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Der Communismus.

I.

Wesen desselben.

Die lezte Gestalt der. socialen Bewegung Frankreichs liegt jezt als der lezte Theil unserer Aufgabe vor uns; wir stehen vor dem Communismus. Von allen Erscheinungen der neuesten Zeit ist keine zugleich so gefürchtet und unbekannt wie diese; keine bietet der Neugier und der Besorgniß ein reicheres, der Wissenschaft und dem Fortschritt ein ärmeres Feld dar. So leicht es ist, ein gewisses Interesse an dem Bilde zu erwecken, das sich uns hier entwickelt, so schwer ist es, ihm eine Seite abzugewinnen, an der sich die tiefere Theilnahme zu halten vermöchte.

Vor allem indeß will man in der ganzen Reihe von Vorstellungen, die sich uns unwillkührlich an jenes Wort knüpfen, wie in der noch unverbundenen Masse von Nachrichten, die auch zu uns über das Treiben der Communisten herübergedrungen sind, irgend eine an sich bestimmte Einheit, deren Dasein schon der gemeinsame Name andeutet. Wir fühlen, daß es im Grunde ein Ganzes ist, das sich hier in den verschiedenen Gestalten bewegt, und dieses Ganze soll uns in einem bestimmten Begriff erfaßt

werden.

Allein eben diese Aufgabe ist bis jezt noch nicht vollzogen. Man hat weder in Deutschland noch in Frankreich das eigent liche Wesen des Communismus zu bestimmen gesucht. Es erflärt sich das leicht; denn derselbe liegt Deutschland zu fern, und Frankreich zu nahe. Jenes hat kein Bedürfniß, nach einem Begriff zu suchen, dessen Erscheinung ihm in der wirklichen Welt nirgends entgegentritt, dieses keine Zeit sich logisch zu entwickeln, was es unmittelbar im thatsächlichen Leben bekämpfen muß. So darf man sagen, daß alle Vorstellungen vom Communismus wefentlich gestaltlos sind. Und das liegt auf der andern Seite zugleich an der Art und Weise, wie er selber bisher äußerlich aufgetreten

ist. Zum Theil mit dem Republikanismus eng verschmolzen, scheint es als ob er hauptsächlich nur die wildeste Seite der De= mokratie enthalte; dann, indem er die Gütergemeinschaft predigt, tritt er als die Negation des persönlichen Eigenthums auf; endlich glaubt man ihn selber in allem Wichtigeren in irgend einer besonderen Verbindung und ihren Grundsägen zusammengefaßt, während er doch, so wie man ihn selber nun herausheben und als selbstständiges Moment hinstellen will, immer aufs neue den Händen entschlüpft, und seinen wahren Inhalt uns verbirgt. Dennoch muß man, wenn man nicht bloß seine einzelnen Erscheinungen, sondern eben den Communismus selber verstehen, oder ihn bekämpfen will, grade jenen lezten Inhalt sich zur klaren Anschauung bringen.

Es ist dieses aber nur dann wahrhaft schwierig oder faft unmöglich, wenn man nicht anerkennt, daß die ganze innere Geschichte der Gesellschaft Frankreichs nur die Geschichte des sich entwickelnden Princips der Egalität ist, in dem mithin der Communismus, soll er anders eine eigenthümliche Stellung einnehmen, auch eine eigne Seite vertreten muß. Fassen wir das Resultat der vorhergehenden drei Theile zusammen, so läßt es sich nicht läugnen, daß man durch die abgetrennte Darstellung des Socialismus, ja selbst der nebengeordneten Schriftsteller, auch ohne auf die Geschichte des Egalitätsprincips näher einzugehen, immer noch ein selbstständiges Ganze hätte bilden können. Denn es ist der Charakter beider Entwicklungen, jene Geschichte selbst als eine schon überwundene hinter sich zu haben, und nun dem neuen Ziel entgegenzustreben. Der Communismus dagegen hat das Element, das beide als bewußte und anerkannte Basis zum Grunde legen, in sich noch nicht überwunden; er ist selber nichts als die Fortsezung der Einseitigkeit des Egalitätsprincips; und deshalb müsfen wir für das Verständniß desselben den ganzen Gang der Entwicklung des ersten Theils hier noch einmal der Erinnnerung zurückrufen.

Die Idee der Gleichheit, als die Grundlage und zugleich als das Resultat der Revolution, sezt nothwendig nicht bloß die Gleichheit aller Personen im Staatswillen, sondern sie geht sogleich weiter, und fordert gleichen Befih, gleiche Bildung durch die gleiche Erziehung, gleiche Arbeit aller Bürger, ja sie erzeugt den Sah, daß alle Menschen von Natur absolut gleich sind. Auf diesem Punkte aber erscheint uns der tiefere Inhalt desselben; die

Gleichheit wird zur bloßen Forderung, und der Gedanke, der uns zwingt sie zu fordern, ist der der abstracten Persönlichkeit, des an sich unendlichen Ichs. Die Idee desselben abstract aufgefaßt, als ein von der Welt des Nicht-ichs losgerissenes Dasein, sezt die Bestimmungslosigkeit des Ich überhaupt, das Erhabensein über alle bestimmenden Einwirkungen der gegebenen Welt, die abstracte Freiheit. Die Idee dieser Freiheit ent= hält im Grunde die höchste Bewahrheitung der unendlichen Bejahung des Ich; sie ist daher, mag sie nun auf philosophischem Wege als Bewußtsein, oder auf religiösem Wege als Glaube an die Unsterblichkeit erscheinen, nicht bloß geistig möglich, sondern nothwendig. Sie aber ist es, die auf dem Boden der Bewegung des Denkens im vorigen Jahrhundert schlummert, von allen geahnt, von keinem verstanden.

Indem nun diese Anschauung des Ich sich mit der wirklichen Welt in den ihr unvermeidlichen Kampf begiebt, wird sie entweder zur Philosophie der deutschen Logiker, in sich und ihrem inneren Leben das Gesez und die Wahrheit der äußeren Eindrücke, die auf sie einstürmen, wiederfindend, und sich durch das Wissen zu ihrer concreten Freiheit erhebend, oder sie wird auf das Gegebene sich werfen, es umstürzen, und alles was ihr erscheint mit gewaltiger That rein aus sich heraus aufs neue erbauen, um in ihrer eignen Welt leben zu können. Dieses Ge= gebene aber für sich ist nicht Eins, sondern es tritt in drei verschiedenen Gestalten dem Einzelnen bestimmend entgegen. Es ist der Staat, die geschichtliche Form der Einheit der Völker; es ist die Religion, die überlieferte Bildung des Gottesbewußtseins; es ist endlich die Gesellschaft, die bestimmte Ordnung der Sphären des Einzelnen im Gebiete des Eigenthums, der Familie, der Ehre, der Bildung. Jede dieser drei Gestaltungen ist da vor dem Dasein des Einzelnen; sie stellen ihn hin, ohne daß er selber diese Stellung zu bedingen vermag; sie bestimmen. sein staatliches, sein religiöses und sein gesellschaftliches Leben. Sowie die Idee der abstracten Freiheit zum Bewußtsein ihrer selbst kommt, erkennt sie daher in diesem Bestimmtsein durch die Grundlagen des äußeren Daseins einen Widerspruch mit sich selbst. Dieser Widerspruch erhebt sich zum Kampfe; die daseienden Formen werden niedergebrochen, neue erdacht und ausgeführt, eine Form der concreten wirklichen Freiheit; und dieser Kampf ist die Revolution.

Allein indem derselbe siegt, sezt er eben wieder eine bestimmte Form in jenen drei Gebieten des Gegebenen; es giebt wieder eine, die an sich unendliche Freiheit des abstracten Ich s beschränkende Gestalt des Lebens; der Einzelne hat, ohne es zu wollen, nicht die Freiheit von aller Begränzung, sondern nur andre Gränzen gefunden. Das Gefeß der Bestimmungslosigkeit, einmal dem äußeren Dasein zugewendet, erhebt sich daher auch gegen diese neue Form, nicht weil sie eine unrichtige, sondern eben weil sie eine bestimmte ist. Auch diese Form wird gestürzt, eine andre gesucht, eine ande gebaut, und ein neuer Kampf entsteht.

Aber das Resultat desselben ist nun wiederum eine neue bestimmte Gestalt, wieder eine feste Gränze, die Beschränkung des an sich Unbeschränkten. Und erhöbe sich abermals ein Kampf, es würde auch dieser nur die Quelle eines folgenden sein. Die Bewegung selbst ist daher endlos; sie hebt sich selber immer aufs neue auf, denn jedes Resultat derselben enthält jenen ewig neugebornen Widerspruch. Und so entsteht uns die Idee der Negation selber; die absolute Verneinung erscheint als Bewegung, und die That, die sie vollzieht, steht im Widerspruch mit sich selber.

Ist nun jene Idee der abstracten, bestimmungslosen Persönlichkeit da in Frankreich? Es ist kein Zweifel. Und hat sich diese Idee als eine lebendige Kraft schon in einer That manifestirt? Das lehrt uns die Revolution. Dann aber muß sie auch noch jezt als eine wirkende sich zeigen; es müssen Erscheinungen auftreten, die grade nur durch sie verstanden werden können, weil sie aus ihr hervorgegangen sind.

Rasch, mit Einem Schlage, möchte man hier zufahren, und ausrufen: Dem ist so; es ist die Erscheinung jener Idee eben nichts anderes als der Communismus! - Es ist dies unläugbar, wenn man nur ein solches Resultat auf seine richtigen Gränzen zurückführt. Aber grade das ist das Schwierige. Denn wenden wir uns zuerst dem Staate im Besonderen zu, so sehen wir eine mächtige Partei, die ihre Negation des bestehenden Staatsrechts auf den Gedanken der gleichen Berechtigung Aller zur Theilnahme und Schöpfung eines Staats, und mithin im Grunde auf den der abstracten Persönlichkeit stüßt; sie will eben nur den Staat ändern, steht nur ihm mit jener Negation gegen= über, ohne zu wissen, wie weit diese eigentlich geht. Sie wendet sich dabei zugleich der Religionsfreiheit und der Verbesserung der

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