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des Droits de l'Homme von Teste (Art. 11.) ausdrücklich das Eigenthum als ein Recht anerkannt, wenngleich auf eine, man möchte fast sagen zweideutige Weise:,, Eigenthum ist das Recht, welches jeder Bürger auf den Genuß desjenigen Gütertheiles hat, der ihm vom Geseze zugesichert ist. *) Mit diesem Gedanken begnügte sich im Allgemeinen die republikanische Partei; aber sie weist nicht, wie gegenwärtig, jeden Zweifel am Eigenthum überhaupt zurück. Dies ist der Punkt, wo sich diese Epoche und die folgende berühren, und der zu der unrichtigen Identificirung des damaligen Republikanismus mit dem Communismus manchem Veranlassung gewesen sein mag. Aber eben so falsch ist es, beide als absolut einander fremd hinstellen zu wollen. Eben das ist in dieser bestimmten Beziehung der Charakter jener Zeit, noch mitten in der ersten Entwicklung ihres Inhalts begriffen zu sein. Jedes scharf begränzte Bild würde entweder dem Republikanismus oder dem Communismus zu viel zusprechen; will man den inneren Zustand erfassen, so objectivisire man sich den eignen Gedanken in dem Augenblicke, wo mit dem Princip der Gleichheit die demokratische Form als absolut gesezt ist, und er nun sich gleichsam umschaut, ob er noch andre Aufgaben zu lösen hat. Schwer zu sagen wäre es allerdings, ob der reine Republikanismus selbst je zum Communismus übergehen konnte, wenn ihn nicht die Macht der Regierung unterdrückt hätte; wie sich aber der leztere nun wirklich entwickelt hat, zeigt die folgende Epoche.

Zweite Gestalt. Von 1835 bis 1839. Epoche des Babouvismus.

Die unaufhörlichen Störungen der öffentlichen Ruhe, die seit vier Jahren sich gefolgt, zeigten endlich im industriellen Leben Frankreichs ihre verderblichen Folgen; und die ewigen Kämpfe, die die Nationalgarde ihren eignen Mitbürgern in den Hauptstädten des Landes lieferte, machten zulezt die Urheber der Unsicherheit selber verhaßt. Die ganze Claffe der Besitzenden begann sich von dem materiellen Nachtheil des republikanischen Elements und seiner Kämpfe mit dem bestehenden Staat zu über

*) Nicht zu verkennen ist der wesentliche Unterschied dieser Abfaffung der Menschenrechte von der in der Const. von 1793. Hier wird das Eigenthum noch als eins der absoluten Rechte hingestellt, während es in den obigen, in dem die absoluten Rechte aufzählenden Ärt. 2, gar nicht vorkommt und nur als Accefforium später hinzugefügt wird.

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zeugen, und allmählig anzuerkennen, daß eine größere Freiheit der Bourgeoisie und zugleich eine größere Sicherheit ihrer Interessen, als die durch die gegenwärtige Charte ihnen zugestandene, nicht vereinbar sei. Die Bourgeoisie wandte sich daher in der Kammer der Regierung, in der öffentlichen Meinung dem antirevolutionären Princip zu; man begann die geheimen Verbindungen, diese Urheber alles Uebels, zu mißbiüigen; schon im März 1834 erlangte das Gouvernement das strenge Gefeß über die geheimen Verbindungen von der Kammer (publicirt am 10. April); am 14. desselben Monats trat die Nationalgarde entschieden gegen die Empörer auf, und so erlitt die revolutionäre Partei zwei tödtliche Niederlagen zugleich; in dem gefeßgebenden Körper und in den Straßen der beiden großen Hauptstädte.

Die Folgen dieser Siege des conservativen Elements waren entscheidend. Die Regierung verfolgte die Empörer aufs strengste, und der ganze besonnene Theil des Volkes billigte laut und unverholen diese Bekämpfung der revolutionären Bestrebungen. Die Société des Droits de l'Homme durfte es nicht mehr wagen, ihre halb öffentliche Stellung beizubehalten; sie verschwand, zu sehr compromittirt, auf allen Punkten, und löste für den Augenblick sich auf. Wichtiger aber war jene Richtung der öffentlichen Meinung gegen die geheimen Gesellschaften und die Empörungen selbst. Bis jezt hatte man es wagen dürfen, sich eine Ehre aus der Theilnahme an denselben zu machen, und so lange der Sieg unentschieden war, mochten Andersgesinnte nicht gradezu verurtheilen, was vielleicht in kürzester Zeit zur Herrschaft kommen. fonnte.

Nun aber begann der laute Tadel, der die Revolutionen traf, jene Theilnahme zu einem Vorwurf gegen die Besonnenheit der Mitglieder zu machen, und die oppositionelle Partei durfte nicht mehr gestehen, daß sie noch jezt wie früher in jenen Gesellschaften ihre Hauptstärke suchte. Das Bestehen derselben war daher in seiner Grundlage angegriffen; sie mußten von allen denen aufgegeben werden, die noch eine öffentliche Bedeutung sich erhalten wollten. Damit ward das Associationssystem des Republikanismus selbst vernichtet; es war nicht bloß eine Ausbreitung und neue Organisirung desselben unmöglich gemacht, sondern felbft die früheren Mitglieder schieden aus, und das Verbindungswefen ging allmählig einer gründlichen Auflösung entgegen.

Allein jezt erst, nachdem die alte Société des Droits de

l'Homme eingegangen, zeigte es sich, wie groß das Uebel war, das sie erzeugt hatte. In der alten Gestalt jener Verbindungen war das Proletariat dem Republikanismus entschieden untergeordnet gewesen. Ihre ganze innere Einrichtung beruhte durchaus auf dem Princip des absoluten Gehorsams aller Mitglieder gegen die höher ste= henden Lenker des Ganzen; sie waren es, die den Ansichten und Forderungen wie den Bestrebungen und Thaten der ganzen Verbindung Leben und Richtung gaben. Hatten sie nun gleich das Proletariat gegen das Bestehende gereizt und es die Nichtachtung des Rechts gelehrt, so verstanden sie es doch zu gleicher Zeit, die Zügel strenge festzuhalten, und jeder einseitigen Entwicklung der verschiedenen Elemente ihrer ganzen Verbindung vorzubeugen. Jezt aber war jene Verbindung selbst aufgelöst, oder doch so geheim, daß die Bourgeoisie an ihre Eristenz nicht mehr glaubte, die Proletarier aber von ihr sich selber überlassen werden mußten, und damit war denn allen jenen widersprechenden Elementen, die noch wüst und unversöhnt in der nun führerlosen Masse des Proletariats gährten, die freie Bahn geöffnet. Der Glaube an die Heiligkeit des bestehenden Rechts war vernichtet, und der Kampf gegen dasselbe zu einem Lebenselement des Proletariats gemacht; aber es wußte nicht, was es an dessen Stelle sehen sollte; man hatte es durch unaufhörlichen Zuruf zu unbegränzten Ansprüchen gereizt, aber wenig daran gedacht, wie man sie erfüllen könnte; man hatte durch Vereinigung der Menge dieselbe zum Bewußtsein ihrer Kraft gebracht, und jest traten die Lenker zurück, deren sie doch bedurfte. Der Widerspruch war da, seine Lösung war ihm nicht gegeben. So wandte er sich denn, ohne einen positiven Inhalt erreichen zu können, vernichtend gegen. alle Verhältnisse, die ihm Schranken sezten; hatten sich früher die Constitutionellen und die Republikaner bekämpft, so traten sich jezt die beiden allgemeineren Theile der Gesellschaft selbst gegenüber, die Besizer und die Nichtbesizer, die Gebildeten und die Ungebildeten, die Bourgeoisie und der Peuple; aus den rein politischen Parteiungen ward eine sociale Spaltung, und an die Stelle der Periode der offenen Revolten trat die der heimtüdischen Attentate.

Das ist im Allgemeinen der Charakter der lezten Hälfte des verflossenen Jahrzehends; Frankreich hat auch hier seine Bestim mung erfüllt, und dem übrigen Europa thatsächlich gezeigt, wohin ein gereiztes, unglückliches und zugleich ungebildetes Pro

letariat, wenn es sich selber überlassen ist, gelangen muß. Es ist sehr schwer, und auf vielen Punkten gradezu unmöglich, das Einzelne in diesem merkwürdigen Theile der Geschichte desselben zu erfahren, da es sich zum Theil hinter dem tiefsten Geheimniß, zum Theil in dem Unbewußtsein der Proletarier selbst verbirgt. Allein mit Bestimmtheit scheiden sich diese Jahre von den früheren ab, und treten uns mit einer selbstständigen Entwicklung entgegen, die nicht für Frankreich allein eine dauernde und ernste Bedeutung hat. Sie verdient es, daß man sie, nicht um ihrer selbst, aber um der Belehrung willen, so weit es möglich ist, ins Einzelne verfolgt.

Als der Republikanismus seine öffentliche Organisation aufgab, und die Société des Droits de l'Homme verschwand, war noch die Verbindung zwischen den gebildeten Republikanern und dem Proletariat nicht gänzlich aufgehoben. Die ersteren hatten lange erkannt, daß es eine Hauptaufgabe für jede Staatsform sein müsse, auch für das niedere Volk zu sorgen, und daß es nicht genug sei, bloß eine Demokratie denen zu übergeben, die in unmittelbarer materieller Abhängigkeit sich derselben doch nicht erfreuen würden. Sie wandten sich daher wie früher, so auch jezt noch theils aus innerer Ueberzeugung, theils um nicht bloß als Oppositions-, sondern zugleich als Volkspartei dazustehen, dem Proletariat zu. Die liberale Bourgeoisie fuhr fort, die niedersten Classen der Bevölkerung zu schüßen, zu vertreten, und selbst wo es geschehen konnte, sie aufzureizen; das Volk aber, gewohnt, in dem höher gebildeten und bis jezt ihm immer voraufschreitenden Republikaner seinen eigentlichen Wortführer und Leiter zu sehen, schloß sich nach wie vor an die Hauptvertreter jener Richtung an; ja es läßt sich vielleicht nicht ohne Grund behaupten, daß noch immer eine unmittelbare Verbindung zwischen beiden stattfand. Indessen war bald die allgemeine Bewegung zu stark und jenes Verhältniß zu unbestimmt, als daß es lange hätte dauern können. Das Haupt war gefallen, und die despotische Einheit der alten Gesellschaft aufgelöst. Die demokratische Bourgeoisie ward nun zwar Erbe ihrer Ansichten und zum Theil ihrer Stellung, aber nicht ihrer Macht. Sie konnte daher die selbstständige Entwicklung des Proletariats nicht mehr verhindern, weil sie für dasselbe nicht, wie jene, einen außerhalb seiner Sphäre liegenden bestimmten Zweck ihm vorzeichnen konnte. Die dem Proletariat eigenthümliche Richtung ist aber weniger

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politisch als social, während die republikanische Bourgeoisie wie die alte Verbindung selbst, die ihre Organisation gewesen war, nur rein politische Zwecke sich zur Aufgabe stellen konnte. Damit begann denn schon gleich nach der lezten großen Revolution jene Entfremdung beider Oppositionselemente sich in einzelnen, aber sprechenden Symptomen zu zeigen. Für die Geschichte des Staats ist hier das Verhältniß der Journale, wie wir es oben dargestellt haben, eine eben so wichtige als unerschöpfliche Quelle. Während der Herrschaft des Republikanismus war die ganze Journalistik der nicht dynastischen Opposition eine Einheit, und von dem Peuple als solchem wenig die Rede. Nach der Niederlage desselben erst spalteten sich die Organe der soge. nannten Liberalen ein vollkommen inhaltsloser Ausdruck - in die verschiedenen Richtungen des National, des Journal du Peuple, des Bon Sens und andre; in dieser Beziehung können wir uns auf das schon früher Entwickelte beziehen. Alle aber stellten von da an das Proletariat als ein eignes Moment hin, mehr oder weniger bewußt dem innern Gang der sich entwickelnden Verhältnisse gehorchend, ohne jedoch diesem Proletariat selber eine bestimmte Bahn, auf der es fortschreiten müsse, darzulegen; eine Auffassung, die bis dahin der Journalistik wie dem Leben selbst wesentlich fremd gewesen war. Das aber seßte voraus und zeigte zugleich, wie der höher stehende Theil in der Bewegungspartei jezt begann, seine ihm eigenthümliche Gestalt anzunehmen, die unter der Herrschaft der Verbindungen ihm nicht hatte werden können. Der Peuple aber, jene Trennung aus der verwirrten Gestalt der Dinge mit richtigem Sinne herausfühlend, sah sich alsbald nicht bloß sich selber überlassen, sondern begann zu begreifen, daß es eine ihm als solchem eigne Aufgabe habe, deren Consequenzen eine endliche und entschiedene Opposition der bis dahin eng verbun denen Elemente herbeiführen müßten. Dieses Gefühl zwang daffelbe, nach jener Aufgabe zu suchen, und sich das Princip zum Bewußtsein zu bringen, wodurch es sich zu einem selbstständigen Ganzen erheben, und aus der Stellung eines bloßen Werkzeugs eine gleiche Bedeutung mit dem eigentlichen Republikanismus sich aneignen könne. So war das Verhältniß beider Haupttheile der Opposition; es war nicht klar, nicht ausgesprochen, daß der Gegensaß, den sie in sich trugen, wirklich schon da sei; man konnte nicht sagen, daß sie sich trennten, und doch traten fie allmählig auseinander; noch war es nicht bestimmt, was beide in Beziehung

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