Page images
PDF
EPUB

égalitaires öffentlich im Proletariat auftritt, die erste tief greifende Spaltung desselben. Mit dem Erscheinen des Humanitaire sagt sich die besonnene Partei der Arbeiter von jenen los, und von jezt an steht die zweite Hälfte derselben, die Reformisten, als selbstständiger Theil da, der alsbald wieder in die Reformistes und die eigentlichen Communistes zerfällt.

Was nun schließlich den gegenwärtigen Zustand der Travailleurs égalitaires betrifft, so ist es fast unmöglich, ganz Bestimmtes darüber anzugeben. Der Humanitaire hat aufgehört zu erscheinen, der Queniffet'sche Proceß einen Theil der Mitglieder stuhig gemacht, aber es ist kein Zweifel, daß die übrigen entweder schon wieder in eine andre geheime Verbindung zusammengetreten sind, oder doch nicht anstehen werden, es zu thun. Wann wird der Unterricht der Jugend, dieses einzige Mittel, solchem Auswuchse der Civilisation vorzubeugen, hoch genug stehen, um ihn innerlich unmöglich zu machen, und Ruhe und Sicherheit der Regierung und der Gesellschaft vor seinen Angriffen zu bewahren?

II. Die Reformistes.

Es ist sehr schwierig, die eigentlichen Reformistes nachh allen Seiten hin mit einem bestimmten Bilde zu umfassen. Im Allgemeinen ist jener Name durch den Refler entstanden, den die rein politisch-liberalen Bestrebungen auch unter den Arbeitern hervorgerufen haben. Es ist einem großen Theile derselben die Ansicht entweder entstanden oder geblieben, daß eine gründliche Wahlreform das einzige wahre Mittel sei, allen den Uebelständen des heutigen industriellen Lebens abzuhelfen; fie schließen fich daher innerlich an die äußerste Linke an und können in mancher Beziehung mehr eine politische als sociale Secte genannt werden. Allein indem sich die demokratische Bourgeoisie doch nicht öffentlich für die Proletarier erklären kann oder will, stehen auch sie allein da, und sehen sich damit gleichfalls genöthigt, nach einer Reform des eigentlich socialen Zustandes zu suchen. Hier nun zeigt sich ihr eigenthümlicher Charakter gleichsam als das Juste - milieu unter den Communisten, unbestimmt aber fortstrebend. Sie umfassen die Masse der Arbeiter, denen der gegenwärtige Zustand nicht entspricht, die nach einem anderen suchen, und die dennoch in der Lehre der Egalitaires zu viel Unsinn, in der der Communisten zu wenig Organisation finden. Sie gehen von dem ersten

Gedanken des Communismus aus, die Gleichheit des Rechts auf die höchste persönliche Ausbildung fordernd; dadurch gelangen sie zuerst zu einer vagen Idee der Gütergemeinschaft, so wie zu der Forderung einer, aus dem Bereich des persönlichen Besizes herausgehobenen gemeinsamen Industrie, zu einer Aufhebung des persönlichen Grundeigenthums, zu einer Aenderung der heutigen Familie, ohne im Stande zu sein, zu bestimmen, was sie wollen. Sie unterscheiden sich von den Egalitaires dadurch, daß sie streng die meuchelmörderischen Angriffe auf das Oberhaupt des Staats und die Empörung mißbilligen, und zugleich es nicht versuchen, die höchsten Fragen der Menschheit durch ihre Grundsäge entscheiden zu wollen; aber sie sind nicht so sehr von jenen durch das verschieden, was sie sehen, als durch das, was sie nicht zu berühren wagen. Ihre ganze Anschauungsweise enthält eben jenes unbestimmte Loben des Bedürfnisses nach einer Erhebung und einer höheren Anerkennung des Proletariats, jenes Gefühl, daß die Gegenwart Unrecht hat, es zu übersehen, und daß die Geschichte der Industrie im Besonderen, ja die des Besizes im Allgemeinen, vor einem wichtigen und entscheidenden Schritt steht, der nur durch die Ansprüche des Proletariats bestimmt und erzwungen werden kann. Sie ahnen, daß die absolut freie Concurrenz der Grund des Uebels ist, das auf ihrem Stande lastet, und daß der gegenwärtige Zustand der Gesellschaft unmöglich ein dauernder sein kann, weil der zahlreichste Theil derselben, in trauriger Abhängigkeit dastehend, doch schon nach den Mitteln und Wegen sieht, zu ändern, was ihn zu Boden drückt. Das ruft denn bei ihnen ein Hin- und Herdenken, ein Zusammenkommen, ein Besprechen hervor, das sie allmählig zu einer eignen Partei formt. Aber es läßt sich eben durch diese Unbestimmtheit ihrer Ansichten nicht erkennen, wohin sie streben. Sie wissen es selber nicht; es giebt noch für sie keinen wahren Mittelpunkt ihres Be= wußtseins, und schwer ist es zu sagen, wo sie ihn finden werden. Die Partei der Reformisten bildet daher keine eigene Verbindung, ihre Mitglieder - wenn man die Gleichgesinnten so nennen darf — kennen sich nur in kleinen Kreisen, wie solche sich stets als Gesprächszirkel in einer zahlreichen Masse bilden. Sie hat keine Organisation, denn sie hat keinen bestimmten Zweck; sie hat ferner kein Organ, denn es mangelt ihr die Uebereinstimmung in den Grundauffassungen, deren der Journalismus aller Art bedarf,

um überhaupt dasein zu können *). Dennoch ist ihre Zahl auf keine Weise gering zu nennen; sie finden sich in Paris, Lyon und allen Fabrikstädten zweiten Ranges neben den beiden andern Parteien, oft nur dadurch als Reformisten bezeichnet, daß das Ungenügende jener anderen Doctrinen sie abhält, in die Verbindungen derselben einzutreten, ohne daß sie selber die Richtung als folche tadeln, oder auch was Besseres zu seßen im Stande wären. Sie sind aber im Allgemeinen von jenen durch ernsteren Sinn und zugleich durch eine bessere Bildung ausgezeichnet; sie kennen nicht bloß alle Bewegungen des Proletariats und verfolgen sie aufmerksam, sondern sie scheuen sich nicht, sie mit Bestimmtheit zu beurtheilen und zu tadeln. Stellt sie dies über die andern Parteien, so treten sie durch den Mangel der Selbstgewißheit in ihren eignen Ueberzeugungen wieder vor jenen zurück im praktischen Leben. Hier haben sie wenig Bedeutung, ja wenig Einfluß auf die Theilnehmer ihrer eignen Partei; und der Mangel innerer Haltung läßt es im Fall einer offnen Empörung unentschieden, ob man von ihnen zu hoffen oder zu fürchten hat. Wenn man ́ will, kann man sie das Juste-milieu des Proletariats und feines Communismus nennen, das das Bedürfniß eines organi= schen Princips für das Leben desselben fühlt, ohne die Negation des Egalitätsprincips anerkennen zu wollen. Es wäre, wenn auch nicht leicht, so doch nicht unmöglich, grade in ihnen das mächtigste Gegengewicht gegen alle Ausschweifungen des niederen Volks zu schaffen, indem man die Erhebung und Versittlichung desselben grade bei dieser Classe mit allem Ernst und aller Kraft begänne, die noch durch kein entschiedenes Vorurtheil abgehalten ist, einer aufrichtigen Lehre zu folgen, und die immer bedenklichere Stellung des Proletariats besonders in Frankreich muß uns das Urtheil abnöthigen, daß die Regierung sehr Unrecht hat, zu versäumen, was später vielleicht nie wieder eingeholt werden kann!

Die merkwürdigste Lebensäußerung dieser Partei - denn daß es den Reformistes angehört, ist kein Zweifel, obwohl es nur von einer kleinen Zahl derselben ausging ist ein Manifest, das sie an die Presse sandten, und das diese (3. u. 4. März 1842) dem Publikum mitgetheilt hat. Sie zeigen hier, daß sie alle einzelnen Erscheinungen im Gebiete des Proletariats sehr wohl

*) Es ist ein Irrthum, das communistische Journal,,La Fraternité" als das Organ der Reformistes anzusehen. Dasselbe enthält nur eine Fraction der ikarischen Communisten, von denen wir sogleich reden werden.

kennen und zu würdigen wissen; sie beleuchten die Saint-Simonisten, Proudhon, die kleine Broschüre von Boyer (die übrigens nur dadurch bekannt ward, daß der Verfasser sich erschoß, als er sah, daß er nichts Neues gesagt hatte), die Richtung Cabet's, die der Travailleurs égalitaires, und andre. Keiner von diesen Versuchen genügt ihnen; die Einen geben zu viel, die Anderen nicht genug; sie selbst aber kommen eben so wenig zu einem bestimmten Resultat, wie die, denen sie die Unbestimmtheit vorwerfen. Sie gehen entschieden vom Egalitätsprincip, diesem ewig aufs neue uns entgegentretenden Gedanken aus; sie wollen,, den Bürgern als die erste Aufgabe die Ausübung der Brüderlichkeit (frateruité) predígen“, ferner,, die Moral als die einzige Quelle des Glücks seßen", und,, den Rationalismus, das heißt den Glauben gegründet auf das alleinige Zeugniß der Sinne und der Einsicht der Vernunft". Von da kommen sie zu dem Saße,,, daß die Ungleichheit der Verhältnisse (conditions), unter welcher Form sie sich verberge, eine fortdauernde Quelle des Unglücks und der Herabwürdigung sei, dem die Gleichheit der politischen Rechte allein nicht abzuhelfen im Stande ist", und,, daß die Verwirklichung der Gleichheitslehre (doctrine égalitaire) auf der Gemeinsamkeit der Arbeit (Communauté du travail) begründet ift", ferner,, auf der Gleichheit des Rechts an dem Gebrauch der gemeinschaftlichen Erzeugnisse, durch eine weise und umsichtige Organisation ausgetheilt; auf der Gemeinschaft der Erziehung und der Modification der Familie, um den Kastengeist zu vernichten, wohlverstanden ohne Vermischung der Geschlechter und ohne Aufhebung der Vaterschaft (paternité)." Das ist der Inhalt dieses,,die Rationalisten" unterzeichneten Manifests. Es ist, wie das Leben jener Partei selbst, resultatløs, aber dennoch höchst bezeichnend für die Art und Weise, wie sich die allgemeinere communistische Idee in diesem Theile des Proletariats gestaltet hat.

Hierher gehört nun auch eine Erscheinung, die mehr wie manches andre das Verhältniß des Proletariats und im Besondern der Communisten zur liberalen Bourgeoisie in sein wahres Licht stellt. Als in der Mitte des Jahres 1840 sich die Masse der Handwerker zu regen begann, und Coalitionen derselben auf allen Punkten erschienen, die indeffen immer nur einen ganz bes stimmten Zweck der Erhöhung des Arbeitslohns hatten, fing der tiefer schauende Theil der Liberalen an zu begreifen, daß dem Bürgerstand im Proletariat und in seiner Grundtendenz nicht bloß

ein Nebenbuhler, sondern ein entschiedener Feind erstehe. Man ergriff daher ein Mittel, von dem man sich scheinbar viel zu versprechen hatte. Einige thätige Männer sammelten eine Reihe der besonnensten Reformisten um sich, und veranlaßten sie, ein Handwerkerjournal im strengen Sinn des Worts zu gründen, um für die noch fluctuirenden Gedanken der Arbeiter einen festen Haltpunkt, und damit ein Mittel zu besigen, die Bewegungen zu lenken. Dieses Journal war,,L'Atelier", zuerst erschienen im Sept. 1840. Der Plan desselben beruht auf dem Grundsaß: ,, daß man, um gründlich die Lage der Arbeiter zu kennen, selbst Arbeiter sein müsse" (Prospectus). Die erste Nummer stellt daher statutenmäßig die eigenthümliche Fordrung auf:,, Das Atelier ist durch Arbeiter gegründet, die seine Kosten tragen. Um als Gründer (in demselben Sinne, wie oben beim Humanitaire) aufgenommen zu werden, muß man von seiner persön lichen Arbeit leben. Die wissenschaftlich Gebildeten (hommes de lettres) werden nur als Correspondenten zugelassen." Jene Gründer wählen nun ein Comité, und dieses den Geranten. Was das Journal im Allgemeinen will, sagt der Prospectus deutlich., Das Comité der Gründung hat anerkannt, daß der Ausgangspunkt der künftigen Verbesserung in dem moralischen Princip enthalten sei, das der Wahlspruch unsrer Väter:,,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Einheit“ zusammenfaßt, aus dem das politische Princip der Souverainetät des Volks, und das industrielle der Gesellschaftung entspringt. Unser öffentliches Organ wird daher die Wahlreform verkündigen, den einzigen Weg zur Verwirklichung der Volksherrschaft, und die industrielle Gesellschaftung, das einzige Mittel, die gerechte Vertheilung der Arbeitserzeugnisse zu erlangen. So ist es ein friedlicher Kreuzzug, den wir gegen das politische und industrielle Vorrecht eröffnen. " In diesem Sinne, und auf ähnliche Weise sind die folgenden Nummern des Ateliers abgefaßt. Cabet schreibt das ganze Blatt (in seiner Refutation des doctrines de l'Atelier) ohne weiteres Buchez und Pierre Lerour zu. Und in der That ist die ganze Auffassungsweise desselben in sehr vielen Punkten eine Saint-Simonistische. Dem sei nun wie ihm wolle, so ist auf den ersten Blick das Verhältniß dieser Richtung zur Bourgeoisie und zum Communismus bestimmt ge= nug dargelegt. Die eigentliche Lebensfrage des Proletariats, ob es persönliches Eigenthum geben solle oder nicht, wird unmerklich

« PreviousContinue »