Page images
PDF
EPUB

schen wieder, Mißton und Ueberflügelungssucht bei den Aehnlichen, Einklang und gegenseitige Anerkennung bei den Unähnlichen. Das Gebiet aller Industrie gewinnt damit ein geistiges einheitliches Leben in der Anschauung, und dem geheimsten Triebe, der uns bei der Beschäftigung leitet, ist seine innerste Natur abgelauscht. Hier kommt es auch schon nicht mehr darauf an, ob man reich ist oder nicht, denn die Arbeit ist ja keine Mühe mehr, sondern die Befriedigung der Neigung. Das aber ist eine factische Thatsache, daß jeder Mensch zu irgend einer Thätigkeit Luft hat. Ist damit nicht der Wink der Natur gegeben? Warum folgen wir ihm nicht? Man lasse jeden arbeiten, wie er will, aber man lasse ihn eben arbeiten, und die Production wird bald nicht mehr im Mißverhältniß mit den Bedürfnissen stehen; der Wettstreit wird den Muth der rüstigen That, die Harmonie die Freude am Errungenen verbreiten, und der naturgemäßen Entwicklung wird das durch die Natur geforderte und möglich ge= machte Glück folgen!

Wie sich dieser Mechanismus der Serie, in der das Gesetz der Gestaltung der Arbeit überhaupt gegeben ist, für das praktische Leben darstellt, davon wollen wir ein aus Fourier selbst entlehntes Beispiel hier eintragen, das wegen seiner Deutlichkeit schon früher als ein Mikrokosmus seiner ganzen Auffassung benut ift *).

,,Nehmen wir eine Maffe von 600 Personen, die sich sämmtlich für denselben Industriezweig, etwa die Pflege einer bestimmten Art von Blumen oder Früchten, intereffiren. Nennen wir sie die Serie der Birnbaumzucht. Diese 600 Personen werden in Gruppen eingetheilt, deren jede sich dem Anbau einer oder zweier Arten von Birnen widmet. Nachdem ein Jeder sich in die Gruppe seiner Lieblingsbirne hat einschreiben lassen (man kann auch mehren Gruppen zugleich angehören), so werden sich vielleicht dreißig Gruppen finden, die sich durch besondre Farben und Abzeichen von einander scheiden, und drei, fünf oder sieben Divisionen bilden."

Es ist

*) Theorie d. q. mouv. 2. Ausg. (Not. a. p. 433 sqq.) die einzige Stelle, in der Fourier die nähere Organisation seiner Arbeit selbst classificirt hat. Wir geben die folgende Stelle in der Neberseßung, die wir bei Churoa p. 89 fig. finden, weil dieselbe in jeder Hinsicht eine gelungene zu nennen ist und keine Verbesserung zuläßt.

[blocks in formation]

,,Es ist gleichgültig, ob die Serie aus Männern, Weibern, Kindern oder aus einer Mischung aller drei Geschlechter (die Kinder sind für Fourier ein neutrales drittes Geschlecht) besteht; die Serie wird sich immer ungefähr in der bezeichneten Weise, sowohl was die Zahl der Gruppen, als was die Vertheilung der Arbeit betrifft, eintheilen. Je mehr sie sich der Regelmäßigkeit in der Abstufung nähert, desto besser wird sie harmoniren, und desto mehr sich zur Arbeit anfeuern. Der aufsteigende und absteigende Flügel werden sich gegen das Centrum der Serie verbinden, und gegenseitig ihre Erzeugnisse auf Kosten der Erzeugnisse des Centrums hervorheben. Die beiden Nebenflügel werden ihrerseits unter sich und mit dem Centrum zusammenhalten, um gegen die Flügel zu kämpfen. Dieser Mechanismus hat zur Folge, daß jede Gruppe um die Wette ausgezeichnete Früchte erzielt. //

"

Dieselben Rivalitäten und Allianzen zeigen sich unter den verschiedenen Gruppen der nämlichen Division. Wenn ein Flügel aus sechs Gruppen besteht, deren drei aus Männern und drei aus Frauen zusammengesezt sind, so wird außerdeme in industrieller Wetteifer zwischen diesen beiden Geschlechtern stattfinden; kurz es werden blos in der Birnbaumzucht mehr Intriguen zu Angriff und Vertheidigung gesponnen werden, als in sämmtlichen Cabinetten Europa's."

,,Dazu kommen die Intriguen ganzer Serien und ganzer Gemeinden unter einander, die sich auf dieselbe Weise organisiren. Man begreift, daß die Serie der Birnbaumzucht mit der der

Apfelgärtner stark rivalisirt, aber sie wird sich mit der Serie der Kirschgärtner verbinden, denn diese beiden Arten von Früchten bieten keine Aehnlichkeit dar, welche die Eifersucht ihrer respectiven Serie rege machen könnte. "

,,Je mehr man das Feuer der Leidenschaft, des Wetteifers und der Intriguen unter den Gruppen und Serien einer Ge= meinde zu entflammen weiß, desto höher wird man ihren Eifer steigern, desto größer wird die Vollkommenheit der Erzeugnisse einzelner Industriezweige sein. Daraus folgt die allgemeine Vervollkommnung der Industrie, denn es giebt keine Arbeit, die sich nicht seiner Weise betreiben ließe."

,,Handelt es sich um eine Bastardfrucht, wie um die Quitte, die weder Birne noch Apfel ist, so stellt man die für sich bestim mende Gruppe zwischen zwei Serien, deren Verbindungsglied sie alsdann bildet. Die Quittengruppe ist Vorposten der BirnenSerie und Hinterposten der Apfel - Serie. Wie es aber Bastarderzeugnisse giebt, die zwischen zwei Arten in der Mitte stehen, so findet man oft einen sonderbaren und Bastardgeschmack. Die Socialordnung benut alle diese Anomalien; sie weiß alle denkbaren Neigungen zu benußen, denn Gott hat deren keine umsonst geschaffen." --.

Hiemit ist der ganze innere Organismus, der die Einheit von Anstrengung und Vergnügen, von Arbeit und Productenreichthum verwirklichen soll, entwickelt. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß man in die Stelle der Birn- und Aepfelbäume jedes beliebige Erzeugniß seßen, und damit das harmonische Gesez über die ganze menschliche Werkthätigkeit ausbreiten kann. Indessen fügt Fourier noch ein ihm höchst eigenthümliches Moment zu jenem System, das jedoch nicht weniger, wie die obigen, aus seinen ganzen Anschauungen hervorgeht. Wir haben früher schon das Wesen der Papillonen erklärt. ,,Das Bedürfniß der Aenderung", sagt Fourier,,, macht sich von Stunde zu Stunde leise, von zwei Stunden zu zwei Stunden lebhaft fühlbar, und wenn es nicht befriedigt wird, so verfällt der Mensch in Schlaffheit und Langeweile. Jeder langdauernde Genuß wird ein Mißbrauch, stumpft die Organe ab, und erschöpft sich selbst. Auch in der Industrie ist die Abwechslung der Arbeiten ein Bedürfniß. Die Gesundheit leidet nothwendig, wenn der Mensch zwölf Stunden lang Eine Beschäftigung treibt. — Es ist noch schlimmer, wenn die Arbeit ganze Monate und Jahre lang fort:

[ocr errors]

gesezt wird. Daher steht man denn auch in gewissen Gegenden den achten Theil der Bevölkerung mit Brüchen behaftet, manche Fabriken chemischer Produkte, auch Glas- und selbst Zeugmanufakturen sind wahre Mördergruben für den Arbeiter, und zwar lediglich, weil die Arbeit zu lange ununterbrochen fortdauert". Das veranlaßt ihn nun, für alle Werkthätigkeit nur kurze Sizungen, séances, vorzuschlagen, die sich in harmonischer Abwechslung folgen, und dadurch Lust zur Arbeit, durch sie bessere Erzeugnisse zu bewirken.,, Wenn das Umgraben eines Stückes Landes einen einzigen Menschen 24 Stunden beschäftigt, so kostet diese Arbeit einer Gruppe von 12 Menschen 2 Stunden, wir können sagen nur 11⁄2 Stunde, denn die Menge ist munter und eifrig, wenn sie ihre Beschäftigung frei gewählt hat; die freie Wahl aber ist in der combinirten Industrie immer vorhanden.“ Es liegt außerhalb der Gränzen dieser Darstellung, die Frage nach der praktischen Möglichkeit einer solchen Einrichtung, die übrigens durch die bisherigen wirklichen Versuche nicht eben bejaht ist, zu untersuchen. Indessen lohnt es sich doch wohl der Mühe, darauf aufmerksam zu machen, daß es unmöglich ist zu fagen, ob jene Rivalität, von der das Leben der Industrie ausgehen soll, als ein Effect des Ehrgeizes oder der sogenannten Cabaliste anzusehen sei, so wie man in Beziehung auf den Trieb zur Gruppirung schwerlich die Liebe und die Composite wird unterscheiden können. Wie wenig klar sich Fourier über das innere Verhältniß seiner Passions unter einander geworden, zeigt sich nirgends deutlicher als in diesen praktischen Versuchen; ja es ließe sich leicht von ihnen aus die ganze Tonleiter derselben hinweg kritisiren. Wäre ferner der Gegenstand bedeutend genug, so würde man ohne Schwierigkeit nachweisen können, wie auf diesem Gebiet der Mensch selbst ein andrer geworden ist, als Fourier ihn im Beginne hinstellt. Hier nämlich entwickelt sich sein inneres Leben nach dem Gefeß der Série; die Attractionen stehen nicht mehr als Triebe neben einander, sondern bilden Reihen, in denen sich Mittelpunkt, Ende und Anfang scheiden laffen,,, die Serie ordnet die Harmonie", aber in den zwölf Trieben ist wohl ein Nacheinanderfolgen, nur nicht das, was er Serie nennt, zu entdecken. Der Mensch selbst und die Natur sind ihm daher in Wahrheit zwei ganz verschiedene Wesen, und das, was harmonisch ist, ist nur die Gesellschaft und die Productenreihe. Dahin aber konnte er eben nur gelangen, indem er den inneren

Menschen mit seinen zwölf Trieben fallen läßt, und nur dieselben anwendet, um den Reichthum zu erzielen. Dennoch geht er als Basis von der Idee des Menschen aus, um die Natur zu gestalten; so wie er aber bei ihr anlangt mit der Forderung, die absolute Analogie beider durchzuführen, wird es plößlich das Gesetz der Natur, die Reihe ihrer Früchte, das sich den Menschen unterwirft. Dieser Widerspruch war freilich nur durch ein dialektisches Bewußtsein über die Analogie selber zu vermeiden; und dialektisch ist die Anschauung Fourier's am Wenigsten.

--

6) Die Phalange und das Phalanstère.

Jezt sind die Gefeße der Arbeit und der Entwicklung des Reichthums gefunden, die innere Harmonie der Bestimmung des Menschen zur Werkthätigkeit mit seinem Bedürfniß des Glücks ist zur erkannten Wahrheit geworden, und die Basis der,, aufsteigenden Periode" des Erdenglücks, die 35,000 Jahre dauern wird, gegeben. Was nun allein noch übrig bleibt, ist die Darstellung dieser Harmonie in der factischen Wirklichkeit. Diese ist enthalten in der Vereinigung der Gruppen, die sich um jeden Industriezweig an jedem Orte bilden, zu Industrie - Serien, deren jede etwa 24 bis 32 Gruppen haben muß; die leßteren treten zusammen, um das Spiel der Rivalität und des Einklangs, was die Gruppen belebte, auch ferienweise aufzuführen, zu der Phalange. Die Phalange bezeichnet eine Zahl von 1800 bis 2000 Personen, die zusammen als ein Ganzes betrachtet nicht zu klein ist, um für alle Industriezweige Liebhaber, das heißt mithin Arbeiter zu finden, nicht zu groß, um sich noch als ein Ganzes zu übersehen. Die Phalange bewohnt einen Landstrich von ungefähr einer Quadratmeile, wo man ein großes gemeinschaftliches Ges bäude errichtet, das Phalansterium,,,le Phalanstère“, in dem alle Theilnehmer der Phalange ihre Wohnung haben. Durch diese Anordnung wird zweierlei erreicht. Erstlich ist die Landwirthschaft als solche auf den großartigen Maaßstab zurückgeführt, dessen sie unumgänglich bedarf, um die wahre Höhe der Production, deren sie fähig ist, zu erreichen, und zugleich in der Verschiedenheit der Phalansterianer jedem seine Lieblingsbeschäftigung anzuweisen. Dann aber - und hierauf kommt die Schule stets zurück ist Ein solches gemeinschaftliches Gebäude, einmal solide aufgeführt, wirklich weit weniger kostbar, als die Masse von 400 bis 600 einzelnen Wohnungen, in denen jezt die gleiche

[ocr errors]
« PreviousContinue »