Den Rechts- und Volks - Vertretern Deutschlands, Frankreich's, der Schweiz, Belgien's und Holland's gewidmet, Vorwort. Schon so lange wird für und gegen Aufhebung des röm. kath. Cölibatgefeßes gekämpft, daß schon hierdurch allein der unpartheüsche Zuschauer zur Vermuthung veranlaßt werden dürfte, es möchten sich wohl auf beiden Seiten gar gewichtige Gründe vorfinden, welche sie zu solcher Hartnäckigkeit bestimmte. Gewichtig und nachhaltig sind aber nur die Gründe, welche im Wesen, im Lebensprinzip der Partheien wurzeln. Somit ist auch anzunehmen, daß das Cölibatgesetz eben so innig in die gesammte Einrichtung der röm.-kath. Kirche verflochten seyn müsse, wie das Bestreben, dessen Aufhebung zu bewirken, unaufhaltsam aus dem neuen Lebensquell hervorbricht, welcher neben, aber nicht aus dem römischen Felsen entspringt. Die Anerkennung des eige nen Rechtes kann aber nur fordern, wer auch die eigenthümliche Berechtigung des Anderen anerkennt. So ist es Pflicht, alle die Motive unverkürzt an's Licht zu bringen, welchen das Colibatgesetz Entstehung und Bestand verdankt, damit die Vertheidiger desselben theils über ihre eigene Sache völlig aufgeklärt, theils zugleich zu unpartheiischer Prüfung der Gegengründe verpflichtet werden. Das Urkundenbuch, welches wir hiermit dem for: schenden Publikum vorlegen, beabsichtigt vor Allem, jene Motive in möglichster Vollständigkeit und in völlig reiner Ursprünglichkeit zur Anschauung zu brin gen, dabei aber auch keine der Folgen zu übergehen, welche sich aus den Akten der Kirche selbst ermitteln ließen. Es ist daher überall, wo es nur irgend zweckmäßig schien und wo die Quellen zugängig waren, der Text der Urkunden selbst mitgetheilt worden, während wir da, wo das eine oder das andere nicht der Fall war, das bekannte, sehr reichhaltige Werk der Gebrüder Theiner, jedesmal mit ausdrücklicher Hinweisung auf dasselbe benugt haben. Die chronologische Ordnung schien aber nicht blos zur Erleichterung der Uebersicht und des künftigen Gebrauches dieser Sammlung, sondern auch deshalb den Vorzug vor der ethnographischen zu verdienen, weil zum wenigsten vom vierten Jahrhundert an bis zum Tridentinum die kirchliche Gesetzgebung fast durchgängig von Rom aus bestimmt worden ist. Sollte übrigens diese Sammlung sich zu einem organischen Ganzen runden, so mußte nicht nur zuerst die Entstehung des Cölibat gesetzes und seine Schärfung bis zum Ehetrennenden Kanon, so wie der fortwährende, großentheils vergebliche Kampf gegen den Concubinat der Geistlichen, sondern demnächst auch der Kampf gegen das Gesetz anschaulich gemacht werden, wie er zuerst von den kirchlichen Reformatoren, dann von den Litteratoren und Philosophen, zuleht von den politischen, gekrönten und ungekrönten Reformatoren durch Staatsstreiche, Geseze und Verfassungen gegen dasselbe geführt worden ist. Daß bei einem so reichen Stoffe nicht Weniges von uns übersehen worden, müssen wir allerdings befürchten; doch hoffen wir nichts Wesentliches übergangen zu haben und wer? den, was sich uns in der Folge noch darbieten mag, zur Zeit in einem Nachtrage hinzufügen. Absicht und Wunsch war es, diese Arbeit durch zweckmäßige Uebersichten u. s. w. einzuleiten; indessen hat die Sammlung einen so bedeutenden Umfang gewonnen, daß wir, wiewohl ungern, jenes Vorhaben aufgeben mußten. Aus demselben Grunde mußten wir es uns versagen, die treffliche Stelle aus der (Tübinger) Theologischen Quartalschrift (1820. 640 ff.) beizufügen, welche wir der ersten Abtheilung zufolge als vierte Beilage hier mittheilen wollten. Die drei andern ebendort S. 61. 62. 129. verspro chenen Beilagen haben passendere Stellen im Urkundenbuch selbst erhalten, da die 1ste in, die Anmerkung G. 725 ff., die 2te als N. 845. und die 3te als N. 1059 und 1060 aufgenommen worden. Ebenso mußten endlich noch mehrere Urkunden, welche uns erst während des Druckcs der vorliegenden Sammlung zu Gesicht gekommen, einer nachträglichen Mittheilung vorbehalten bleiben, mit welcher wir jedoch so lange anstehen werden, bis diejenigen, die durch Sachkenntniß zu einem Urtheil über das Geleistete berechtigt sind, durch Angabe der etwaigen Lücken dieser Sammlung |