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Person; er kann erworben und verloren werden durch Glück und Unglück; dennoch ist von diesem Zufälligen dasjenige abhängig, was das Egalitätsbewußtsein als absoluten Grundsah anerkennt, die gleiche Berechtigung aller Person; damit ist die Gleichheit selbst zufällig, und folglich ihrem Wesen nach mit sich selber im Widerspruch; und es giebt von jest an wieder eine absolut unterworfene Classe im Staate.

Halten wir nun dieses mit dem Gegensatz zwischen der Bourgeoisie und dem Peuple zusammen, so treten diese beiden Theile des ganzen Staats nicht blos auseinander, sondern einander geradezu gegenüber. Der Proletarier, wenn wir in ihm uns die Idee der Gleichheit lebendig denken, wird den Besizer für seinen Feind halten, weil er sich unter ihm fühlt, während er sich berechtigt glaubt, neben ihm zu stehen; der Besigende wird, wenn er nicht Gegner des Nichtbesizers ist, doch ein Gegner dieses leßteren Gedankens sein; denn er weiß, daß er ein Moment vertritt, was seinem Wesen nach die Ungleichheit, die jener haßt, stets wieder erneuern muß. Die strengere, ernste Scheidung zwischen beiden Classen beginnt nun langsam sich zu bilden, gleichen Schritt haltend mit der wachsenden Bedeutung des materiellen Lebens überhaupt; Umstände treten ein, die sie in den Hintergrund drängen, andere, die sie befördern; stets aber schreitet sie selber vorwärts, und erfüllt sich endlich als entschiedener, materiell ausgebildeter und innerlich bewußter Widerspruch.

Wir haben schon oben angedeutet, daß wir von dem Ende der Revolution an das eigentlich politische Element im Egalitätsprincip nur als ein untergeordnetes anerkennen können, weil es theils geradezu vor dem materiellen zurücktritt, theils aber als eine bloße Consequenz desselben erscheint. Da wir indessen die ganze Entwicklung des gegenwärtigen Jahrhunderts in diesem Abschnitt zusammenfassen müssen, und die allgemeine Aufmerks samkeit sich mehr auf die politische als die ideelle Seite jener Principienkämpfe gerichtet hat, so wollen wir schon hier den Refler bezeichnen, mit dem der Fortschritt des Gegensazes zwischen Bourgeoisie und Peuple in der heutigen inneren Politik und dem Streit der gouvernementalen Kräfte auftritt. Dabei darf man nun nicht vergessen, daß das Folgende eben nur die Punkte enthält, in denen jene Grundsäge in der Sphäre des öffentlichen Rechts selber sich zeigen dürfen.

Erheben wir uns nämlich über Einzelnes und Nebensächliches, so

erscheint in dem Obigen der eigentliche Hintergrund desjenigen, was in Frankreich gegenwärtig als das conservative und das Bewegungsprincip sich bekämpft. Dieser Gegensatz ist für Frankreich ein wesentlich anderer, als für Deutschland; das Zusammenstellen beider Länder kann hier, wie allenthalben nur dazu dienen, das richtige Verhältniß zu verwirren. Es läßt sich auf keine Weise läugnen, daß der Besißende in Frankreich alle Rechte hat, die das Princip der Gleichheit irgendwie bedingen kann, wenn man nicht Thörichtes fordern will; auf der anderen Seite ist der Nichtbesigende von jenen Rechten und Genüffen ausgefchloffen. Das allgemeine Bewußtsein erkennt nun, als Resultat der Geschichte, den Saz an, daß der Besiz die nothwendige Bedingung der wirklichen Gleichheit ist; dieses Bewußtsein aber theilt jeder, sei er ein Reicher oder ein Proletarier. Eben daher erkennt oder fühlt auch wieder jeder Einzelne, daß jede Aenderung im Staate ganz unmöglich bloß eine Aenderung der Staats form sein und bleiben wird. Denn der allgemeine Wille ist jedenfalls, wenn auch nicht wahr, so doch mächtiger; wird derselbe den Nichtbefizenden zugetheilt, so ist die, durch die Geschichte der franzöfischen Gesellschaft nothwendig voraussehbare Folge das Eingreifen eines Mittels, sei dieses welches es wolle, um den Besit gleichmäßiger zu vertheilen. Das aber heißt, dem Reicheren die Möglichkeit nehmen, reich zu sein und reicher zu werden. In dem bestehenden Staatsrecht ist dies nicht möglich; es ist daher die einfache Folge die, daß die Classe der Besigenden diese absolut aufrecht halten, conservativ sein muß, und zwar nicht blos gegen die Einwirkung des Gouvernements, weil der gegen wärtige Zustand ihr alle Rechte des Besizes garantirt, die Gleichheit der Regierung gegenüber; sondern vor allem gegen die Versuche des Bewegungs princips, weil jede Aenderung der Staatsform über kurz oder lang die Aenderung im bestehenden Zustande des Besizes selbst herbeiführen muß. Es ist unzweifelhaft, daß in diesem Verhältniß allein der Schlüssel zu den verschie denen Kämpfen und Niederlagen liegt, die die sogenannte liberale Partei gerade in der lezten Zeit so häufig erlitten hat; denn erst in den lezten Jahren sind jene Säße dem ganzen Volke mehr und mehr zum Bewußtsein gekommen. Man hat auch gar nicht so weit zu gehen, um das hier angedeutete bestätigt zu finden. Die bisher unfehlbare Waffe, mit der jeder Vorschlag der Opposition bekämpft worden ist, ist stets ein bestimmtes Hinweisen,

nicht auf die innere Wahrheit oder Unwahrheit der Propositionen, sondern auf jenen Hintergrund, der sich als lehtes Ziel vor jedem aufthut; eine einzige Rede Guizots, des Mannes, der hier von allen entschieden am tiefsten blickt, und am richtigsten so= wohl das allgemeine Verhältniß als den Einzelnen beurtheilt, wird dem Aufmerksamen mehr Aufschluß geben, als die weitläuftigste Entwicklung hier zu bieten im Stande wäre.

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Wir haben uns hierbei einen Augenblick aufgchalten, weil damit eine Erscheinung erklärt wird, auf die wir noch später zurückkommen werden, von deren wichtigem Verständniß aber die vollständige Auffassung des ganzen Bildes der inneren französtschen Zustände abhängt. Ein Blick auf die Lage der wahren Opposition nicht der, die Eins oder Anderes angreift, und nur einen anderen Weg, nicht ein anderes Ziel will wie die Conservativen überzeugt uns, daß sie ihre Wurzel und ihre Kraft gegenwärtig nicht mehr in der Verfechtung einer freieren Staatsform, sondern in ihrer Hinneigung zum Peuple findet, und eben deshalb nicht bloß von der Gegenpartei bekämpft, sondern zugleich gehaßt und gefürchtet wird. Es ist nun klar, warum sie nicht anders kann; zugleich aber auch, wie es möglich ist, daß sie eine Macht bildet. Dieses kann sie nur, indem sie ein opponirendes Princip vertritt, das zugleich im Volke lebt; und dieses Princip ist kein anderes als das der Gleichheit aller Persönlichkeit in jedem Gebiete des menschlichen Lebens.

Wenn nun aber im Allgemeinen jener Gegensaß wirklich da ist und als tiefgreifender betrachtet werden muß, woran liegt es denn, daß derselbe zu seiner vollständigen Entwicklung einer so langen Zeit bedurft hat? Das Leben Frankreichs geht nicht langsam, schrittweise vorwärts; rasch fühlt es, und rasch sucht es in unmittelbarer That Abhülfe. Warum zeigen sich denn, wo jenes Uebel doch so groß ist, nicht schon frühe die Symptome der Krankheit?

Man wird, wie wir es sogleich bestimmter darstellen werden, in mancherlei äußeren Verhältnissen mancherlei Ursachen zu finden leicht im Stande sein. Der wahre Grund aber liegt tiefer; er muß sich uns, um als ein dauernder zu erscheinen, aus dem dauernden Wesen jener beiden Gestalten des Besizes selbst ents wickeln, dem Capital und der Arbeitskraft. Hier dürfen wir nun zuerst einen Saß als anerkannte Wahrheit vorausseßen, dessen Beweis uns jeder an diesem Orte erlassen wird. Die Arbeitskraft hat, im weitesten Sinne genommen, ihrem Wesen nach in

sich die Kraft, durch sich selber sich ein eignes Capital zu erringen, selbst wenn sie ohne ein solches beginnt. Jedem ist nun die vollkommene Freiheit nach allen Richtungen hin gegeben, sich mit eigner Arbeit auf jedem Gebiete zu versuchen, und sich, wie er am besten mag und kann, ein Capital zu erwerben; es liegt daher, dem Princip der Geseze nach, wie nach dem Begriff der industriellen Kräfte, nur an jedem Einzelnen selbst, aus dem Stande der Nichtbesigenden herauszutreten, und durch sich selber sich den Weg zur vollkommensten staatlichen Gleichheit zu bahnen. Denn das ist eben der wesentliche Unterschied dieser Zeit von der vor der Revolution, daß jedem Einzelnen als solchem jeder Weg offen steht, wenn er nur den Muth hat, ihn zu verfolgen, und die Vermittlung zwischen den verschiedenen Stellungen, die Arbeit, in jedes thätigen Mannes Hand gelegt ist. Zwar wird es stets Ausnahmen geben; aber dem Wesen nach ist gegenwärtig der Mann nicht mehr von seinem Stande, sondern die Stellung vom Manne abhängig. Mehr kann kein Gesetz bieten, und kein Vernünftiger fördern. Ist es nun zwar gewiß, daß der Erfolg des Kampfes zwischen der bloßen und der mit dem Capital verbundenen Arbeitskraft mit der Niederlage der ersteren enden wird, so bedarf diese Entscheidung dennoch erst der Zeitz und diese ist eine Zeit der Ruhe.

Doch wenn dieses Resultat auch äußerlich ausreicht, so kaun es doch den tiefer gehenden Gedanken nicht befriedigen. Eben während jener Zeit der Ruhe ist der Kampf der beiden Kräfte im Besiz dennoch schon da, und zwar noch nicht als Gegensaß des Arbeiters zum Capitalisten, sondern bis jezt noch als bloßes, beiden gemeinsames Arbeiten nach der Erringung des Besizes. Läßt sich nun dieser ganz allgemeine Begriff nicht genauer bestimmen? Und müssen wir ihn nicht genauer bestimmen, eben um jene Epoche, in der sich in der Geschichte zum ersten Mal Capital und Arbeitskraft als selbstständige Gegner messen, in ihrer Eigenthümlichkeit erfaffen zu können? Alle Zeiten zeigen uns die arbeitenden Völker; was ist es denn, was grade in dieser Arbeit der Gegenwart ein Besonderes ist?

So wahr ist es, daß das Allgemeine das Einzelne bedingt und dieses nur in jenem sein Verständniß finden kann, daß wir selbst jene scheinbar so rein thatsächliche Frage dennoch nur aus dem allgemeinsten Lebensprincip unsrer ganzen Zeit heraus zu bes antworten im Stande sind. Die ganze Masse des arbeitenden

Volks hat nur Eine Aufgabe, die, durch den erworbenen Besit die materielle Unabhängigkeit jedem Einzelnen zu sichern; mithin sowohl dem schon Besigenden als dem Nichtbesizer. If dieses Resultat durch die Landwirthschaft erreichbar? Aus zwei Gründen nicht. Zuerst ist der Erwerb der bloßen Arbeit in ihr nicht groß genug, um durch ihn zu einem selbstständigen Grundbesitz zu gelangen, dieser aber bildet die Bedingung der Unabhängigkeit für den Landmann. Dann aber, und dieses ist entscheidend, ist die Zahl derjenigen, die eines solchen bedürfen, ins Unendliche wachsend, die Größe des Grundbesizes aber als eine feste gegeben. Da nun die unendliche Theilung desselben seinen Werth wiederum aufhebt, so muß er seinem Wesen nach, so lange er persönliches Eigenthum bleibt, immer eine Zahl von Landbauern ausschließen, die in ihm nicht zum Besiz kommen können. Die Landwirthschaft kann daher nicht das Gebiet sein, dem sich die Masse des Volkes zuwendet, wenn es darauf ankommt, jeder Person selbstständigen Besitz zu erwerben. Kann der Handel dazu im Stande sein? Man hat gesagt, der Handelsstand sei der Stand der Freiheit. Es ist dies ganz entschieden wahr, wenn auch nicht in dieser Ausschließlichkeit; aber der Grund davon liegt eben darin, daß der Handel den Besit von Capitalien vorausseßt, und daß mithin die persönliche materielle Unabhängigkeit des Einzelnen schon da ist durch den Begriff des Handels selbst, der selbst nichts anderes ist, als der Tausch der verschiedenen Gestalten des Besizes oder des Capitals. Was bleibt mithin übrig für jene Arbeit, die eben erst für den Nichtbesigenden ein solches Capital erwerben foll? Die Antwort ist bestimmt: sie muß sich auf dasjenige richten, was seinem Wesen nach unendlich theilbar, und dennoch unendlich reich ist, so reich, daß es jeden zum Besizer machen kann, ohne dem anderen die Möglichkeit zu nehmen, neben ihm ein Gleiches zu erwerben. Das aber ist nicht der Stoff an sich, auch nicht der Grund und Boden, sondern die Bearbeitung des gegebenen Stoffes. Diese Bearbeitung, erscheine sie nun in welcher Form sie wolle, fordert kein Capital, sondern nur die persönliche Anstrengung und das persönliche Geschick. Dennoch ist sie es, die dem Stoff den Werth des Gebrauchs giebt, fie webt, schmiedet, färbt, baut und bildet die Vermittlung zwis schen der reinen Natur und dem menschlichen Bedürfniß. Sie hat daher für sich einen Werth, der höher ist als der des Ma

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