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ganzen französischen Leben, besonders aber im Fourierismus, der sich nie über die Gränze der bloßen Berechnung erhebt, wenn er den Werth eines zu Bildenden sucht; aber im Communismus zeigt sie sich in ihrer roheften Gestalt, alles dem bloßen sinnlichen Wohlsein des Menschen, und im Besonderen des Proletariers unterordnend. Es ist nicht schwer, nach diesem Princip den Communismus vom Republikanismus sowohl in seinem inneren Wesen als in seiner äußeren Erscheinung zu scheiden.

Dies ist das Wesen des Communismus, nicht wie es von den Communisten selbst ausgesprochen oder von bisherigen Unterfuchungen anerkannt ist, denn beides mangelt gänzlich sondern wie es sich aus der Geschichte und dem Begriff ergiebt. Und dieses Wesen selbst muß uns nun über ein dunkles Gefühl Aufklärung verschaffen, das uns bei der Betrachtung des Communismus ergreift. Ist denn alles was jene Communisten wollen so thöricht und unsinnig? Hat nicht wirklich der Proletarier, als Mensch, ein absolutes Recht auf die ihrem eignen Begriff nach allgemein menschlichen Güter? Kann das Gefühl der Liebe oder die Strenge der Logik ihm die Ausschließung seines ganzen Standes von dem Kreise des höheren Lebens beweisen oder vorschreiben? Wer möchte wagen, es der Menschheit ins Angesicht zu behaupten, daß nur ein Theil derselben zur höchsten Vollkommenheit bestimmt sein kann? Wenn dem aber so ist, muß uns dann nicht der Communismus zuletzt eine an sich wahre Erscheinung sein, wie der Socialismus, das Streben derer, die neben seinen beiden Theorien stehen, ja die ganze Bewegung unsrer Gegenwart, die nur zu schnell eine Reife erlangen will, zu der erst die schrittweis vorwärts arbeitende Zeit gelangen kann? Und dennoch können wir es uns nicht zugestehen, daß der Communismus eine wahre Berechtigung in sich trägt. Es empört uns nicht bloß die Reihe von Revolten, die er erzeugt, nicht bloß das Untergrabensein der öffentlichen Ruhe, das er bedingt, nicht bloß diese immer noch nicht geendeten meuchelmörderischen Attentate, die er lehrt und hervorruft wir können mit ihm selber uns nicht verföhnen, selbst wenn er im friedlichen Gewande des ikarischen Communismus auftritt. Was verneint ihn denn so entschieden in uns; daß wir ihn selbst unbewußt für geistig unmöglich halten und halten müssen? Es ist eben jene Grundlage seines ganzen Wesens, sein resultatloses absolutes Verneinen, der ruhelose Kampf selbst, der uns nicht genügen kann und soll. Und daß er wirklich jenem

Gefühl durch seinen eigensten Charakter seine lezte Berechtigung giebt, das zeigt uns das tiefere Erfassen der Bewegung, von der alle einzelnen communistischen Doctrinen und Verbindungen nur einzelne, durch jene bedingte und zulezt auf ihr beruhende Erscheinungen sind.

II.

Charakter der Geschichte des Communismus.

Nachzuweisen, daß die Idee der abstracten Freiheit nothwendig die der Gleichheit erzeugt, und daß diese in ihrem einseitigen Fortschritt bei der Forderung einer materiellen Gleichstellung aller Persönlichkeit, der persönlichen Unabhängigkeit, anlangen muß, oder zu zeigen, wie sich in Frankreich allmählig die Trennung der besigenden und nichtbesigenden Classe vollzogen hat, bis sie endlich in scharfem Gegensah einander gegenüber stehen, würde nichts sein als eine Wiederholung des schon früher Gesagten. Von dieser Seite ist der Geschichte des Communismus ihr Charakter schon bezeichnet.

Eine andre dagegen ist es, die hier im Besondern eine ernstere Aufmerksamkeit verdient. Wir dürfen auch hier als entschieden voraussehen, daß die heutige Gestalt der Industrie die Classe der Proletarier erzeugen muß; dann, daß das fortschreitende Bewußtsein von der Bestimmung und dem Recht jeder Persönlichkeit diese Classe zu einem selbstständigen, auf ein ihr eigenthümlich angewiesenes Princip sich stüßenden Ganzen machen wird. Kein Volk, das in der Bewegung der Civilisation einen Plaß hat, kann daher ohne eine Entwicklung eines Proletariats bleiben; und deshalb darf man die Behauptung wagen, daß auch der Communismus seine Stelle in jedem germanischen Volke irgendwie und irgendwo finden muß. Es ist aber der lettere eine an sich unwahre Bildung im Volksleben; wie sollen wir sie, so weit die abwehrende Kraft reicht, verhüten, oder die daseiende bekämpfen?

Dem abstracten Beweis traut man wenig, wo es sich um eine thatsächliche Wirklichkeit handelt. Nach einer solchen wird sich der umsehen, der praktisch in das Daseiende eingreifen soll. Und erkennen wir nun, daß der Communismus nicht etwa eine rein zufällige Erscheinung ist, wie sie die Revolution so vielfach erzeugt hat, indem sie mit Einem Schlage die alten Kreise des

inneren und äußeren Lebens zersprengt, daß nun alle That und alle Ueberzeugung regellos in wirrem Suchen auseinander fährt auf allen Wegen und Abwegen, sondern eine nothwendige Ents wicklung in dem Gange der Gestaltungen, die wiederum nur Folgen eines Allgemeineren sind, so finden wir in dem französischen Communismus ein allgemeines Bild desjenigen, was in der ganzen europäischen Civilisation sich geltend macht. Er ist deshalb das Beispiel, an dem wir lernen können.

Das aber, was den Communismus selber bedingte, war das Dasein des Proletariats. Das Proletariat ist eine, der germanischen Welt und ihrer neuesten Civilisation eigenthümliche Erscheinung, die in engster Verbindung mit der Entwicklung des ganzen Volkslebens steht. Sie will daher eine eigne Geschichte; und diese Geschichte ist untrennbar von der des Communismus. Die Geschichte des lezteren hat daher eine weitere Aufgabe, als die bloße Darstellung der einzelnen communistischen Lehren und Verbindungen. Sie erhebt sich nothwendig, so wie sie zum Bewußtsein ihres wahren Inhalts gelangt, zu einer Geschichte des Proletariats, die wiederum nur ein besonderer Theil der Geschichte des Egalitätsprincips ist, das die ganze Gestalt der heutigen Gesellschaft bedingt. Der Communismus wird uns damit der lezte Theil jenes allgemeinen Bildes, das wir unter dem Namen des Egalitätsprincips in seinen Hauptzügen darzulegen suchten. Das ist der wahre Gesichtspunkt für die Beurtheilung einer Reihe von Erscheinungen, die man, so wie man ste nach irgend einer Seite hin vereinzeln will, nie in ihrer tiefern Bedeutung verstehen wird.

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Aber damit stehen wir wieder auf einem Gebiete, das innerlich so reich und äußerlich so umfassend ist, daß eine begränzte Arbeit feine Erfüllung der eignen Anschauung des Lesers überlassen muß. Hier besonders bedürfen wir jener beiden Begriffe, die bisher für unsre Wissenschaft wie für das allgemeine Bewußtsein zu wenig entwickelt sind, das Volk, und die Gesellschaft. Alle die Kräfte und Individualitäten, die beide bilden und bestimmen, treten auch dem Proletariat gegenüber, reizen es zu Ansichten und Thaten, weisen ihm seinen Weg, zeichnen ihm seine Stellung, und bedingen seine Wirksamkeit; es findet sein volles Leben, feine allgemeine wie seine einzelne Wirkung, erst in jenem Ganzen des Volfs und der Gesellschaft, durch jenes ein der französischen Geschichte eigenthümliches, durch dieses ein für alle Staaten ge

meines werdend. Vergißt man der tausendfach wechselnden Verhältnisse und Gestaltungen, die sich hier in der Gegenseitigkeit des Theiles und des Ganzen, des Individuums und des Allgemeinen erzeugen und verdrängt werden, so wird man zwar den Begriff des Proletariats und des Communismus, aber nicht sein ganzes Leben erfassen, und das Resultat wird der Keim sein, aber nicht der entsproßte Baum, wie er im gegenwärtigen Leben des französischen Volkes nach allen Seiten hin seine Zweige vielgestaltig ausbreitet.

III.

Geschichte des Communismus.

Der Communismus der ersten Revolution.

Babeuf.

Die unendliche Tiefe der Geschichte besteht nicht allein darin, daß das Wahre sich in ihr vollzieht. Ihr ganzer Reichthum, die ganze Größe des denkenden Weltgeistes erschließt sich uns erst, wenn wir sehen lernen, wie jeder Irrthum neben dem lebendigen Fortschritt sein eignes, nur ihm gehöriges Leben sowohl in dem Geschehenden hat, als er es in unsrem eignen Geiste finden muß, um wahrhaft überwunden zu sein. Hier erst beginnt auch das etwas zu sein, was wir durchdenken müssen, um seine innere Unmöglichkeit zu erkennen. Und das ist die tiefe Bedeutung der Erscheinungen, die an uns vorübereilen, um sich selber aufzuheben. Man forsche nach, und so weit der Gedanke reicht, wird er keinen Begriff, keinen Schluß in sich finden, der nicht in der Geschichte ein thatsächliches Leben gehabt hat, möge die Bes wegung des Denkens nun ein Finden des höheren, oder eine Vernichtung des falschen Standpunktes erreichen.

Ist daher die Gütergemeinschaft und die Negation des per sönlichen Eigenthums eine wirkliche Folgerung des Egalitätsprincips, und ist dieses der Kern aller Bewegung des französischen Lebens, so tritt zu der rein factischen Behauptung des Dagewesen. seins des Communismus das Bewußtsein, daß er eine noth= wendige Erscheinung war. Und damit scheuen wir uns nicht, die Behauptung zu seßen, daß die erste Revolution ihn erzeugen

mußte, und daß er eine unausbleibliche Folge der gegenwärtigen geistigen Richtung in Frankreich ist.

Aber das Allgemeine kann nicht für sich sein. Sein wahres Leben, den Abglanz seiner unendlichen Wahrheit, findet es erst in der Persönlichkeit, in jener wunderbaren Gewalt, mit der es den tiefsten Grund des Ichs erfaßt, und es unwiderstehlich zwingt, ihm mit seinem ganzen Glauben, mit seinem ganzen Leben zu dienen. Hier erst, in dieser Einheit des zweifach Unendlichen, des Gedankens und des Ichs, hat es seine wahre, lezte Stufe erreicht; hier erst ist die Brücke gefunden, wo die Idee in das Reich der Menschheit als Glaube und Urgrund der That hinüberschreitet. Der reichste, unerschöpflichste Inhalt der Geschichte liegt hier; erst wo das Ich dem Gedanken ganz und rein gewonnen ist, erst da ist der Gedanke dem Ich, und mit ihm der Menschheit zum Eigenthum geworden. Und darum giebt es kein Resultat in der Geschichte ohne einen Mann, der es mit seinem Willen und mit seinem Herzen, gegen die Gewalt der Macht wie gegen die des Gedankens, bis zum Tode vertreten hat. Wehe aber denjenigen, denen das blinde Gefühl die Stelle und die Kraft des klaren Gedankens vertreten muß! Auch sie sind in sich selber wahr, und gewaltig in der Unmittelbarkeit der Lehren, die sie predigen; aber diese Lehre vernichtet ihr Werkzeug, weil sie selbst in sich die Unmöglichkeit ihres Lebens trägt. Darum sehen wir Gestalten wie Thomas Münzer, Johann von Leiden, und andre, auftreten, und als Opfer ihres Irrthums fallen. Wir begreifen sie, wir beklagen sie, aber wir erkennen die ewige Gerechtigkeit, die sich selber vollzieht, und keine Stimme ruft sie ins Leben zurück, das durch sie um eine Unwahrheit reicher geworden. Und zu diesen fanatischen Priestern eines blinden Gefühlslebens gehört Babeuf, der Vater des ächten französischen Communismus.

Als die Schreckensherrschaft in dem Blut, das sie vergossen, unterging und Robespierre, auf dem Hôtel-de-Ville mit dem Tode ringend, der sein nicht gewollt hatte von eigner Hand, von demselben Volke verhöhnt und verdammt ward, das ihn vor wenig Tagen noch vergötterte, da meinten wohl viele, es sei aus mit der Revolution und ihrem innersten Kern, und hofften, selbst um den Preis der blutigen Reaction, auf endliche und feste Ruhe. Dem war nicht so; nur Eins war überwunden in dem alten Terrorismus, die factische Herrschaft des Pöbels, nicht aber das Leben des Princips, das auch sie nach so manchem Anderen mög

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