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Weiteres niedergeschossen, Barricaden auf allen Punkten errichtet, Proclamationen erlassen, und schon dachte man daran, auf die Tuilerien selbst zu marschiren. Ganz Paris war in Allarm, die Nationalgarde im ersten Augenblick zerstreut, und fast schien das Schicksal der Empörung zu ihren Gunsten entschieden. Da rückten die gewählten Truppen der Municipalgarde an und eröffneten einen regelmäßigen Kampf mit den Aufrührern; bald wurden sie trog eines heldenmüthigen Widerstandes allenthalben zurückgedrängt, und in wenig Stunden war die Empörung vollständig unterdrückt. Was nicht gefallen war, floh; die Anführer entkamen, wurden aber bald nachher ergriffen, und vor Gericht gestellt; die ganze Verbindung war vernichtet, ihre Organisation, ihre Pläne und ihr Umfang bekannt, und der Babouvismus hatte sein Ende erreicht.

Und jezt erst zeigte sich, was man bis dahin nicht hatte glauben wollen. Die ganze Zahl derer, die gegen die bestehende Ordnung, gegen die vierzigtausend Mann, die in Paris garnisoniren, gegen die Nationalgarde, ja gegen die öffentliche Meinung die Waffen ergriffen hatten, bestand aus nicht mehr als etwa drei bis vierhundert fanatischen Empörern. Wie war es möglich, daß dieser kleine Haufe auch nur die entfernteste Hoffnung haben konnte, den ganzen Staat umzustürzen?

Es ist durchaus kein Grund da, anzunehmen, daß die Babouvisten mit den Republikanern in wirklicher Verbindung ge= standen haben. Aber eben so entschieden ist es, daß die ersteren auf den bestimmten Beitritt der lezteren hofften. Der Moniteur republicain erwiederte in seiner 8. Nummer auf einen Angriff des republikanischen Journals Le Peuple", das ihm seinen blutigen Cynismus vorwarf:,,Was wollt ihr mit euren Vorwürfen? Meint ihr denn wir wissen nicht, daß ihr Beifall klatschen werdet, wenn es uns gelingt, das auszuführen, was ihr selber hofft?" Und in diesen wenigen Worten liegt das wahre Verhältniß jener beiden oppositionellen Elemente, wie es auch die Stellung des damaligen Journalismus andeutet. Es war aller= dings die Aufgabe der Babouvisten, eine Republik zu gründen, und entschieden die Hoffnung der Republikaner, in dieser auf die gegenwärtigen Grundlagen der Gesellschaft erbauten Staatsform ihre Ideen verwirklicht zu sehen, und das bewirkte, daß sie sich gegenseitig über ihre wahre Stellung täuschten. Aber der Punkt der eigentlichen Trennung beider Parteien war dennoch schon da,

und machte eine innige Vereinigung unmöglich; nur war er noch nicht ausgesprochen. Es bedurfte einer eclatanten Thatsache, um beiden zum Bewußtsein zu bringen, daß der Republikanismus die Republik als lezten- Selbst zweck, der Communismus dagegen fie nur als Mittel für seine Egalitäts-Ideen wolle. Diese Thatsache ward durch den Aufstand vom 12. Mai gegeben, und hier ist die eigentliche Bedeutung dieser rasch unterdrückten Empörung. Die Untersuchung des Complotts ergab, daß daffelbe ,, eine sociale und radicale Revolution fordere, und daß das Volk, die näglichen Arbeiter, die Alles hervorbringen, auch ein Recht auf Alles haben solle" (Mon. Univ. Rapport Merilhou's, 3. Aftenstück, Proclamat. des revolut. Comité's). Das stimmte nun wenig selbst mit dem radicalsten Grundsage der oppositionellen Bourgeoisie, die auf keine Weise gesonnen war, ihr Eigenthum aufzugeben. Von jenem Augenblick an trat daher die leztere dem Proletariat geradezu gegenüber, und die Trennung beider Theile war für immer entschieden.

Das ist das Resultat, mit dem die Epoche des Babouvismus scheidet, und das seine Manifestation am 12. Mai in der Gestaltung der oppositionellen Elemente des französischen Staats zurückließ. Es ist von der bestimmtesten Wichtigkeit für das Verständniß der gegenwärtigen Zustände Frankreichs; denn es greift tief in den Mittelpunkt der Bewegung dieses Volkes, und bedingt und werthet alle einzelnen Erscheinungen, die auf der Oberfläche des täglichen Lebens uns ́entgegentreten. Ja, es ist mit Recht unter den Grundlagen, die die nächste Zukunft Frankreichs entscheiden werden, eine der bedeutendsten zu nennen; denn jene Revolution von 1839 ist nicht die lezte, und die folgende Epoche noch fern von ihrer eigentlichen Entwicklung, die selbst wieder nur als ein Resultat jenes Verhältnisses zwischen Republikanismus und Communismus sich darstellt. Was diese enthält und will, werden wir nun, so weit es möglich ist, im Folgenden bezeichnen.

Dritte Gestalt. Seit 1839. Das Proletariat und der eigentliche

Communismus.

Sieht man nun, nach solchen Entwicklungen, die immer entschiedener werdende Trennung des liberalen Theiles der Bourgeoisie vom Proletariat, so möchte man behaupten, als hätte das leztere damit seine Bedeutung für die Gesellschaft überhaupt

und für die politischen Bewegungen im Besonderen verloren. Denn von allen Seiten wird es von denen verlassen, die es bisher noch gestüßt und vertheidigt haben, und gegen die Macht der Regierung verliert es allmählig seine mächtigste, ja seine einzige Stüße, die öffentliche Meinung. So scheint es denn, als könnte man jeßt das weite Gebiet des socialen Lebens verlaffen, und den proletarischen Communismus nun für sich allein verfolgen, als eine Form des französischen Lebens, die in den übrigen Theilen desselben weder einen Anhaltspunkt, noch einen Einfluß zu finden vermag.

Dem ist jedoch nicht so. Die Gesellschaft bildet ein Ganzes, und es giebt keine Erscheinung, die nicht irgend einen Refler in den ihr nahe liegenden Kreisen zu hinterlassen vermöchte. Und selbst der Communismus, so scheinbar fern er auch allen übrigen Bewegungen stehen mochte, rief dennoch eben durch sein entschiedenes Auftreten eine neue Entwicklung hervor, die noch ihrer legten Gestalt fern ist.

Die radicalen Demokraten und die liberale Bourgeoisie hatten bis dahin in allem Wesentlichen Einen Körper gebildet, wie Eine Masse gehandelt, und über dem, worin sie übereinstimmten, die einzelnen Punkte und Stimmen übersehen, die schon damals diese innige Gegenseitigkeit zu lockern begannen. Jezt aber erschien zum ersten Mal die absolute Consequenz der radicalen Demokratie, und dazu in einem scharf und bestimmt gezeichneten Bilde. Es bedurfte keiner großen Klugheit, um zu berechnen, daß die Masse des Volks, zur Herrschaft gelangt, nicht bloß bei der gleichen Theilnahme am Staatswillen stehen bleiben, sondern von ihr aus zu der Forderung einer Theilnahme an der höchsten Erziehung und am persönlichen Eigenthum fortschreiten würde. Nicht etwa, daß dies schon in fünf, oder in zehn Jahren geschehen müßte; aber daß es unvermeidlich sei, das lag jezt zu unläùgbar vor, als daß man es übersehen konnte. Diese Consequenz griff entscheidend in die Grundfrage der gegenwärtigen inneren Politik Frankreichs, das allgemeine Wahlrecht ein, das bisher von den Radicalen entschieden gefordert, von den Liberalen nicht bestimmt abgewiesen war. Jezt aber ward es klar, wohin dasselbe, wenigstens seinem Princip nach, führen mußte; und das begann beide Elemente der oppositionellen Bourgeoisie überhaupt zu trennen. Denn die erstern fürchteten sie im Wesentlichen nicht; die leßtern aber fonnten sie nimmer anerkennen, ohne aus dem

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Gebiet der Bourgeoisie herauszugehen. Sie mußten sich daher, um sich das, was sie besaßen, zu erhalten, an die erhaltende Kraft als solche anschließen; die gemäßigt Liberalen traten daher langsam und fast unmerklich, aber doch mit entschiedener Richtung in allem Wichtigeren auf die Seite der gouvernementalen Macht. Und so entstand allmählig eine Gestaltung, deren Dasein allgemein anerkannt, die aber von den Einen nicht anerkannt, von den Andern fortwährend verspottet wird, ohne daß man es wagt oder versteht, ihre eigentliche Stellung unmittelbar darzulegen. Wir haben das Wesen des heutigen Materialismus oben bezeichnet, und den allgemeinen Begriff der Bourgeoisie dargelegt. Der Materialismus in dem lezteren ist nothwendig egoistisch, weil er das persönliche Eigenthum als Basis anerkennt. Der Geist dieses persönlichegoistischen Eigenthums widerstreitet dem Geiste der entschiedenen Demokratie; bei der Classe der großen, und bei der der denkenden Besizer wird er daher zum conservativen und zugleich liberalen Bewußtsein, und mithin zur bestimmten Opposition gegen den radicalen Republikanismus; bei der Classe der kleinen und geistig nicht kräftigen Besigenden erscheint er dagegen als Aengstlichkeit, als Ahnung eines Princips in der Demokratie, das mit ihrem persönlichen Wohlbehagen in vernichtendem Widerspruch steht; und diese bewußtlose Aengstlichkeit ist grade gegenwärtig eben durch und seit dem gewaltsamen Auftreten der äußersten Consequenz des Egalitätsprincips in dem Babouvismus der Revolte vom 12. Mai der entschiedene Charakter der ganzen zweiten Claffe in der Bourgeoisie geworden; so entschieden, daß er sogar schon einen ihm gehörigen Namen verdient und erhalten hat. Jedermann weiß, was im Französischen die,, Epicerie“, im Deutschen der,, Krämergeist schon bedeutet oder doch zu bedeuten im Begriff steht; wie er sich jedem nicht bloß muthigen, sondern sogar gründlichen Erfaffen der tief eingreifenden Fragen mit seiner ängstlichen Kleinmüthigkeit träge, festklebend entgegenstellt, und lieber sich äußerlich von dem gewaltsamen Ereigniß, das auf ihn hereinbricht, als innerlich von dem Grunde desselben bestimmen läßt. Man hat Unrecht, ein solches Wort unter die bloßen Tagesworte zu verweisen, die in ihrer Unbedeutsamkeit auftauchen und verschwinden; es enthält wirklich ein bestimmtes und durch den Gang der Ge= schichte eigenthümlich hingestelltes und ausgeprägtes Element der Gesellschaft und der Civilisation, und fein tieferer Inhalt wird uns und ihm selber grade durch seinen Gegensaß zum Bewußtsein

gebracht, durch das Lebensprincip des Proletariats, die Gleichheit im materiellen Leben. Wir überlassen ein weiteres Verfolgen dieser Auffassung dem denkenden Leser selbst.

Dadurch nun, daß die höhere Bourgeoisie und die Epicerie den Babouvismus absolut negirten, wurde die ganze liberale Presse gezwungen, entweder sich jenen zuzuwenden, und bei der einfachen Ministerial-Opposition und der Reform-Idee stehen zu bleiben, oder sich im Inneren von ihnen loszusagen, und die Demokratie bis in das Gebiet des Proletariats hinüber zu vertheidigen. Das rief denn die Stellung der Hauptorgane jener Partheien hervor, wie wir sie oben schon angedeutet haben. Seit 1839 stellen sich die bloß liberalen Blätter, der Constitutionel, der Courier, der Temps, der Siècle bestimmt der reinen Demokratie entgegen; selbst das radicalste unter jenen Blättern, der National, mußte sich gegen das Proletariat und seine absolute Theilnahme an der Staatsverwaltung wenden. Jener tiefere Widerspruch trat allerdings nur in der entschiedenen Mißbilligung der Revolten und Attentate überhaupt hervor; aber wie diese nur Resultate der eigentlichsten Grundidee des Proletariats waren, so war auch jene Mißbilligung nur ein Resultat der tiefer liegenden Opposition der Bourgeoisie im weiteren Sinn gegen den Peuple. Ihnen entgegen stehen die rein demokratischen Blätter, an ihrer Spize das Journal du Peuple, das sich mit Bestimmtheit die Verfechtung der Volksherrschaft nach dem Muster der Assemblée Nationale zur Aufgabe stellte, aber es nicht wagt, die Consequenz seines Princips von dem Staat auf die Ge: sellschaft anzuerkennen, und deshalb jenen zu viel, dem Peuple nicht mehr genug thut. Gäbe es eine Brücke von der Bourgeoisie zum Peuple, so wäre sie hier gefunden; aber diese Brücke giebt cs gegenwärtig in Frankreich noch nicht, und so sind diese leztern Blätter wenn auch nicht bedeutungs- so doch wirkungslos.

Denn, indem die liberale Partei jeden Plan auf eine von ihr selber begonnene Revolution, schon seit 1834, aufgegeben hatte, und jezt erkannte, daß eine solche vom Proletariat ausgehende eben so sehr gegen sie selber als gegen das bestehende Staatsrecht gehen würde, zog sich nun auch die liberale Presse gänzlich von dem leßteren zurück, und damit vollendet sich, was in der vorigen Epoche begonnen ward; von jest an steht das Proletariat als eine sich selbst allein überlassene Classe der Gesellschaft da. Das ist der Charakter des Beginns der

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