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schickten Wendung gleichsam sich fortmacht aus diesem unversöhnlichen Widerspruch?

Hier aber, statt auf diesem Punkte anzufangen, schließt der Verfasser. Er versteht nicht ganz, was er gefordert hat. Denn das Dasein dieser Synthesis, um das Wort beizubehalten, bedingt ja nothwendig das Dasein der Persönlichkeit und Unpersönlichkeit des Eigenthums zugleich; jene Synthesis ist ihm Einheit, aber eben indem sie ihre Einheit ist, muß sie das erhalten, was fie vereint. Der wahrhaft logische Schluß sezt daher selbstbedingt das Eigenthum, das Nichteigenthum, und die Einheit beider den Staat, den Organismus der Gesellschaft, dessen Wesen und Leben es ist, das persönliche Eigenthum zugleich zu sezen das heißt, das Recht der Unverleßlichkeit auszusprechen, und es aufzuheben, das heißt, es dem Einzelnen abzufordern. Der Unterschied dieser staatlichen Negation von der communistischen oder individuellen liegt aber, in unmittelbarer Nähe, darin, daß der Staat, als der höhere Begriff für die Persönlichkeit, dieselbe nicht unangetastet stehen lassen kann, eben weil er sie ja zugleich negirt; die individuelle Negation aber steht nur neben, nicht über dem Individuellen, und kann daher, ohne mit ihrem eignen Wesen in Widerspruch zu gerathen, das Individuelle sich nicht unterwerfen, es nicht angreifen, kurz das Eigenthum nicht verlegen. — Und will man nun nach der Wirklichkeit dieses abstracten Verhaltens der gegebenen Begriffe fragen, so nehme man die thatsächliche Gestalt des Staats und seines Verhältnisses zum Eigenthumsrecht. Was thut der Staat? Erklärt er nicht das persönliche Eigenthum für unantastbar? Ohne Zweifel. Und nimmt er nicht in demselben Augenblicke dem persönlichen Eigenthümer fein Eigenthum, indem er die Abgabe einfordert, so einfordert, daß er ihm sein Leßtes verpfändet, wenn er nicht zahlt? Gewiß. Wie ist dieser Widerspruch zu vereinen? Etwa dadurch, daß man sagt:,,ich habe mit ihm den Vertrag eingegangen, daß er dasselbe Eigenthum schüßen soll, was ich ihm eben hingeben muß, damit ich Schuß habe“? Sollte das wirklich ein innerlich möglicher Schluß sein, wo man dem Armen seine ganze Habe nehmen sieht, ohne daß man an dem Recht, dem absoluten Recht des Staats zweifeln wird, ja zweifeln kann? Es ist umsonst; der Vertrag kann nicht ausreichen, und die Idee des persönlichen Eigenthums eben so wenig, als der Come munismus. Es ist das begriffliche, absolute Wesen des Staats,

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das hier allein bestimmend ist. Und könnte die nichtige Consequenz, zu der der Irrthum führt, die Wahrheit des richtigen. Sazes beweisen, so hätten wir in Proudhon einen nicht unbedeutenden Zeugen. Es ist klar, daß auch ihm jene Synthesis das,, Gouvernement" bezeichnen soll. Und was ist nun ihm, der nicht zu der Idee des Staats gelangt, sondern die Begriffe, die ihn bilden sollen, eben nur von ihrer rein negativen Seite auffaßt, das Resultat dieses Schluffes, der Inhalt, der nach der,, Correction seiner Thesis und Antithesis, in der Synthesis, in dieser lezten Form übrig bleibt? Anarchie, Abwesenheit eines Herrschers, eines Souverains, das ist die Form der Regierung, der wir uns täglich nähern, und die eine verjährte Gewohnheit uns als die Spize der Ordnungslosigkeit und den Ausdruck des Chaos ansehen läßt" (p. 301). Kann es ein innerlich verkehrteres Resultat, einen hoffnungsloseren Gedanken geben? Ist nicht in ihm wirklich jenes Nichts ausgesprochen, das allein die Folge der einseitigen Logik ist? Aber man erinnere sich an einen früheren Saz; die nothwendige, unabweisbare Consequenz jenes Princips der individuellen Freiheit, die aus dem Begriff der abstracten Gleichheit ersteht, ist eben keine andre, als die Aufhebung des Staats durch sich selber, und das völlig einheitslose Nebeneinanderstehen aller Persönlichkeiten. Proudhon ist der einzige, der diese Consequenz begriffen hat; er erklärt sie frei heraus, und dennoch fühlt er, daß diese Logik zu nichts führt, als zu Paradoren.,, Ich bitte den Leser", sagt er (p. 303), ,, zu bedenken, daß ich, ausgehend von einem Paradoron, auf jedem Schritte nur Paradoren begegnen konnte, wenn ich richtig fortschloß." Das kann uns mit seiner Aufrichtigkeit, aber weder das Publikum noch ihn selber mit seinem Resultat versöhnen. So steht auch er noch mitten auf dem Wege, nach dessen Ziel er sucht. Man sagt, daß er gegenwärtig an einer Idee der Verfassung der Gesellschaft arbeite; kann er ein organisches Princip finden, so wird es hier sich zeigen müssen, wie weit er fortge= schritten ist. Daß er nicht stehen bleiben kann, begreift er selber.

Als Fortseßung seiner individuellen Kritik hat er seit dem Erscheinen seines ersten Werks noch zwei Broschüren geschrieben: die,, Lettre à M. Blanqui sur la Propriété. 1841“ und ,,Avertissement aux Propriétaires ou Lettre à M. Considérant sur une Defense de la Propriété. 1841". Sie sind beide als Untersuchungen über die volkswirthschaftlichen Folgen des persön

lichen Eigenthums höchst wichtig, und zeichnen sich durch ernstere Haltung und umfassende Studien aus. Doch sind sie nur Fortsetzungen seiner ersten Schrift, und gehören als solche im Wesentlichen demselben Urtheil an, das diese sich verdient. Sie arbeiten auf demselben Boden; das neue Gebiet, vor dem er steht, soll ihm noch erst gewonnen werden.

V.

Louis Blanc.

Haben wir bisher die allgemeine Bewegung durch Religion, Philosophie und Kritik hindurch verfolgt, so bleibt uns nun noch ein Schritt übrig, um das leßte Feld zu bezeichnen, auf dem sie sich geltend macht, der Journalismus. Es ist hier nicht der Ort, die eigenthümliche Bedeutung deffelben in Frankreich näher zu entwickeln; daß er aber hier nicht blos eine Zeitungsverfertigung, noch auch eine reine Nachrichtencompilation ist, wird niemandem unbekannt sein. Die ganze Masse derer, die zu einem tieferen Eingehen auf die Fragen ihrer Gegenwart, sei es innerlich oder äußerlich, nicht befähigt sind und dennoch eines abgemachten Urtheils bedürfen, sucht nothwendig nach einem Organ, das für sie denkt, für sie redet, für sie über ernstere Schwierigkeiten weggeht und für sie stets mit der eigentlichen Hauptsache fertig ist. Das Bedürfniß schafft seine Befriedigung, und der eigentliche Journa lismus entsteht. Er muß in allen seinen Schattirungen wiffen wenn auch nicht was er will, so doch was er nicht will. Die Bestimmtheit, mit der er auftritt, macht aber allmählig aus dem bloßen Organ einen Führer, aus dem Führer einen Herrscher. So lange er innerhalb der Gränzen seines bestimmten Princips bleibt, -vermag er daher nicht nur den weiten Kreis seiner Leser klar zu machen über seine eignen Ansichten, sondern ihre Meinungen wirklich zu leiten. Beides bedingt sich gegenseitig; die Tendenz eines vielgelesenen Journals ist deshalb nicht blos das Resultat seiner Redaction, sondern der Beweis des Zustandes der öffentlichen Meinung selber. Das eigentliche Volksbewußtsein kann in Frankreich daher einzig aus dem Journalismus erkannt, durch den Journalismus gelenkt werden.

Die Geschichte desselben

nicht die der Reihenfolge der Journale, sondern der innere Gang ihrer Entwicklung ist darum von der entschiedensten Wichtigkeit für das Verständniß der Zustände

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und Bewegungen, die sich hier in raschem Wechsel drängen und vernichten. Den an ernste Gründlichkeit gewohnten Deutschen ist seine Gestalt im ersten Augenblick eine innerlich fremde, und seine Bedeutung eine Erscheinung, die ihm nicht klar werden will. Daß man täglich eine Masse von Artikeln schreiben kann und schreibt, das begreift sich am Ende; aber wie diese losen leichten Worte, die wie ein Wind über die Oberfläche dahinfahren, kaum den Saum der Frage kräuselnd, nie ihre geschichtliche Gestaltung entwickelnd, - wie diese immer wechselnden Behauptungen und Formen wirklich einen Einfluß haben können auf das tiefere Leben eines Volkes, das ist etwas, was das Bücher und Bände - Bedürfniß wenigstens nicht im ersten Augenblick anzuerkennen vermag. Und dennoch ist dem so. Allmählig gelangt der aufmerksamere Sinn zu dem Uebergangspunkte, der die Journalistik mit dem Kerne der Gegenwart verbindet; die Journale beginnen ihm ganze Massen zu bilden und eine Einheit zu repräsentiren, und von da an ist der Punkt gewonnen, wo sie neues und ernsteres Interesse für die Dauer zu erwecken im Stande sind. Man giebt es auf, das einzelne Blatt beurtheilen und bedenken zu wollen; so wie man das versteht, erhält es erst seine wirkliche Bedeutung, und man lernt, die Spuren der tieferen Bewegung in dem leichtesten Erzittern des flüchtigsten Artikels wiederzufinden.

Warum aber, wenn der Journalismus solche Wichtigkeit befizt, haben wir ihn bisher so gänzlich zur Seite liegen lassen? Wir behaupten, vor einer der gewaltigsten Fragen der Zeit zu stehen, und wollen zugleich anerkannt wissen, daß eben im Journalismus der Refler derselben am bestimmtesten uns entgegentritt. Wie durften wir denn diesen Zeugen, der nicht blos ein Wegweiser, sondern nicht weniger eine selbstständige Macht ist, so lange und so entschieden vernachlässigen ?

Die ganze Bewegung, die wir als die sociale bezeichnet haben, geht tief bis in das Herz der Gesellschaft hinein. Nicht blos Staat und Kirche, das öffentliche Recht und Leben umfaßt fie, sondern den legten Haltpunkt des Einzelnen, das Eigenthum felber. Niemand wird es Wunder nehmen, daß es nur wenige, sehr wenige giebt, die über jene Widersprüche, die an uns vorübergingen, schon zu einem entschiedenen Bewußtsein gekommen find. Hier ist alles noch so sehr im Werden, daß bestimmte Ueberzeugungen wunderbarer fein würden, als das rathloseste Hinund Herschwanken.

Nun aber bedarf der Journalismus vor allem Eins im allgemeinen Kreise seiner Leser. Er kann, täglich erscheinend und täglich sich neu erzeugend, nur tägliche Artikel liefern. Diese müssen kurz, schlagend, geistreich sein. Das aber seht nothwendig voraus, daß die Basis, auf der sie stehen, eine fertige ist. Sie müssen wissen, daß sie sich auf eine schon ausgemachte Ansicht im Publikum stüßen; ohne eine solche werden sie dogmatisch, dadurch wiederum verlieren sie ihre Täglichkeit und zwängen den Journalismus selbst aus seinem eigenthümlichsten Charakter heraus. Das ist der einfache Grund, weshalb der Journalismus nicht constitutiv werden, keine Schule und keine Grundsäge bilden, sondern sich nur an schon gebildete anschließen oder schon keimende vollziehen kann. Die ganze Geschichte desselben bestätigt diesen Saz; ein Saz, der die mächtigsten Gründe gegen die Censur enthält, die in der praktischen Welt dagegen gefunden werden können.

Wenn nun aber die sociale Bewegung bis jezt noch wesentlich resultatlos ist, ja im allgemeinen Publikum noch gar keine rechte Gestalt gefunden hat, wie soll man denn von diesem Journalismus Frankreichs erwarten, daß er ihr seine Spalten anders öffne, als zu einer bloßen Bejahung oder Verneinung des Bewegens selber? Und in der That, dieses ist das Verhältniß, in dem beide gegenwärtig stehen. Die Journale der Rechten, an ihrer Spize das Journal des Debats, verspotten den Socialismus, läugnen die Bedeutung und das Streben der Nebenschriftsteller, und den Communismus verdammend, benußen sie das, was sie von ihm zu wissen für gut finden, mehr für ihre Zwecke als zur wahren Belehrung. Die Journale der beiden Mitten übergehen alles fast schweigend, in dem Bewußtsein, daß es hier wenigstens gegenwärtig noch kein Juste - milieu giebt. Die Journale der Linken lassen den unpolitischen Socialismus fallen, sehen über die philosophischen Nebengestalten hinweg und halten oder verurtheilen je nach Umständen die communistischen Bewegungen. Es dürfte wohl schwer sein, sich für den ganzen Kreis der Journalistik bestimmter zu faffen.

Indessen macht sich allmählig ein Moment geltend, das eben die Journale der lezteren Classe nöthigt, doch nach und nach eine eigne Stellung jenen Erscheinungen gegenüber einzunehmen. Wir haben schon früher einmal darauf hingewiesen, daß die Opposi= tion, durch den Gang der Dinge getrieben, sich der niederen Classe des Volkes, dem eigentlichen Proletariat, hat zuwenden müssen.

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