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dieselbe mit ihrer Bestimmung, als vollendetes Ganze gedacht, eine progressive Reihenordnung, die nichts andres ist, als die vollzogene Bewegung, oder die wirkliche Harmonie. Der Inhalt der Harmonie ist mithin auf diesem Punkte uns entwickelt; fie ist die Reihenordnung der Resultate der Bewegung, die Série, und damit ist der zweite Grundsay Fourier's gewonnen: ,,La Série distribue les Harmonies".

Auf diese Weise gelangen wir durch das Bedürfniß des Glücks hindurch zum Erkennen der Geseze, nach welchem das All lebt; denn unser inneres Leben ist nichts andres, als ein Refler des Weltlebens. In diesen Gesezen aber liegen, leicht erkennbar, die beiden Consequenzen, die die Basis der ganzen Gestaltung der menschlichen Gesellschaft bilden, wie Fourier sie später ausführt; und zugleich die Lösung des großen Räthsels, das bis jezt noch wie eine ewige Sphinr jeden, der ihm genaht, vernichtet hat, des Gegensazes von gut und böse. Denn es folgt aus dem ersten Princip, daß jeder Trieb des Menschen die absolute Bestimmung habe, befriedigt zu werden; damit giebt es weder ein Gutes noch ein Böses mehr, denn beides kann doch nur in der Handlung gesucht werden; diese Handlung aber ist Bewegung, der Trieb ist absolut wahr, eben weil er ist, und mita hin die Vollendung desselben keine Sünde. Dann aber ergiebt sich zugleich der Grundsaß für die praktische Einrichtung der Gesellschaft aus dem zweiten Princip. Es muß die Bewegung derselben harmonisch sein, das ist in der durch Attraction und Bestimmung bedingten Reihenfolge (Série) fortschreiten.

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Damit ist nun aber zugleich die folgende Aufgabe gegeben. Wie erkennt man eben jene Série, auf die alles ankommt? Diese Frage löst sich, indem man auf den Saz zurückblickt, der es uns möglich machte, überhaupt etwas zu erkennen. Wir sezten, daß der Mensch in seinen Trieben und Bewegungen der Mikrokosmus sei; denn nur so war es möglich, die aufgelöste Idee des Glücks über die ganze Welt als ihr eigentlichstes Grund. gefeß auszubreiten. Das, wodurch wir hier die Wahrheit finden konnten, muß uns dieselbe in jedem anderen Gebiet, mithin auch in der Frage nach dem concreten Inhalt der Série geben; und das ist nichts andres, als die absolute Gleichheit in der innersten Natur alles Seyenden, die Analogie. Die Analogie ist daher das Denkgesez Fourier's. Nichts ist für sich wahr; nur durch die Analogie seines Seyns mit dem All ist es Wahrheit.

Daher kann

erst die ganze Wahrheit für uns das Einzelne währ machen; zu jedem Punkte geht der Weg durch das Al. Aber so wie die Analogie gefunden ist, ist auch das Resultat derselben unumstößlich.

Die Analogie selber indessen ist nur das Gesetz des Erkennens; das zu Erkennende, das Seiende selbst, wird nur analog genannt, insofern es dem Denken sich zuwendet. An und für sich feiend aber ist das als analog Erscheinende ein Einheitliches; und so entsteht als höchste Idee die Einheit der Welt, der Unitéisme, das Allen Gemeine, die Gottheit.

Gott kann nicht Eins allein sein; er ist der Gott seiner Welt, und mithin in sich selber die Harmonie einer abstractesten Bewegung. Die Natur besteht aus drei ewigen Principien", fagt Fourier (Theorie des quatre mouvements, p. 46),,, unerschaffen und unzerstörbar: 1) Gott oder der Geist, das thätige oder bewegende Princip, 2) die Materie, das leidende und bewegte Princip, 3) die Gerechtigkeit oder die Mathematik, das ordnende Princip der Bewegung. Um die Harmonie unter diesen drei Principien aufrecht zu halten, muß Gott, indem er die Materie bewegt und ändert, in Uebereinstimmung sein mit dem mathematischen Gesetz (les mathématiques); ohne das wäre er willkührlich in seinen Augen wie in den unsrigen". Man sieht, wie unklar er sich über das ist, was er eigentlich sagen will; er ist nicht im Stande, die Einheit der drei Principien als eine selbstständige Idee in seiner Anschauung zu vollziehen; dennoch kann sein Gedanke nicht zweifelhaft sein. Und hiermit nun auf dem höchsten Punkte des Erkennens angelangt, wendet er sich der wirklichen Welt zu, um sie von seinen gewonnenen Grundsäßen aus zu begreifen und zu gestalten.

Denn bis hierher sind nur noch die allgemeinsten Geseße in abstracter Gestalt entwickelt. Sie haben nur sich selbst zum Inhalt; die Welt liegt außerhalb ihres Kreises. Schon um zum Begriff der Série zu fommen, mußte eine Bestimmung, irgend eine bestimmte Bewegung angenommen werden, die durch den früheren Gang der Untersuchung nirgends gegeben war. Es ist daher hier der wichtige Schritt in das Reich der erscheinenden Wirklichkeit zu vollziehen; derjenige, der von jeher der ächte Pros bierstein aller intellectuellen Anschauungen gewesen ist.

Fourier schneidet die Frage kurz ab; mit Einem Sag ist er so sehr mitten in der Welt, daß es ihm unmöglich wird, an das zu denken, was er übersprungen hat.

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,,Die universelle Bewegung scheidet sich in vier Hauptzweige: die sociale, die animale, die organische und die materielle." Die sociale enthält die Geseße, nach denen Gott die Ordnung und die Aufeinanderfolge der verschiedenen socia len Mechanismen auf allen bewohnten Erden geregelt hat. Die animale entwickelt diejenigen, nach welchen Gott die Triebe (passions) und die Instincte allen Wesen vertheilt. Die orga= nische zeigt, wie Gott die Eigenschaften, Formen, Farben 2c. ordnete. Die materielle, schon durch die Geometer der neuern Zeit dargestellt, enthält das Gefeß der Gravitation. Man erkennt auch hier leicht die große Unklarheit, die ihn später sogar bewog, zu unterscheiden unter dem Mouvement Pivotal, le Social ou Passionel, und den Mouvements cardinaux, als welche er aufführt l’Aromal, l'Instinctuel, l'Organique und le Materiel. Das Ganze hat wenig Werth. Das Verhältniß der Bewegungen unter einander muß nun, nach dem Geseze des Erkennens, die Analogie sein, die er hier die Hierarchie des quatre Mouvements nennt. Er geht aber nicht darauf ein, son. dern erklärt einfach,,, daß dieser Gegenstand über die Kräfte der größeren Zahl seiner Leser gehe, und er ihn deshalb lieber fallen lasse". Was man dadurch verloren hat, zeigt seine Note zu Seite 46 (ed. 2), wo er die Milchstraße als das Analogon der Ehrbegierde, das Planetensystem als das der Liebe, die Trabanten als das der paternité*), die Sonnensysteme als das der Freundfchaft darstellt; ferner die leßtere mit dem Zirkel, die Liebe mit der Ellipse, die Paternité mit der Parabole, und die Ehrbegierde mit der Hyperbole vergleicht. Diese Spielereien, wie wir sie denn ja auch in Deutschland recht wohl kennen, verfolgt er indessen wenig; Contragnel hat in einer Schrift:,,Le Fou du PalaisRoyal" alle Analogien, die Fourier gezogen, zusammengestellt; sie sind im Allgemeinen eben so vage und unbedeutend, wie die obigen.

Indessen hat Fourier jeßt, was er wollte. Die Bestim mung ist in die allgemeine Idee der Bewegung hineingetragen, und die Entwicklung eines positiven Systems möglich geworden. Von jenen Bewegungen nimmt er sich nun als seine bestimmte Aufgabe das Mouvement social heraus:,, ich überlasse alle

* Ich wage es nicht die einzige mögliche Ueberseßung dieses Worts uns mittelbar in den Text aufzunehmen; fie ift, übrigens vollkommen regelmäßig gebildet,,,Vaterthum". Vaterschaft sezt schon ein bestimmtes Kind, und reicht daher nicht aus.

anderen den Gelehrten der verschiedenen Claffen," sagt er,,,die sich ein prachtvolles Reich daraus bauen mögen."

Die Darstellung dieses Mouvement social ist nun die ganze praktische Theorie Fourier's, wie wir sie im Folgenden ausführen werden. Was aber das Obige betrifft, so muß man sich hüten zu glauben, daß er irgendwie eine ähnliche logische Entwicklung feiner eignen Grundidee besigt. Fast alles, was wir gesagt haben, liegt unausgebildet in seiner Anschauung. Das macht es doppelt schwer, herauszubringen, wie er sich eigentlich den Zusammenhang von seinem Gott und seiner Welt gedacht hat, und zwingt uns vielleicht weiter zu gehen, als er gekommen ist.

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Zweierlei dürfte hier nicht uninteressant zu bemerken sein. Erstlich mangelt der ganzen Betrachtungsweise Fourier's der eigent liche Eckstein der deutschen Philosophie, das Ding. Die Frage nach dem Dinge liegt aber dem ganzen französischen Bewußtsein so fern, daß niemand diesen Mangel — vielleicht den gründlichsten im ganzen System ihm nachgewiesen hat; und ehe Frankreich nicht zu diesem Punkte gelangt, wird ihm die wahre Wissenschaft wohl verschlossen bleiben. Dann ist es merkwürdig, wie in zwei ganz verschiedenen Völkern zu derselben Zeit, vollkommen unabhängig von einander, der gewaltige Gedanke der Analogie als Gesetz der Anschauung einen Vertreter findet. Es ist doch wohl wahr, daß keine Zeit einem Volke allein angehört.

2) Die Lehre von den Trieben.

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Die gesellschaftliche Bewegung ist es mithin, die Fourier sich als bestimmtere Aufgabe seiner Theorie gesezt hat. Sie ist ihm das ganze Leben der Menschheit, ein unendliches und reiches Feld, auf dem jeder mit Ernst unternommene Schritt sich einen Gewinn nennen darf, selbst wenn er nichts wäre, als ein großer Irrthum. Auf welchem Wege nun Fourier seinem großen Ziel entgegen geht, ist durch den vorhergehenden Abschnitt klar. Zu finden ist die Vollendung dieser Bewegung, die Destinée sociale; die aber kann nur gesucht werden in dem noch unvollendeten Anfangspunkte derselben, den Trieben der Menschen.

Hiermit ist die Basis der ganzen praktischen socialen Theorie gegeben. Auf die Bestimmung der Triebe kommt alles an; denn jeder wirkliche Trieb muß sich vollziehen; einmal als daseiend an erkannt, ist seine Berechtigung unendlich. Die Wahrheit der socialen Gestaltung der Welt beruht mithin darauf, daß sie eben

durch diese Triebe auf der einen Seite hervorgerufen ist, auf der andern ihre Verwirklichung möglich macht. So ist die richtige Auffassung derselben die Bedingung der ganzen folgenden Wifsenschaft.

Es ist nicht zu läugnen, daß Fourier's ganze Theorie von den Trieben im höchsten Grade eigenthümlich ist, und alles, was bisher in dieser Richtung im Gebiete der Psychologie geschehen ist, bei weitem an Tiefe und Wahrheit übertrifft. Sein Grundgedanke der Analogie ist hier von dem größten Einflusse, von größerem vielleicht, als die Selbstständigkeit der Untersuchung hätte erlauben sollen. Indessen erkennt er, daß er den ganzen Menschen in ihr entwickeln muß, um zu der Idee der Bestimmung der ganzen Menschheit zu gelangen.

Der Mensch ist da auf dreifache Weise. Zuerst für sich, dann für andre, endlich als Theil der Menschheit. Darnach ergeben sich die drei Grundabtheilungen der Triebe. Sie haben drei Ziele für ihre Bewegung, den Lurus, die Gruppe, und die Serie.

Unter Lurus, luxe, versteht Fourier im Allgemeinen die Befriedigung des sinnlichen Bedürfnisses; er ist Luxe interne, oder externe. Der Luxe interne ist das unmittelbar persönliche Bedürfniß, der Luxe externe der Besiz der Mittel zu Befriedigung desselben; daher umfaßt die Idee der Gesundheit jenen, die Idee des Reichthums diesen. Beide aber sind nur die Vermittlung, durch welche der Trieb zu feiner Bestimmung gelangt. Dieser Trieb zum Lurus, oder zur Vollendung der abstract einzelnen Persönlichkeit, löst sich auf in fünf einzelne Triebe, die nichts anderes sind als die fünf Sinne, deren jeder nach seinem Genuß strebt. Die Gruppe ist die Unterabtheilung der Serie; ihre Erscheinung bildet in der socialen Welt die kleinen gesellschaftlichen Körper, die durch den, zur Gruppirung strebenden Trieb hervorgerufen werden. Dieser Trieb enthält vier bestimmtere, die Freundschaft, die Liebe, den Ehrgeiz und den Familismus (verwandtschaftliches Band). Ueber diesen aber schweben als passions rectrices, die drei die Serie bildenden Triebe, deren Bestimmung Fourier durchaus eigenthümlich ist. Er nennt sie die cabaliste papillonne, und composite. Die passion cabaliste ist das die Einheit aufhebende Princip; der Trieb, der unsre Kraft wie unsre Liebe aus dem gleichmäßigen Zusam

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