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sein können, den Menschen die Schiffe durch die friedlichen Gewässer ziehen. Die nüßlichen Fische aber, wie der Häring, der Lachs, der Karpfen, werden jene Reagenz überleben, und im neuen Meere bedeutend an Größe und Schönheit gewinnen. Dabei wird ferner der Vortheil entstehen, daß die heißen Klimata ihre vernichtende Glut verlieren, und die harmonische Temperatur allenthalben herrscht - was sehr schwer zu begreifen ist. In dieser neuen Weltbildung werden Schöpfungen im Gebiete der organischen und animalischen Natur entstehen, von denen wir noch gar keine Vorstellung haben; alle aber werden nur da sein, um dem Genuß des Menschen in Fülle und mit ewig frischem Reiz zu dienen. Der Südpol wird nie jene befruchtende Lichtkrone haben; indessen hat sich Fourier später dazu verstanden, sie ihm zu verfprechen (Th. d. q. m. p. 68). Dies alles wird beginnen, wenn die Erde die Lage ihrer Are umdreht, die sehr fehlerhaft ist; die Zeit kann nicht mehr weit sein, und dann wird. Friede und Freude die Fülle herrschen.

Es liegt etwas sehr Ernstes in der stets sich wiederholenden Erscheinung, daß die Anschauungen des Menschen in Wahnsinn oder Lächerlichkeit überschlagen, so wie sie den Inhalt der Zukunft uns zu enthüllen versuchen. Hier ist eine Schranke, die keiner ungestraft übertritt; wer den Schleier lüftet, darf glücklich genannt werden, wenn er nichts verliert als die Besinnung.

Fourier vermochte es, sich von jener Thorheit wieder loszureißen. Er erkannte, daß es nicht dieses sei, was uns zur wahren Lebensaufgabe geworden ist; und unter allen seinen geistigen Thaten ist diese Befreiung von der gehaltlosen Kosmogonie vielleicht die kräftigste. Als man mit Spott über ihn herfiel, und der Hohn selbst ungerecht gegen das Wahre ward, was er aufgestellt, schrieb er in seinen spätern Jahren:,, Aber was gehen diese Nebensachen die Hauptsache an, die Kunst die combinirte Industrie zu organisiren, woraus das dreifache Product entstehen muß, die guten Sitten, die Harmonie der drei Classen, der reichen, der mittleren und der armen, das Vergeffen des Haders der Parteien, das Aufhören der Pest, der Revolutionen, der Staatsarmuth, und die allgemeine Einheit?"

,,Wunderbarer Despotismus, alle Productionen eines Schriftstellers zu verdammen, weil einige mangelhaft sind! Newton hat Träumereien über die Apokalypse geschrieben; er hat versucht zu beweisen, daß der Pabst der Antichrist sei. Gewiß, das sind

wissenschaftliche Thorheiten; aber seine Theorieen über die Anziehung und die Lichtstrahlen sind darum nicht weniger gut und anerkannt. Bei der Beurtheilung jedes Gelehrten oder Künstlers trennt man das gute Gold von dem falschen. Warum bin ich der Einzige, bei dem die Kritik nicht dieser Regel folgen will?" Es ist nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß Fourier hier wenigstens vollkommen Recht hat. Selbst Reybaud, der kein Verehrer seiner Theorie ist, ruft aus:,, Wenn jemand sich selbst so verurtheilt, so bleibt nichts zu sagen übrig. Man zielt nicht auf eine Bruft, die sich entblößt." —

4) Die Philosophie der Geschichte und die Kritik der heutigen Civilisation.

Wenn Fourier in seiner Kosmogonie die Erde als für sich seiend betrachtet, und der Natur ihre selbstständige Geschichte zuschreiben möchte, so bleibt ihm nun noch die Menschheit, als ein Collectivwesen aufgefaßt, übrig, deren Zustände nicht weniger wie die der Natur über den Zufall erhaben sind, und dem Gedanken durch das allesbeherrschende Gefeß der sich verwirklichenden Begierden bestimmt erscheinen müssen.

Fourier ist in seiner Philosophie der Geschichte minder kühn wie in seiner Naturbetrachtung; hier banden ihn bestimmte Data, und das Bewußtsein, daß jeder auf diesem Gebiete zu einer eignen Meinung berechtigt sei. Dennoch ist sein philosophischgeschichtliches System höchst interessant; er hat seinen ganz eigenthümlichen Standpunkt fest im Auge behalten, und ihn durch alle Phasen der Entwicklung hindurch geführt; ein neuer Beweis für den unerschöpflichen Reichthum des Lebens unsres Geschlechts, das keiner Ansicht seine Unterstügung zu versagen braucht.

Das Leben der Menschheit, als Ganzes gedacht, geht gleichen Schritt mit dem Leben der Erde. Es dauert daher wie jenes ungefähr 80,000 Jahre, und theilt sich in 32 kleinere Perioden, die in vier große zerfallen. Die ersten 5000 Jahre gehören der Kindheit, aber der vorwärts schreitenden; die zweite Hauptperiode von 3500 Jahren beginnt mit dem Entstehen der nördlichen Lichtkrone, und enthält die Zeit des aufsteigenden Glücks, die dritte, eben so lang, die des untergehenden; zwischen beiden liegen ungefähr 8000 Jahre der Vollendung. Endlich schließt sich das Leben der Welt mit 5000 Jahren des Alters, in denen sich alle Erscheinungen der Kindheit wiederholen; aber die Lichtkrone ist

erloschen, und mit dem 32. Abschnitt stürzt sich die Erde über und stirbt; das Chaos tritt ein, und löst sie wieder in den Sternennebel der Milchstraße auf.

Uns jedoch, die wir noch in der Kindheit des Erdenlebens stehen, kommt es darauf an, eben diese Kindheit genauer kennen zu lernen. Die derselben bestimmten 5000 Jahre, oder die Geschichte der Menschheit, zerfallen in 7 Perioden. Den Maaßstab für die Bestimmung der Epochen giebt die Vergleichung der Summe der öffentlichen Leiden mit der der öffentlichen Genüsse. Darnach stellt sich die Geschichte unter folgenden Perioden dar:

1) Die paradiesische Urzeit, der Edenismus. Die Menschen leben friedlich im Ueberfluß, denn es ist noch die Production nicht erforderlich, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Es ist die Zeit der Séries confuses, und wird von Fourier der,, Schatten des Glücks" genannt.

2) Die Wildheit

Sauvagerie. Kampf und Unfrieden durch Mißverhältniß der Bedingungen der Eristenz zu der Zahl der Eristirenden.

3) Das Patriarchenthum Patriarchat. Erste Versuche der Gesellschaftung, aber nur gruppenweise, in der die Despotie des Familienvaters herrscht.

4) Die Barbarei Barbarie. Kampf der Familien untereinander; Unterwerfung des Menschen unter die Willkühr. Bis zum Ende der Barbarei geht der erste Hauptabschnitt dieser Menschheitsperiode, als die Zeit des Rückschrittes" bezeichnet. Jezt beginnt der zweite, die Zeit des Aufschwungs".

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5) Die Civilisation der gegenwärtige Zustand. 6) Die Zeit der Gewährschaftung Garantisme; ein Zustand, in dem die Association theilweise zur Verwirklichung kommt, und die Interessen durch gegenseitige Bürgschaften aufrecht gehalten werden.

7) Einfache Gesellschaftung; der llebergang zu der zweiten großen Hauptperiode. Diese Periode ist die Zeit der ,, Séries ébauchées", und das,, Morgenroth des Glücks".

Nach dieser lezten Entwicklung folgt nun,, der Sprung aus dem Chaos in die Harmonie", und jezt folgen die beiden 35,000jährigen Hauptperioden *).

*) Zu der leßten Ausgabe der Theorie des quatre Mouv. p. 52. ist eine Tabelle über die ganze Erdgeschichte der 80,000 Jahre hinzugefügt, die ins deffen mehr interessant als bedeutend ist.

Wir wollen uns nun nicht bei seiner Darstellung aller dieser einzelnen Perioden aufhalten; im Wesentlichen ist mehr die Tendenz, als die wirkliche Ausführung etwas Eignes zu nennen. Es genüge zu bemerken, daß er zugiebt, man werde selten oder nie den bestimmten Charakter einer Periode in irgend einem ge. schichtlichen Zeitraum rein abgeprägt finden; ja man muß im Gegentheil anerkennen, daß zugleich bei den verschiedensten Völkern die verschiedensten Epochen zu vollkommener Erscheinung gelangen, wie gegenwärtig uns die Europäer, Chinesen, Südseeinsulaner 2c. beweisen.

Das Wichtigere jedoch ist die Betrachtung der heutigen Civilisation, eines Zustandes, den wir genau erkennen müssen, um durch seine Mängel hindurch die Nothwendigkeit wie die Mittel der Verbesserung zu begreifen. Auch sie hat wieder ihre eigenthümlichen Phasen, in denen sie auftritt, zur Reife gelangt, und allmählig abstirbt, ein kleines Bild der großen Geschichte der Menschheit. Wir geben hier nur die Tabelle, in die er seine Ansicht über den Gang derselben zusammenfaßt, wie sie sich mit ihren eigenthümlichen Merkmalen aus der vorhergehenden Epoche der Barbarei erhebt, und durch die Ausbildung derselben zu einem sebstständigen Ganzen wird. Man hat, um sie zu verstehen, die nicht leichte Aufgabe zu lösen, sich von der gewöhnlichen Anschauungsweise der Geschichte einen Augenblick frei zu machen. Wer aber das vermag, und wirklich nach dem tieferen Sinne sucht, dem wird es bald klar werden, daß sie wenigstens nicht willkührlich ist, wenn sie auch in den Fehler aller Construction der Geschichte verfällt, nur das aufzuführen, was sie gebrauchen fann *).

Aufsteigende Bewegung.

Kindheit oder erste Phase der Entwicklung.

Einfacher Keim (germe) 3usammengesezter Keim feudalität.

Stüßpunkt (pivôt)

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Monogamie.

patriarchalische oder Adels

bürgerliche Rechte des Weibes.

Gegengewicht - Bündnisse der großen Vasallen.
Ton Illusionen des Ritterthums.

*) Diese Tabelle, die wir aus dem Nouveau monde industr. p. 458. entnehmen, findet sich schon, aber noch unentwickelt, in der Th. d. q. mouv. p. 326.

Aufst. Bewegung.

Jugend; zweite Phase.

Einfacher Keim - Privilegien der Gemeinden. Zusammenges. Keim - Pflege der Wissenschaften u. Künste. Stügpunkt Emancipation der arbeitenden Classen.

Gegengewicht — Repräsentativsystem.

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Merkmale *)

(caractères) Zerstörung der Wälder, Staats

Keime nautische Kunst, Experimentalchemie.

Absteigende Bewegung.

Absteigenbe Beweg.

anleihen.

Mannsalter; dritte Phase.

Einfacher Keim — mercantilischer und fiscalischer Geist. 3usammenges. Keim Stüßpunkt

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Actiengesellschaften.

Seemonopol.

ökonomische Illusionen.

Hinfälliges Alter; vierte Phase.

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beschränkt durch die Erhöhung der Patentsteuer. Stüßpunkt industrielles Lehnswesen. Gegengewicht —

Verpachtung des Lehnmonopols.

Ton Juustonen von Association.

Das sind die Entwicklungspunkte, durch welche die Civili sation hindurchgeht; das System derselben beweist, daß Fourier mit der Geschichte nicht unbekannt war. Interessant und treffend ist besonders das, was er als den Ton der einzelnen Epochen bezeichnet; es wäre wohl zu wünschen, daß die Ironie in dem Ausdruck ,,Illusionen" etwas weniger berechtigt sein möchte!

Von diesem Resultate aus betritt er nun ein Feld, wo er zu Hause ist, und die Schärfe seines praktischen Blickes am glån

*) Ein Kritiker in der Berliner Literarischen Zeitung Nr. 22. (1842) hat dem Buche von Churoa (f. unten) den Vorwurf gemacht,,,Caractères" mit Merkmalen überseßt zu haben p. 31, und will wissen, daß es hier, die Lettern bedeutend, für „Buchdruckerkunft" steht, als wesentliches Moment des Culminationspunktes der Civilisation. Wenn dieser Kritiker den Vortheik Behabt hätte, das Buch zu kennen, dessen Worte er überfeßen will, so würde er gesehen haben, daß Caractères hier nichts anderes heißt, als Merke male, und daß ein scharfsinniger Einfall nicht immer ein wahrer ist

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