Page images
PDF
EPUB

bis es sie auf immer vernichtete? War es das Unterschiedensein als solches? Nein, es war die Unmöglichkeit für den außer ihnen Stehenden, jemals durch eigne Kraft zu ihrer Höhe und ihren Genüssen gelangen zu können, jene unüberwindlichen Schranken, die die Gesellschaft in absolut Hohe und Niedrige theilten. In jener Gestalt der Dinge war keine Versöhnung der Gegensäge durch Kraft oder Intelligenz, keine Vermittlung des Getrennten zu finden, und nirgends das geringste Zeichen, daß die Berechtigten auch nur eines Haares Breite aufzugeben Willens waren. So war ein förmlicher Kampf denkbar, denn es galt nicht ein mehr oder weniger, sondern es galt überhaupt Erstarrtsein oder Bewegung, Leben oder Tod; und jedes Wesen hat ein Recht, sein Leben mit eigner Kraft zu schüßen. Eine ganz andre Basis aber für die Gesellschaft bildet der Besit; er ist seinem Wesen nach ein bewegliches Gut; er kann erreicht wers den durch Thätigkeit und Ausdauer; und deshalb steht keine Vertheilung desselben als solche im Widerspruch mit der Idee der Persönlichkeit, denn diese fordert nicht nur, daß der Einzelne zu dem werden könne, was er zu sein vermag, sondern auch, daß er es durch sich selbst werde. Der tiefere Irrthum jenes rohen Communismus lag daher in der Verwechslung des Grundgedankens der Stände und Zünfte mit dem des Besizes; und der innere Widerspruch, der sich in uns gegen denselben regt, geht in feinem eigentlichsten Grunde aus nichts anderem hervor. So lange mithin Reichthum durch Arbeit erreichbar ist, so lange ist jeder Communismus ein absoluter Widerspruch gegen die Idee der Persönlichkeit; denn diese fordert beides, und das Eine ift der unbedingte Grund des Anderen. In dem Besize selbst ist mithin eben jene Vermittlung der verschiedenen Classen enthalten, die dem Standesunterschied mangelte. An sich widerspricht er der Gleichheit nicht; dieser Widerspruch muß erst durch die thatsächliche Gestalt desselben im wirklichen Leben jene Vermittlung zwischen Armuth und Reichthum unmöglich gemacht haben, um den Communismus selbst zu einem geistig möglichen im Volke zu machen.

Das war die Lehre, die der mißlungene Babeuf'sche Versuch dem Egalitätsprincip hinterließ; nicht als einen bestimmt gefaßten und ausgesprochenen Sat, sondern mehr als ein dunkles Bewußtsein seiner eignen Unmöglichkeit in seiner rein communistischen Gestalt. Was nun geschehen mußte, ehe der Communismus

[ocr errors]

wieder auftauchen konnte, geht aus dem Obigen klar hervor. Es war nothwendig, daß sich in der neuen Ordnung der Dinge die Frage praktisch löste, auf die alles ankam, und die dennoch so wohl die früheren Philosophen als der Communismus übersehen hatten: ob in der neuen Bildung der auf den Besiz ruhenden Gesellschaft dem Einzelnen wirklich die Unmöglichkeit gegeben war, durch eigne Arbeit sich die Bedingung materieller Unabhängigkeit und Gleichheit zu erwerben. Und diese Frage ist es, die wir jezt zu untersuchen haben. Sie reicht allerdings weiter in man chen einzelnen Punkten, die wir berühren müssen; allein die eigent liche Hauptfrage für unsere Aufgabe ist die Lösung jenes Zweifels, der der nächsten Zeit übergeben ward.

V.

[ocr errors]

Bourgeosie und Peuple.

Fassen wir nun den Inhalt des vorhergehenden Abschnittes In seinen praktischen Resultaten zusammen, so ergiebt sich zuerst, daß die nächste Folgezeit nicht mehr wie die Jahre der eigentli. chen Revolution selber, einen unmittelbaren Kampf der Principien darbieten können. Allerdings ist der Gegensatz zwischen materiel. lem Individualismus und Communismus da, so wie ein stets wachsender Unterschied zwischen dem besigenden Theile der Bevöl kerung und dem Proletariat; allein der ganze Umfang jener Frage, die für beide die Entscheidung ihrer gegenseitigen Stellung enthält, ist auf ein enges und rein thatsächliches Gebiet zusammengedrängt. Eben weil seine Gestalt aber von der langsam erwers benden Arbeit abhängt, fordert das Wiedererscheinen jenes tieferen Gegensages eine zeitliche Dauer; und deshalb darf man sich nicht irre machen lassen, wenn während mehreren Jahrzehnden nur jene Arbeit, jenes Kämpfen aller Einzelnen um den Besig selber als Charakter der bürgerlichen Gesellschaft uns entgegen tritt.

Dann aber will ein solcher Gegensaß, wenn er im äußeren Leben wirkend eingreifen soll, auch einen äußeren Körper, in dem er selber lebe. Ehe er diesen gefunden, kann man sein Dasein wohl ahnen, aber nicht wahrhaft bestimmen. Dagegen ist es nicht weniger gewiß, daß sich stets entgegengesezte Principien vertreten finden, wo sich Claffen feindlich gegenüber stehen.

Diese Bemerkungen geben uns nun das Recht, vor Allem uns nach der thatsächlichen Gestaltung der französischen gesell

schaftlichen Welt umzusehen, und eine Reihe bewegter Jahre von' dieser Seite aus als ein Ganzes zu betrachten.

Nach den Siegen und der Niederlage Napoleons, nach der Nestauration und Julirevolution erscheint plößlich eine Kluft, die den einen Theil des Volfes von dem anderen trennt, zwar nicht mächtig genug, um ganz das Bewußtsein der Einheit zu unterdrücken, aber dennoch so gewaltig, daß es den Zwiespalt und seine Gefahren selbst bis zu den Maaßregeln und den Entschlüssen der höchsten Volksorgane hinauftreibt, und eine Opposition ins Leben ruft, deren Tendenz keinem ganz verborgen, deren Folgerungen aber ihr selber wohl noch nicht klar sein mögen.

[ocr errors]

Wenn irgend ein Element im Kreise der gesellschaftlichen Welt so mächtig geworden ist, daß es schon eine, auf ihm beruhende Gestaltung derselben hervorzurufen im Stande ist, so eilt das allgemeine Gefühl dem begreifenden Verständniß voraus, und findet einen Ausdruck, mit dem es zugleich jene Wirkung und ihre Ursache mit Einem Schlage bezeichnet, für sich selber eine Grundformel, der geschichtlichen Darstellung ein Anhaltspunkt. Eine folche Formel enthalten für das Resultat des Besizes in der neue= sten französischen Geschichte die Ausdrücke Bourgeosie und Peuple. Wir können das, was sie bezeichnen, nur schwer mit einem Worte wiedergeben. Es ist die Trennung von Besizenden und Nichtbesigenden, der Bürgerstand und das Proletariat*).

Erinnern wir uns nun an das eben Ausgeführte, so kann uns nicht entgehen, daß in diesen beiden Classen nicht blos ein entgegengeseztes Princip überhaupt sich verbirgt, sondern daß sie vielmehr einen eignen Entwicklungspunkt in dem Gange der Verhältnisse enthalten, den wir als die Bedingung der neuen Richtung des Egalitätsprincips bezeichneten. Sie sind, das ist auf den ersten Blick klar, selber nur Resultate; und betrachten wir sie genauer, so erscheinen sie uns eben als Resultat der materiellen Arbeit, der sich nach der Revolution das französische Volk hingegeben. Diese Arbeit hatte aber als Basis und zugleich als Ausgangspunkt den

p.

*) Louis Blanc bestimmte in seiner Histoire de dix ans (T. I. 4.) den Begriff folgendermaaßen:,,Unter Bourgeosie verstehe ich die Masse der Bürger, die, da sie die Werkzeuge der Arbeit oder ein Capital besigen, mit Mitteln arbeiten, die ihnen zu eigen gehören und von anderen nur bis zu einem gewissen Grade abhängen. Der Peuple ist die Masse der Bürger, die, das Capital nicht besigend, vollständig von anderen abhängen, und zwar in demjenigen, was die nächsten Bedürfnisse des Lebens betrifft.“

Besit; es muß mithin in jener Scheidung sich eine bestimmte Gestalt eben dieses Besizes wiederfinden, und von dieser Gestalt aus der Uebergangspunkt zur heutigen Form des Egalitätsprincips zu suchen sein.

Auch hier ist es vielleicht nicht überflüssig zu erinnern, daß wir nicht das ganze französische Leben umfassen wollen oder können. Wir bleiben bei unserer Aufgabe, ihr alle anderen Gesichtspunkte opfernd, an deren Reichthum es nicht immer leicht. ist, ohne mächtige Versuchung vorüber zu gehen. Da in der Ges sellschaft des deutschen Volkes aber jene Begriffe wesentlich unbes kannt sind, so dürfen wir uns erlauben, ihren tieferen Inhalt hier genauer zu entwickeln,

Wenn in der Idee des Besizes aller Unterschied von ge schichtlichem und erworbenem, von Grundbesiß und Werth - oder Geldesbesitz aufgehoben ist, so begreifen wir ihn mit dem Ausdruck Capital. In diesem allgemeinsten Sinne hat jede Persönlichkeit ein Capital, denn es ist dasselbe nur das Mittel des Erwerbs. Allein aus dem Gegensaße des Persönlichen und Nichtpersönlichen auf der einen, aus dem des Erwerbs als Erzeugniß auf der andern, geht die zweifache Seite des Begriffs Capital hervor. Denn das Erzeugniß, der erscheinende Erwerb, ist das Resultat zweier Kräfte; des Stoffes oder des Nichtpersönlichen im Capital, und der Arbeit, oder des Persönlichen. Das mit scheidet sich der Begriff des Capitals in den des Capitals im engern Sinn, den Besiz des Stoffes, und den der Arbeitskraft.

Wir zeigten nun, daß die Arbeit überhaupt der Weg sei, vem sich die französische Kraft zugewendet; diese Arbeit aber zeigt sich bei näherer Betrachtung als das Hervorrufen der Erzeugnisse, mithin als ein Zusammenwirken von Capital und Arbeitskraft. Daß aber dieses Zusammenwirken beider zugleich ein. Bedingtsein des Einen durch das Andre seßt, ist klar; und dieses erzeugt nothwendig zuerst die Frage nach dem wahren Verhältniß beider, dann aber, wo dieses richtige Verhältniß mangelt, einen Kampf zwischen beiden,

Die Arbeitskraft nun ist ein Capital, das eben seiner Perfönlichkeit wegen jeder befizt; das eigentliche Capital dagegen ist zufällig da oder nicht da. Damit ist folgender entscheidender Saß gegeben: auch in Beziehung auf den Erwerb ist die Gleichheit nur in dem Wesen der Arbeitskraft enthalten; der Be

fizende hat an seinem Capital einen absoluten Vorzug vor dem Nichtbesitzenden, und sezt man die Masse der Besizer und Nichtbefizer als arbeitend mit allem was sie haben nach größerem Besit, so muß nothwendig, eben durch jenen absoluten Vorzug, der Besizer den Nichtbesizer überwinden, d. h. sich den Erwerb aneignen, nach dem beide gemeinsam streben.

Damit ist denn das Gefeß gefunden, nach dem sich das Verhältniß der beiden Classen in der beiden offen stehenden und von beiden ergriffenen Arbeit gestalten muß. Es zeigt die wirkliche Geschichte, daß dieser oft langsame aber stets unvermeidliche Sieg des Capitals über die bloße Arbeitskraft das nothwendige Resultat des geseßlosen Zusammenstehens beider ist; denn dieses Resultat ist durch die Natur der Sache selbst bedingt, und kann daher nicht auch ein anderes sein.

Kehren wir nun zurück zu dem Saze, daß es eben jene Arbeit ist, der sich nach der Revolution das französische Volk hingab, so stehen wir hier vor dem Erfolg, den jene Arbeit im wirklichen Leben haben mußte. Die ganze Masse des Volkes theilt sich in Besizer und Nichtbesizer, oder in solche, die mit ihrer Arbeitskraft das Capital verbinden, und solche, die nichts find wie Arbeiter. Die ersteren siegen unbedingt auf dem Gebiete des Erwerbs; die lezteren unterliegen. Damit erscheint denn als Ergebniß dieses Kampfes im Wesen des Besizes selbst die Trennung von Capital und Arbeitskraft, eine Trennung, die eben aus jenen Gründen erst in der neuern Zeit ihre wahre Bedeutung erhalten hat. Als die Vertreter des ersten aber stellt sich die Classe der Bürger hin, die wir als Bourgeoisie bezeich neten; der bloße Besiz der lezteren ist das Eigenthum und die Eigenthümlichkeit des Peuple.

Hier ist nun der Punkt, wenn auch kein bestimmter in der Zeit, so doch in der inneren Entwicklung der Verhältnisse, wo wir dieses gewonnene Resultat mit dem Princip der Egalität zusammenhalten müssen. Es ergiebt sich mit unabweisbarer Consequenz aus dem Obigen, daß durch die Arbeit als solche, dem Proletariat nicht die Gleichheit errungen werden kann, nach der es strebt. Jene Egalität, die sich dem Besize zugewendet hat, findet eben in diesem Besize selbst ihren ewigen Feind, der alle ihre Anstrengungen vergeblich macht, und die Ungleichheit in einer Gesellschaft aufrecht hält, die grade auf dem Besize beruht. Der persönliche Besiz des Capitals ist etwas Zufälliges für die

« PreviousContinue »