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Centralisation und die Gleichheit aller Persönlichkeit und aller Theile Frankreichs in einem neuen Staate zu verwirklichen.

Jegt beginnt, nach so vielen Kämpfen, dasjenige, was man den positiven Inhalt der Revolution nennen kann. Die Gewalt, welche auf dem Princip der Égalité beruhte, der Tiers-État hat mit seinen Grundsäßen gefiegt; der Standesunterschied liegt gebrochen zu seinen Füßen; alle sind Brüder, Kinder Eines Volkes, Ein Ganzes. In der Macht dieses Gedankens lag die Macht der Assemblée constituante; die Augen und Herzen des Volkes waren auf sie gerichtet; sie begriff ihre Stellung, die sie zum Organ alles dessen machte, was diese Zeit unvergleichlicher Energie bewegte; nachdem sie mit kühnster Anstrengung vernichtet hatte, was der Geltung der neuen Ideen entgegenstand, blieb ihr noch Eins übrig. Sie mußte jezt diese Idee in feste Form fassen, sie mußte die Gedanken und Hoffnungen des Volkes zum Geseze für den Staat erheben; und hier nun zeigte es sich, was eigentlich, indem es als die natürlichste und nächste Aufgabe jener Assemblée entgegentrat, der Angelpunkt der ganzen Bewegung gewesen war.

Die bis dahin gewöhnliche Erscheinung war, daß nach einer Revolution sich der siegende Theil des Volkes vor Allem eine neue Verfassung zu geben beeilt hatte. Anders war es in Frankreich. Gewiß war die Verfassung wichtig; aber es ist als ob man damals zuerst deutlich gefühlt habe, daß die Verfassung selber wiederum beherrscht werde durch die Ordnung eines andern Gebiets, für das man Namen und Princip, aber keine Geseze hatte. Zwei Jahre dauerte es, ehe man zum Abschluß über die neue Constitution fam; aber noch in demselben August, in dem die Standesunterschiede und Privilegien vernichtet wurden, decretirte die Versammlung das erste gesellschaftliche Grundgesez des germanischen Europa's, die Déclaration des droits de l'homme.

Es ist ganz entschieden diese Erklärung eins der wichtigsten Actenstücke der neueren Geschichte, und tief muß man in den Gang der Dinge hineingreifen, um ihre Bedeutung für ganz Europa ganz würdigen zu können. Für den Theil der Geschichte Frankreichs aber, den wir behandeln, läßt sich Geist und Wesen dieser Erklärung jezt in Einem Saße zusammen fassen. Sie ist nichts Anderes als die nunmehr geseßlich anerkannte Systematisirung des Princips der Égalité, und die Aufstellung desselben als Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung. Sie enthält daher in sich die Entscheidung aller der Fragen, von denen wir im vorigen Abschnitte geredet haben; sie ist der Abschluß des alten Jahrhunderts, der Anfang des neuen; sie ist keine Verordnung, nicht einmal ein Geseß; sie ist die geseßliche Anerkennung eines Principes.

Eine That des Gedankens hat man die Revolution genannt; aber in ihr ist eigentlich nur diese Erklärung der Menschenrechte die That des wirklich revolutionären Gedankens; der Rest gehört der Nothwendigkeit der Dinge, und die Thätigkeit der einzelnen Menschen verschwindet von da in der Unabänderlichkeit der Bewegung, die sie erzeugt und vernichtet. Es ist gesagt und oft wiederholt, daß die Revolution ihre Wanderung um die Erde zu machen bestimmt sei; nicht sie ist es, von der dies gelten muß; es ist vielmehr das Princip, das in jener Erklärung der Menschenrechte zum erstenmal als Princip eines ganzen Volkslebens aufgestellt wird, das Princip gesellschaftlicher Gleichheit. Nie hat die Revolution die Höhe des inneren Lebens, die sie in diesem ihren Hauptacte gewann, wieder erreicht; von da wird sie kleiner und kleiner, und vergeblich suchen die Tyrannen der Gleichheit durch Blut und Entseßen jene Erhabenheit des Gefühls für die Sache wieder zu erwecken, durch die auf einen Augenblick Frankreich für die ganze Erde das Land der Freiheit und Allgewalt des Gedankens gewesen war.

Jene Déclaration des droits de l'homme vom August 1789 enthält nun das Princip der Égalité in den zwei Beziehungen, in denen dasselbe bis dahin dem französischen Volke am Bestimmtesten unterdrückt schien. Diese beiden Punkte sind die Hauptsache der ganzen Erklärung, und der historische Zusammenhang derselben mit den früheren Bewegungen bedarf nunmehr feiner genaueren Nachweisung. Sie lauten:

Art. I. Les hommes naissent et demeurent libres et égaux en droits. Les distinctions sociales ne peuvent être fondées que sur l'utilité commune.

Art. III. Le principe de toute souveraineté réside essentiellement dans la nation. Nul corps, nul individu ne peut exercer l'autorité qui n'en émane expressément.

Daran schließen sich in einfacher Weise die folgenden Paragraphen als Entwicklungen ihres Inhalts, theils als Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung, theils als Grundlagen des neu entstehenden öffentlichen Rechts. Der Art. 6 bestimmt, daß das Gefeß,, est l'expression de la volonté générale. Tous les citoyens ont droit de concourir personnellement, ou par leurs représentants, à sa formation." Die Art. 7-11 garantiren die individuelle Freiheit gegen die Staatsgewalt, die folgenden Art. sollen die Droits de l'homme gegen die Gewalt des Staats selber und gegen die Unordnung beschüßen. Zur Erklärung eigentlicher Principien erheben sich wieder die Art. 15 u. 16.

Art. 15. La société a le droit de demander compte à tout agent public de son administration.

Art. 16. Toute société dans laquelle la garantie des droits n'est pas assurée ni la séparation des pouvoirs déterminée, n'a point de constitution.

Deutlicher und entscheidender konnte in der That die Verfassung des Staats auf die Ordnung der Gesellschaft nicht zurückgeführt werden. Und hier ist wohl der Ort, einen Blick auf die nun kommenden Zeiten und das Verhältniß jener Erklärung zu ihrer Bewegung zu werfen. Jeder Act einer wahrhaften Gesetzgebung hat eine doppelte Bedeutung. Er schließt ab eines Theiles, formt, ordnet, bestimmt; was im Leben des Volkes fertig ist, das wird durch diesen Theil der Geseßgebung auch für den Staat fertig; es ist zum geltenden Recht geworden. Allein mit seinem anderen Theile greift derselbe in die Zukunft hinein, den ewigen inneren Zusammenhang der Dinge auch innerhalb seiner Grenzen bewahrheitend. Man wird wenig bedeutende Geseze finden, die nicht auf irgend einem Punkte schon die Andeutung der Elemente enthalten, welche bestimmt sind, über dieselben hinauszugehen. Entschieden war es, daß die damalige neubegründete Gestalt der Gesellschaft die neue Ordnung der Staatsgewalt bedingen werde. Allein dasjenige, wodurch jene Erklärung der Menschenrechte in die Zukunft der inneren Bewegungen Frankreichs hineingriff, war eben jener im Art. 16 zwar nicht ausgesprochene, aber doch in ihm enthaltene Grundsaß, daß jede Verfassung des Staats erst möglich, und damit, daß sie alsdann auch abhängig sein müsse von der Ordnung der Gesellschaft. Jezt war den Elementen der Revolution ihr eigenthümliches Gebiet angewiesen; die Gesellschaft ward ihr Kampfplay, und die Égalité, bisher der Grundsaß, der bloß gesellschaftlichen Ordnung, ward zum Princip der Verfassung. Noch vermochte Niemand deutlich zu erkennen, was dieser inhaltschwere Saß eigentlich enthalte; aber hier wie immer ging der Tact der Masse über die Erkenntniß ihrer Führer hinaus, und wenn man überhaupt für große und umfassende Zeitrichtungen bestimmte Anfangspunkte sehen darf, so ist jener Artikel der Menschenrechte der Punit, wo der Staat sein bisheriges Recht verliert, die Gesellschaft zu beherrschen, und wo die Gesellschaft beginnt, die Ordnung und Gewalt des Staats sich zu unterwerfen; oder, will man diesen Saß an frühere Ausführungen anschließen, wo der Staat seine selbständige Persönlichkeit, sein persönliches Ich, seine absolute Erhabenheit über die Einzelnen und die Parteien verliert, um mit seinem ganzen Leben und

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seiner ganzen Gewalt bloß ein allgemeines Gut und Recht zu werden. Mag man nun die Sache auffaffen wie man will, immer wird sich der genauern Beobachtung der Revolution zeigen, daß in diesem Untergang der selbständigen Persönlichkeit des Staats, der die an sich persönliche Staatsgewalt in die Hände der Zahl, in die rein quantitative Bestimmung übergab, das Schicksal der Revolution entschieden war. Frankreich hat in zehn Jahren durchgemacht, wozu Rom sieben Jahrhunderte brauchte, den Uebergang vom Königthum zur Volksherrschaft, von der Volksherrschaft zur Waffenherrschaft. Der Beginn dieser Entwicklung ist das obige Princip; aber die Bedeutung desselben liegt jezt darin, daß es vermocht hat, die Bewegungen des Staats zu überleben, und hinter der Despotie eine neue Geschichte zu beginnen. Als nun die Erklärung der Menschenrechte gegeben war, begann man mit der Verfassung. Es ist nach dem Vorhergehenden klar, daß über das Princip derselben kein Zweifel sein konnte. Sie sollte nichts Neues einführen; sie sollte nur nach den gegebenen Grundfäßen die Staatsgewalt ordnen. Das war es, was man von der Constituante forderte, und das hat sie gethan. Bis zum letzten Augenblicke blieb ihr daher die öffentliche Stimme treu, und überhäufte sie mit Lob und lebendiger Theilnahme. Und in der That war es nun nicht mehr schwer, eine neue Staatsordnung nach solchen Vorarbeiten zu bilden. Die neue Constitution vom 3. Sept. 1791, das Werk der Constituante, schickt die Déclaration des droits de l'homme der eigentlichen Verfassung vorauf; sie erkennt damit die Gesellschaft und ihr Recht der Égalité als Grundlage der Staatsordnung. Sie vollendet dann in ihrem Eingange, was bisher für diese Gleichheit geschehen. Sie erhebt die Aufhebung aller Art der gesellschaftlichen Unterschiede zum Grundgeseße des Staats, indem sie sagt:

Il n'y a plus noblesse, ni pairie, ni distinction héréditaires, ni distinction d'ordre, ni régime feudal, ni justice patrimoniale, ni aucun des titres, dénominations et prérogatives qui en dérivaient, ni aucun ordre de chevalerie, ni aucune des corporations ou décorations pour lesquelles on exigeait des preuves de noblesse, ou qui supposaient des distinctions de naissance, ni aucune autre supériorité, que celle des fonctionnaires publics dans l'exercice de leurs fonctions.

An diese vollkommene und radicale Aufhebung aller Standesunterschiede schließt sich unmittelbar das zweite nicht weniger wichtige Princip:

Il n'y a pour aucune partie de la nation, ni pour aucun individu aucun privilège ni exception au droit commun des Français.

Il n'y a plus ni jurandes, ni corporations de professions, arts et metiers.

So sind die Franzosen gleich; und diese Gleichheit wird nun in dem ersten Titel als individuelle gleiche Berechtigung und gleiche Unverlezlichkeit aller Bürger bestimmt. Der Titel beginnt :

La Constitution garantit comme droits naturels et civils: I. „Que tous les citoyens sont admissibles aux places et emplois, sans autre distinction que celle des vertus et des talents."

Die folgenden Artikel 2 und 3 enthalten nun im Wesentlichen nichts Anderes als die Déclaration des droits de l'homme; und in gleicher Weise wird das Princip des Staats im Tit. III. A. 1. festgestellt.

La souveraineté est une, indivisible, inaliénable et impréscriptible: elle appartient à la nation. Aucune section du peuple, ni aucun individu, ne peut s'en attribuer l'exercice."

A. 2. La nation, de qui seule émanent tous les pouvoirs ne peut les exercer que par delégation.

La constitution française est représentative: les représentants sont le corps législatif et le roi.

Somit kam es nun nur noch darauf an, diese Vertretung in der Weise zu ordnen, daß nach dem Grundsaß der Menschenrechte jeder Bürger daran Theil nehmen könne. Das thut das erste Kapitel des Tit. III. Die Section II. bestimmt, daß die Bürger Primärversammlungen in den Städten und Cantonen bilden sollen, die die Wähler für die Vertretung ernennen; die Sect. III. läßt die Wähler zu Wahlversammlungen zusammentreten, welche den Vertreter wählen, und der Art. 3 sagt:

Tous les citoyens actifs, quels que soient leur état, professions ou contributions, pourront être élus représentants de la nation.

Diese Volksvertretung aber, auf diese Weise aus dem ganzen Volke gebildet, hat nun die eigentliche Staatsgewalt durchaus in ihrer Hand. Das Chap. III. benennt und übergiebt ihr alle einzelnen Momente derselben, Gesezgebung, Verwaltung, Finanzen, Ehrenrechte, die Heeresmacht, ja sogar das Recht des Krieges und des Friedens. Nie ist einem Volke in solcher Ausführlichkeit der ganze Inhalt des Staatswillens überliefert worden. Die sichersten Ideen des Jahrhunderts waren erreicht und übertroffen; das Volk wahr wirklich der Souverän seines Staats. Dem Könige bleibt nur die Ausführung und ein suspensives Veto (Chap. III. Sect. III.); der höchste Wille ist zum Willen Aller geworden, und die legte Form senatlicher Freiheit scheint erreicht zu sein. Und in gleicher Weise ist

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