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creten Gleichheit, zu gelangen. Für die factische Wahrheit dieser Behauptung liefert das Leben der Fabrikorte täglich die entschiedensten Beweise; wer es auch nur entfernt betrachtet hat, der wird es nicht läugnen, daß kein Fabrikarbeiter zum Wohlstande zu gelangen irgend eine wahrscheinliche Aussicht haben kann. Und so ist denn eben dieselbe Frage verneint, die die freie Concurrenz oder die Formlosigkeit der Industrie hätte bejahen müssen, damit ein in allen seinen Persönlichkeiten nach Unabhängigkeit strebendes Volk bei ihr als lezter Gestalt der allgemeinen Arbeit hätte stehen bleiben können.

Wenn wir hier nun einen aufmerksamen Rückblick auf das Dargestellte werfen, so sehen wir, wie sich dieselbe unwillkührlich von der ganzen Bourgeoisie und dem ganzen Peuple, allen Besizenden und Nichtbesigenden, auf einen Theil derselben, die industrielle Bevölkerung geworfen hat. Allein es ist dieses der nothwendige, durch die Bedeutung der entstehenden Industrie und ihre Resultate gebotene Gang der Entwicklung. Im Beginne

dieser Darstellung, wie im Beginne der Zeit von der Schreckensherrschaft bis jezt schweben noch die Ideen von Besizenden und Nichtbesißenden, von der Industrie und dem Wesen der Arbeit, von dem staatlichen Recht der Bourgeoisie und dem des Peuple unbestimmt vor uns; wie in der Constitution von 1795 jeder ein Vollbürger ist, der überhaupt eine Abgabe bezahlt, so war vor der Idee jeder ein Besigender, der irgend einen materiellen Besig den seinigen nennen durfte. Das, was hier noch unaufgelöst zum Grunde liegt, hat sich jezt aber grade in der Industrie zuerst in einer bestimmten Gestalt erfaßt. Wir redeten von einer, dem Begriffe nach absolut unterworfenen Classe; diese Classe ist gegenwärtig; sie ist da, in der Classe der nichtbesigenden Arbeiter, den Proletariern. Jene allgemeinen Vorstellungen haben von jegt an einen Crystallisationspunkt erhalten, dessen wesentliche Bedeutung die ist, dem allgemeinen Bewußtsein in einem äußerlich vorliegenden, greifbaren Beispiele zu beweisen, daß die Ungleichheit selbst noch im Leben des Volkes nicht wahrhaft überwunden, sondern nur zurückgedrängt war. — Daher erscheint die Bourgeoisie im Allgemeinen gegenwärtig nicht mehr überhaupt als die Masse der Besigenden, sondern als die der großen Capitalisten und Fabrikherren; diese versteht man, wenn man von jener redet. Der Peuple dagegen bezeichnet jezt nicht so sehr alle Nichtbesißenden, als unter ihnen eben die Fabrikarbeiter, den Ouvrier aller Art.

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Das Verhältniß beider zu einander ist nicht das des unabhängigen Nebeneinanderstehens, sondern das der Unselbstständigkeit der lezteren den ersteren gegenüber. Drei Punkte treffen zusammen, die dem lezteren einen wirklichen Grund geben, seine Stellung als eine wahrhaft abhängige zu fühlen. Mit der Einführung des Wahlcensus verliert er seine Rechte auf die Vertretung im Staate ; mit dem Zusammenströmen der Arbeiter an den industriellen Plägen den Theil seines Arbeitslohnes, der als Gewinn das Mehr seiner Bedürfnisse ihm zu einem Besize hätte verhelfen können; und endlich durch die gewaltigen Handelskrisen und die Deplacirung der Weltmärkte fast die Möglichkeit, sein Leben ohne ewig erneuerte Entsagung zu fristen. So ist er, seit dem Terrorismus, aus einem Vollbürger zu einem nicht glücklichen Werkzeug in der Hand seiner Mitbürger geworden. Die Revolution stellt die Idee der Gleichheit hin; die Frage entstand, ob der Besig die Ungleichheit begründen solle; sie wird mit ja beantwortet. Der Forderung, einen Weg zur Aufhebung derselben jedem Einzelnen darzubieten, wird durch die freie Concurrenz als industriellen Grundsaß entsprochen; das Resultat erscheint; es ist der absolute Sieg des Capitals über die Arbeitskraft, die wiederum erscheinende Ungleichheit. Wie es früher eine Lehnshoheit im Besiße des Grundes und Bodens gab, so giebt es jezt eine solche im Gebiete der Industrie. Die einseitige, an sich unwahre Idee, durch die Erlangung des Besizes das Egalitätsprincip in Staat und Gesellschaft zu verwirklichen, hat sich erfüllt, aber nur um den Widerspruch, den es in sich trägt, in der reellen Welt sichtbar und fühlbar zu machen; gleich als ob für den Irrthum der Völker den Völkern ihre Strafe werden müsse.

Vor allem ist hiermit, um dem praktischen Leben uns wieder zuzuwenden, die eigentliche Bedeutung des Gegensages und des daraus entspringenden Kampfes zwischen den Fabrikherren und den Arbeitern gegeben. Wenn wir die Zahl derer, die zu diesen Theilen der Bevölkerung gehören, mit der Zahl des ganzen Volfes vergleichen, so möchte man erstaunen, daß ein verhältnißmäßig so geringer Theil in seiner allerdings entschiedenen inneren Zerrissenheit dennoch für das ganze Land. so wichtig, ja so entscheidend werden kann. Handelte es sich hier für Frankreich um nichts, als um das Verhältniß dieser beiden Gegner, so würden sie ebensowohl nur eine untergeordnete Aufmerksamkeit erfahren, wie etwa in Deutschland das Armenwesen. Aber sie stehen eben nicht allein

da, sondern in ihnen sehen sich die beiden Grundprincipien des französischen Lebens wesentlich vertreten; die Idee der Gleichheit, und die Idee des Rechts des Besizes. Darum ist es möglich, Bourgeoisie und Peuple, Capitalist und Ouvrier als Synonyme zu gebrauchen, und den Zustand der Fabrikorte als einen Normalzustand für die wichtigste Frage der französischen gesellschaftlichen Entwicklungen zu sezen. So erklärt es sich uns, wie die Claffe der Ouvriers selbst ihre Wichtigkeit fühlen, wie die communistischen Verbindungen und mehr noch die Grundsäge derselben gefürchtet werden, und wie der geringste Tumult, der von Handwerkern ausgeht, stets als ein nie unbedeutendes Ereigniß angesehen wird.

Dieses sind nun im Allgemeinen die Grundzüge der factischen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und Berechtigungen, wie sie aus den Principien der Revolution hervorgegangen sind, und als deren Hauptträger die beiden Classen der Bourgeoisie und des Peuple sich hinstellen. Sie müßten, unzweifelhaft, einem jeden Volke schmerzlich sein, allein für Frankreich sind sie mehr. Denn grade wo ein Princip im äußeren Leben am bestimmtesten negirt ist, erhebt es sich mit desto größerer Spannkraft wieder empor, um sich dennoch geltend zu machen; und bestimmter kann die Idee der materiellen Gleichheit nicht verneint werden, als es durch das so eben bezeichnete Verhältniß geschieht. Unmittelbar mit jenen Zuständen ist daher nicht blos ein Streben nach Verbesserung überhaupt, sondern der Beginn eines neuen Kampfes des Bestehenden mit dem Egalitätsprincip des französischen Volkes gegeben. Aber dieser Kampf selber ist seinem inneren Wesen nach ein wesentlich von den beiden früheren Perioden verschiedener, wenn auch die ideelle, leßte Grundlage dieselbe ist. Der Drang nach Gleichheit zeigt sich zwar stets als Haß gegen den höher Stehenden; aber eben dieser ist ein anderer geworden. Im Beginne der Revolution war es der durch seinen geschichtlichen Stand Berechtigte; gegenwärtig ist es der Reichere. Daher ist es jezt der Reichthum, der von dem Armen gehaßt wird, wie es einst die Gewalt war, der sich der unterworfene entgegenseßte. Das aber, was zuerst die Revolution für jeden Einzelnen in Anspruch nahm, war nur ein gleiches Recht, sowohl im Staate, als in der Industrie; das Recht allein aber reicht nicht aus; der zweite, nahe liegende Schritt ist daher der, einen gleichen Besiß zu fordern. So zeigt sich uns hier die Entwicklung der Idee

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der Gleichheit, nicht in ihrem Umfange dern in ihrem Inhalte, der Forderung, fortschreitend. Noch aber ist dieselbe weder sich ihrer selbst klar bewußt, noch auch ihrer Berechtigung gewiß; sie weiß noch nicht, was sie will, und fährt unsicher hin und her, ohne sich bei irgend einem Ausgangspunkte beruhigen zu können. Nur die ersten Anfänge einer inneren organischen Haltung steigen langsam über diesem Chaos hervor, in den socialistischen Philosophieen einerseits, und in den communistischen Arbeitsordnungen andererseits. Doch sind sie weder mächtig genug, sich selber allgemeinere Geltung zu verschaffen, noch auch die Kräfte und Ansprüche der Proletarier selbst zu beHerrschen.

Fassen wir nun zusammen, was wir bisher dargestellt haben, so erscheint uns, so weit wir blicken, nur die negative Seite des Egalitätsprincips. Es stellt sich vernichtend den Ständen, dem alten Staatsrecht, ja dem Eigenthum gegenüber. Nirgends tritt ein wahrhaft organischer Gedanke hervor, der auf den Trümmern des Umgestürzten eine neue Welt zu schaffen im Stande wäre. Und es läßt sich nicht läugnen, die ganze französische Geschichte ist seit 1789 nur Eine große Negation; eine Negation, die weder die eignen Bildungen ihres Volkes, noch die ihrer Nachbarn verschont hat. Darf es uns da wundern, wenn diese Nation im Allgemeinen, und ihr Egalitätsprincip im Besonderen nicht geliebt wird: weder, was natürlich ist, von den Kleinmüthigen, noch auch, was man jezt verstehen wird, von ernsteren Männern? Aber man täusche sich darüber nicht; die wahre Frage liegt nicht darin, ob Frankreich als solches im Stande sein wird, zu schaffen, wo es zu zerstören vermochte, sondern ob jene Principien selber eine organische Kraft in sich tragen. Einseitig ist, . wer bei einem Gedanken, der seinem Inhalte nach die Völkerschaften begreift, vor Einem Volke stehen bleibt; und obwohl wir nur ein Volk und seine Geschichte behandeln können, so sind wir dennoch grade dadurch berechtigt, jene Einseitigkeit als den Todfeind der höheren Aufgabe selbst zu bezeichnen. Diese Aufgabe aber ist keine andre, als die: jenen Gedanken in seinem ganzen Inhalt in uns zu vollziehen, und durch ihn allein Urtheil wie That leiten zu lassen.

Daß nun das Egalitätsprincip nicht blos negativ ist, davon hoffen wir in der Folge die ersten, wenn auch 'ercentrischen oder schwachen factischen Beweise anführen zu können.

VI.

Die Kaiserzeit und die Restauration.

Wir haben in dem Vorhergehenden, um die Einheit der Darstellung nicht zu unterbrechen, die ganze Zeit von dem Aufhören der Republik bis auf die Gegenwart als Eine zusammengefaßt, nur das bestimmte Resultat der Entwicklung des so eben durchgeführten Gegensaßes im Auge behaltend. Dennoch bietet die Zwischenzeit in ihren so verschiedenartigen Gestaltungen eine Reihe von Punkten dar, die einzeln betrachtet sein wollen, um nicht wesentliche Lücken in der Geschichte selbst zu lassen. Es sind die äußeren Verhältnisse des französischen Reichs, und sein innerer politischer Kampf, die vielfach auf die Stellung wie auf die Ansprüche der beiden Claffen des Volks eingewirkt haben. Allerdings können sie das Princip selber weder ändern, noch unterdrücken; aber sie vermochten es, seine Richtung zu modificiren und die Kräfte, die sich unter ihm zusammenfanden, auf eine Zeitlang für nähere Zwecke zu absorbiren. Die Kaiserzeit und die Restauration sind auch in diesem Verhältniß zum Volke wesentlich verschieden, und es gehört daher zu unserer Aufgabe, diesen Theil der Geschichte in seinem Einfluß auf das Grundprincip des jungen Frankreichs besonders darzustellen.

Wenn wir behaupten, daß der französische Geist rasch und lebendig fühlt, und unbedenklich ausführt, was er sich als Ziel gesezt hat und wenn wir zugleich sagen, daß eben jenes Princip der Gleichheit des Vermögens schon durch den Unterschied, den die Constitution von 1795 an die Verschiedenheit des Besizes knüpft, dem Volke zum Bewußtsein kommen mußte, wie war es denn möglich, daß jener Widerspruch sowohl unter der Kaiserzeit, als unter der Restauration so entschieden in den Hintergrund gedrängt ward, daß auch keine Spur desselben seit Babeuf vorkommt? Und wie erklärt es sich, daß sowohl der Socialismus in seinen beiden Hauptvertretern, St. Simon und Fourier, als der Communismus in den Handwerkerverbindungen unmittelbar mit der Julirevolution ins Leben treten?

Dasjenige Moment nun, was in der Sache selbst liegt, haben wir allerdings schon herausgehoben. Allein die in einzelne Verhältnisse gehenden Fragen lösen sich damit nicht, und die äußere Geschichte verlangt demnach eine kurze Betrachtung.

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Kaiserzeit. Sie ist

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