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War ihnen endlich einmal der tiefe Spalt, der dauernd und wachsend sich zwischen Proletariat und Bourgeoisie hinzog, klar geworden, als Darmès erklärte, daß er alle anderen Journale als verkauft und servil ansehe, und daß höchstens der National Gnade vor seinen Augen fände? Es war nicht länger zu verhehlen; im Peuple selbst hatte ein eigenthümliches Leben begonnen, das aufs Neue Verbindungen erzeugte, aufs Neue auf Revolutionen fann, und selbst nach dem Leben der Könige die Hand zu strecken wagte. Darmès gehörte der Gesellschaft der Travailleurs égalitaires an; sie war da, sie war fanatisch, vielleicht war sie zahlreich und mächtig. Was hatte man von ihr, oder vielmehr was hatte man vom Peuple zu erwarten?

Konnte eine jenem Attentat folgende Reihe kleinerer Aufstände hierüber noch nicht den naheliegenden Aufschluß geben, so zog endlich der Versuch gegen das Leben eines königlichen Prinzen durch Queniffet und die Geständnisse dieses eben so thörichten als verächtlichen Menschen den Schleier so weit hinweg, daß wir mit einiger Bestimmtheit anzugeben im Stande sind, in welchen Ideen und Richtungen sich die ganze Masse des Proletariats seit 1839 bewegt hat. Wir wollen jezt versuchen, dieselben nach ihren einzelnen Seiten hin darzustellen; der Leser darf dabei nicht vergessen, daß wir aus einer Masse von einzelnen und höchst lückenhaften Angaben ein Ganzes zu machen haben, und daß sich der innere Kern nur durch Combination erreichen läßt; indeß glauben wir behaupten zu dürfen, daß nichts Wesentliches im Folgenden unerflärt bleiben wird.

In dem Proceß Quenissset's kommt eine Stelle vor, wo derselbe sagt:,,Es giebt drei Fractionen, die Egalitaires, die Reformistes, und die Communistes". Der Rapport des Grafen Bastard hat das Verhältniß dieser drei Fractionen kaum berührt, viel weniger wirklich aufgeklärt; und Quenisset selbst wußte nichts von ihrer wahren Bedeutung. Es ist aber Folgendes das Richtige über die Gestalt jener drei sogenannten Fractionen.

Das erste Moment, was entschieden und bestimmend in die ganze auf materielle Freiheit und Gleichheit sinnende Masse des Proletariats hineingriff, war der Rest des Babouvismus, der aus der früheren Periode unter den Arbeitern zurückgeblieben war. Er wirkte im Geheimen fort, und gewann sich bald eine Zahl von Anhängern. Aber seinem Wesen nach absolut negativ, konnte er nur den Theil des niedern Volkes um sich sammeln, der ohne Be=

dacht und Besonnenheit mit wilder Wuth sich gegen jedes Bestehende, jedes Recht und jeden Glauben zu empören bereit war. So wie er daher anfing sich zu zeigen, trat allmählig die ruhigere und ernstere Seite der Arbeiter von ihm zurück, in der inneren Unmöglichkeit, .mit so blutdürftigen und phantastischen Ideen übereinzustimmen. Indessen gab auch die lettere es damit nicht auf, über die Unterdrückung ihres Standes und die Berechtigung des Eigenthums nachzusinnen, und so entstanden zwei Hauptparteien unter den Proletariern, die, obwohl in dem Allgemeinen sich einander nähernd, dennoch im Besondern sich fast feindlich gegenüberstanden. Als das Darmès'sche Attentat nun die entschiedenste Mißbilligung aller liberalen Journale der neuen Babouvisten oder der Travailleurs égalitaires hervorrief, war der Anstoß gegeben, sich bestimmter zu trennen. Die ruhigere Partei, auf sich und ihre eignen Anschauungen angewiesen, sah sich nach irgend einem System um, das zugleich ihrem Bedürfniß nach einer Erhebung ihrer materiellen und intellectuellen Lage, und der Forderung einer ruhigen und nur durch Gründe und Ueberzeugung fortschreitenden Entwicklung genüge, was beides der Babouvismus nicht zu geben vermochte. In dieser Zeit trat Cabet auf mit seinem Ruf als Demagoge und seiner communistischen Theorie; um ihn sammelte sich eine große Schaar der lezteren Partei, und diese bildeten die Masse der eigentlichen Communisten. Zwischen den Communisten und den Travailleurs égalitaires blieb aber noch eine große Zahl der Arbeiter stehen, die mit keinen von beiden übereinstimmte, und dennoch eine Reform ihrer Lage wollte; diese Partei erhielt den Namen der Reformisten.

Dieses sind die Grundzüge der gegenwärtigen Gestalt des Proletariats, in der nun allerdings manche einzelne Erscheinung bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hinübergreift. Wir bezeichnen die ganze Tendenz im Allgemeinen als Commu nismus; jene einzelnen Parteien sind nur bestimmte Richtungen innerhalb jener Tendenz, die, obwohl aus derselben Idee entsprungen, dennoch sich gegenseitig verläugnen und hassen. Gemeinschaftlich aber ist allen ihre Opposition gegen das Bestehende, nur der Weg, auf dem sie verwirklicht werden soll, ist ein verschiedener. Gemeinschaftlich ferner ist ein fast absoluter Mangel an allem bestimmten Plan, den sie, wie die Folge zeigen wird, umsonst hinter einigen von allen Parteien gebrauchten allgemeinen Phrasen zu verstecken suchen; verschieden aber ist in ihrer Idee

wiederum das Band, wodurch jene Gestalt ihre Einheit und Kraft bekommen soll. Gemeinschaftlich endlich ist ihnen die ents schiedene Ueberzeugung, daß das persönliche Eigenthum an sich ein Irrthum sei, und jeder auf demselben gebaute Zustand nur zu einer unglücklichen Lage des einen Theils des Volkes führen könne, nur daß die einen ihn materiell, die anderen auf dem Wege der Ueberzeugung haben möchten. Was nun im Einzelnen diese Verhältnisse bestimmt hat, wollen wir nach den Hauptab. theilungen geschieden darstellen.

I. Die Travailleurs égalitaires.

Das Gesindel in den großen Städten, und besonders in Paris zeichnet sich dadurch von dem Pöbel auf dem Lande aus, daß es auf alle Weise sich selber eine Wichtigkeit geben will, von der es fühlt, daß sie ihm der Natur der Sache nach versagt ist. Je mehr es eben dieses lettere einsteht, desto entschiedener und plumper wird sein Auftreten, wo es erscheinen mag.

Als nach dem Aufstand vom 12. Mai 1839 der allgemeine Zorn über diese Empörung, wie später über das Attentat Dar mès' herfiel, da zogen sie sich auf sich selber zurück, und verfolgten nur noch verbiffener die allgemeine Idee, die sie auf so wahnsinnige Wege geleitet, wie z. B. der Moniteur republicain uns gezeigt hat. Die Reste der Barbès'schen Verbindung, zer streut in Paris und Lyon, begannen aufs neue die Lehre Babeuf's zu predigen; jezt aber, da seit jenem Ereigniß jede auch nur entfernt intelligente Persönlichkeit sich von ihnen zurückgezogen hatte, breiteten sie jenes System über alles Denkbare und Er scheinende aus, sezten das absolute Princip der schrankenlosen Freiheit und begannen damit einen Kampf gegen jedes äußere und innere Bestimmtsein ihres Lebens. Bald sammelten sich um diese,,Altgesellen der Verbindung" wieder einige Jünger der Lehre; die Trümmer der Société des Saisons gewannen die auf einen Augenblick verlorne Einheit wieder, und es traten, rascher als man hätte vermuthen sollen, aufs neue die zersprengten Elemente in der,, Société des Travailleurs égalitaires“ zusammen. Diese Verbindung stand im Beginn dieser Epoche ganz allein da; wie weit sie gegangen, welche Einrichtung sie gehabt, welche Führer, ist unentdeckt geblieben. Der Proceß Queniffet's läßt nun keinen Zweifel, daß sie noch gegenwärtig besteht, und daß

in ihnen die Hefe des Pöbels sich um die tollsten Ausschweis fungen des communistischen Unsinns schaart.

Diese Société schreibt ihre Entstehung somit direct aus der Société des Saisons her, und bildet auf diese Weise das lezte Glied in der Reihenfolge, die sich seit der Société des Amis du Peuple, fucceffiv immer tiefer herabsinkend, gefolgt find. Die Propagande derselben beruht auf zwei Hauptmitteln. Zuerst suchen die Theilnehmer unter den niedrigsten Claffen sich die Leute aus, die weder Verstand genug haben den Unsinn zu erkennen, auf den sie schwören müssen, noch auch eine Stellung, die sie durch die Theilnahme verlieren könnten. Man zieht sie an sich in den Kneipen und Schenken, wo der arme Arbeiter einen Augenblick lang seine Lage zu vergessen sucht; man malt ihnen ein schönes Bild hin von dem Glück, nach dem sie nur greifen dürfen, um es zu befizen; man spiegelt ihnen die Macht der Verbindung vor, in die sie treten, und dann läßt man sie beschwören, was sie nicht verstanden haben. Quenisset, den man in die unterste Stufe der Verbindung aufnahm, ward folgendermaßen von dem aufnehmenden Auguste mit den andern Neophyten apostrophirt: ,, Bürger, ihr müßt eingesehen haben, daß wir sehr schlecht regiert sind; daß nur Tyrannen die Zügel des Staats halten; daß nur die Polizei und die Advocaten Geld verdienen; ein König, dem wir jährlich 24 Millionen geben; eine große Menge von Menschen, die wie er mit Nichtsthun Geld verdienen; denn ihr seht, daß die Bauern, die weniger aufgeklärt sind als wir, schon Vernunft genug haben, sich zu Revolutionären zu machen, und wir, die wir mehr oder weniger civilisirte Arbeiter sind, wir müssen anerkennen, daß diese Tyrannen uns unterdrücken; und zu diesem Zweck sind wir hier. — Wir sind Ouvriers égalitaires, welches Wort ich euch in kurzem erklären will. Es heißt, daß wir, nachdem wir den Thron umgestoßen haben, nationale Werkstätten gründen werden, wechselseitige Schulen und andre ähnliche Einrichtungen. Von diesen nationalen Werkstätten wird es Eine in jedem Departement geben; der Arbeiter braucht sich nicht um Arbeit zu beunruhigen; er wird bezahlt werden nach einer geseßlichen Tare, die viel höher sein wird als die, für welche wir jezt arbeiten, und er wird nur acht Stunden am Tage arbeiten. Meine Mitbürger, was denkt ihr davon?" und ferner:,, Bürger, was die wechselseitigen Schulen betrifft, so versteht wohl die Art, wie sie

eingerichtet sein werden. Es wird ein Lehrer dasein, der vom Gouvernement bezahlt wird, und der von den Hausvätern nichts zu fordern hat, und der eben so viel Sorge tragen wird für die Kinder des Proletariers wie heute für die eines Prinzen. Stoßt also den Thron um, und ihr werdet sehen, daß alles fertig ist; es ist nicht schwerer, es an die Stelle fezen, als wenn man sagt:,,Der König ist todt; es lebe der König! Wer von euch würde es ausschlagen, in eine solche Verbindung zu treten?",,Darauf, als man einen Trunk genommen, sagten alle: Ja", fügt Queniffet hinzu. Und jezt wird der Adept grade so aufgenommen, wie in der Société des Saisons; nur giebt es weiter keine Fragen über die etwaigen Ansichten, die Aufrichtigkeit u. s. w., sondern es ist eben nur ein Zusammens thun, zu dem man, nachdem man einen Trunk gethan, ja sagt. Zwei Unterschiede dieser Verbindung von den früheren stellen sich bezeichnend heraus: zuerst das bestimmte Versprechen einer zu ordnenden Industrie; dann aber die Unbedeutendheit ihrer Mitglieder, die sich mit einer solchen Rede zufrieden stellen. In der That, bliebe dieselbe hierbei stehen, so wäre sie als eine Thorheit anzusehen, wie sie ja zuweilen in schwachen Köpfen auftaucht; allein es ist wohl kein Zweifel, daß es höhere Grade giebt, und daß diese die einfältigen Novizen zu den unberechenbarsten Verbrechen förmlich benußen, um sie alsdann rücksichts: los auf die Seite zu werfen. Liest man übrigens die Reden durch, wie sie von den Führern der Verbindung gehalten werden, so möchte man versucht sein, noch eine Spur vernünftigen Sinnes in dem inneren Leben dieser leßten Verbindung anzuerkennen. Diese Hoffnung aber wird getäuscht, wenn man einen Blick auf die Art und Weise wirft, in der der zweite Weg der Propagande eingeschlagen wird. Jene Masse von Arbeitern, so wie sie in die Verbindung selbst aufgenommen ist, trägt sein Princip der Gleichheit in dieselbe mit hinüber, und will an allem, was die Verbindung selber denkt und thut, selbstständigen Theil nehmen. Jenes demokratische Element, das schon seit 1835 sich allmählig in den geheimen Gesellschaften geltend machte, erhält hier daher seine vollständige Cutwicklung. Damit dieses geschehen könne, hat man einen finnreichen Ausweg gefunden. Man richtet nämlich ein Journal auf Aktien ein, jeder Theilhaber schießt eine kleine Summe (etwa 2 Fr.) hinzu, und wird dadurch Gründer (fondateur) des Journals. Als solcher hat er das Recht,

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