den Kriegsschiffen und Capern jedes der contrahirenden Theile freistehen soll, die seinen Feinden abgenommenen Prisen in die Häfen des anderen Theils zu bringen. Für den Fall eines Krieges zwischen Großbritannien und einer dritten Macht war mithin die Vereinigte Staaten Regierung verbunden, die britischerseits aufgebrachten Prisen in ihre Häfen zuzulassen, während die von den Kreuzern der dritten Macht aufgebrachten zurückzuweisen waren; es würde also der Fall einer zu Gunsten Großbritanniens conventionell eingeschränkten Neutralität vorgelegen haben. Frankreich protestirte bei der Regierung zu Washington und hatte zu diesem Protest um so mehr Anlaß, als die Vereinigten Staaten in einem früheren Vertrag mit Frankreich (1770) sich verbindlich gemacht hatten, französische Schiffe mit den von ihnen aufgebrachten Prisen

Was die preußische Gesetzgebung betrifft, so geht das Allgemeine Landrecht (I. 9. § 208) von der Zulässigkeit des Aufbringens von Prisen in neutrale Häfen aus. Das preußische Prisen-Reglement (§§ 14 und 15) bestimmt aber, daß ein weggenommenes Schiff in der Regel nach einem preußischen Hafen oder, wenn das mit Schwierigkeiten verbunden ist, in den Hafen einer mit Preußen verbündeten Macht, wo militärischer Schutz in Aussicht steht, gebracht werden soll; die Führung des Schiffs nach einem anderen Hafen oder Platz ist nur dann gestattet, wenn Seenoth, insbesondere Sturm, Unwetter, Mangel an Proviant, feindliche Verfolgung es erfordern.

!!

Als am 17. Januar 1871 die von der deutschen Corvette „Augusta" aufgebrachte französische Brigg St. Marc" in Seenoth Plymouth anlief, erging an deren Führer von Seiten des englischen Admirals die wiederholte Aufforderung, den Hafen binnen vierundzwanzig Stunden zu verlassen, welcher auch Folge gegeben wurde. Die britische Neutralitätserklärung vom 19. Juli 1870 hatte allerdings das Einlaufen bewaffneter Schiffe der Kriegführenden mit Prisen, nicht aber das Einlaufen der Prisen selbst, untersagt. Am 16. Februar lief die Prise bei schwerem Wetter in Hindoln (Norwegen) ein und durfte daselbst ungehindert bis Ende März verbleiben.

§ 41.

Verwendung von neutralen Kauffahrteischiffen zu Kriegszwecken.

I. Wir haben bereits an einer anderen Stelle (§ 31 V.) erörtert, wie ein Embargo auf neutrale Kauffahrteischiffe, welche sich in den Häfen der Kriegführenden befinden, im Interesse der Kriegführung als berechtigt gilt. Aber nicht nur die einfache und im Falle des Widerstandes mit Gewalt durchzusetzende Zurückhaltung muß als zulässig erachtet werden, sondern die kriegsrechtliche Praxis sanctionirt auch die Heranziehung der= selben zu Transportdiensten, den sogenannten Angarien, ja sogar die Verwendung der Besatzungen zur Dienstleistung hierbei, und ähnliche

stets in ihre Häfen zuzulassen. Auch der Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten von Nordamerika vom 11. Juli 1799 behandelt in Art. 19 diesen Fall und gestattet die gegenseitige zollfreie Zulassung von Prisen und Prisengütern in die beiderseitigen Häfen; in der Neutralitätserklärung vom 22. August 1870 proclamirte der Präsident der Vereinigten Staaten diesen Artikel als noch zu Recht bestehend.

Inanspruchnahmen, soweit solche nicht conventionell ausgeschlossen sind. Der Pflicht des Capitäns eines Kauffahrteischiffs, den an ihn nach dieser Richtung hin gestellten Anforderungen nachzukommen, steht gegenüber ein Anspruch der Rhederei auf Entschädigung, einschließlich der Schadloshaltung für alle ihr aus solcher Maßregel erwachsenen Nachtheile. Zahlreiche Staatsverträge enthalten hierüber ausdrückliche Festsetzungen. 1) Nach der neueren Praxis soll eine solche Beschlagnahme zu militärischen Unternehmungen oder sonstigem öffentlichen Dienst nicht stattfinden dürfen außer gegen entsprechende, vorher festzustellende Entschädigung; ferner ist vielfach auch die zwangsweise Heranziehung von Angehörigen des anderen Theils zu militärischem Dienst, und damit implicite auch die Heranziehung der betreffenden Schiffsbesaßungen zu dem Zweck, für unstatthaft erklärt worden.

II. Selbst die Vernichtung von neutralen Schiffen, welche sich im feindlichen Gebiet befinden, aus Gründen der militärischen Nothwendigkeit, gegen volle Entschädigung, muß als statthaft erachtet werden. 2) Die Wegnahme und Versenkung britischer Kauffahrteischiffe auf der Seine bei Duclair durch preußische Truppen im December 1870 führte zu einem längeren Notenwechsel zwischen der Regierung des norddeutschen Bundes und der britischen Regierung. Die Entschädigung wurde deutscherseits geleistet, wiewohl principiell der Satz aufgestellt wurde, daß in derartigen Fällen die Entschädigungspflicht dem Besiegten, nicht dem Sieger obliege. 3)

§ 42.

Materielles Prisenrecht gegen Neutrale.

I. Der Ausgangspunkt der Lehre von der Einwirkung des Prisenrechts auf den Seehandel der Neutralen ist in dem Princip zu suchen:

1) Von älteren Verträgen vergl. diejenigen zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten von Nordamerika vom 10. September 1785 und vom 11. Juli 1799 (Art. 16); von neueren deutschen Staatsverträgen diejenigen mit Spanien vom 30. März 1868 (Art. 5), mit Mexiko vom 28. August 1869 (Art. 13), mit Salvador vom 13. Juni 1870 (Art. 6), mit Portugal vom 2. März 1872 25. März (Art. 2), mit dem Königreich der Hawaiischen Inseln vom 19. September 1879 (Art. 2).

2) Bluntschli, § 795a.

3) S. über den Fall bei Dahn in den Jahrbüchern für die deutsche Armee und Marine Bd. 5 S. 138 ff. und den amtlichen Depeschenwechsel im Staatsarchiv Bd. 20 Nr. 4498 bis 4509, sowie in Hirth's Tagebuch Nr. 1229, 1254, 1309, 1330, 1339, 1405.

„Feindliches Privateigenthum zur See ist der Wegnahme unterworfen.“ Dieser Satz begründet ein Beuterecht der Kriegführenden an allem feindlichen Gut, welches von ihnen auf See betroffen wird, an den Schiffen selbst sowohl, wie an allem anderen feindlichen Eigenthum. Es handelt sich nun aber weiter darum, inwieweit dieses Beuterecht ausgeübt werden darf, a. wenn nur das Schiff feindlicher Nationalität, die Ladung desselben aber neutrales Eigenthum ist,

b. wenn nur die Ladung feindliches Eigenthum, das Schiff aber neutral ist?

Diese Fragen, welche bis zur Mitte dieses Jahrhunderts der Gegenstand zahlloser Erörterungen, Vereinbarungen und einseitiger Festsetzungen gewesen sind, hatten folgende verschiedene Lösungen gefunden:

a. Neutrales Gut auf feindlichem Schiff.

1) Dasselbe ist der Wegnahme unterworfen. Unfrei Schiff unfrei Gut.

2) Dasselbe ist der Wegnahme nicht unterworfen. Unfrei Schiff frei Gut.

b. Feindliches Gut auf neutralem Schiff.

1) Dasselbe ist der Wegnahme unterworfen. Frei Schiff unfrei Gut.

2) Dasselbe ist der Wegnahme nicht unterworfen. Frei Schiff frei Gut.

3) Dasselbe ist nebst dem Schiff der Wegnahme unterworfen. Unfrei Gut unfrei Schiff.

Diese Lösungen haben sich in drei verschiedenen Systemen entwickelt. II. Das älteste ist das System des Consolato del mare, dessen Satzungen das zur Zeit seiner Emanirung geltende Seerecht der Mittelmeerstaaten darstellen. Bezüglich der hier in Rede stehenden Fragen stellt dasselbe, indem es das Recht des Kriegführenden gegen seinen Feind einerseits und die Rechte Dritter andererseits streng auseinander hält, die Regeln auf:

1) Feindliches Gut auf neutralem Schiff ist der Wegnahme unterworfen. 2) Neutrales Gut auf feindlichem Schiff ist der Wegnahme nicht unterworfen. 1)

Diese Regeln fanden die Anerkennung der Seestaaten weit über die Grenzen des ursprünglichen Geltungsbereichs des Consulats hinaus, und

1) S. im Consulat, Cap. 273, auch 230 und 276.

« PreviousContinue »