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haben und das Volk empfindlicher als Krieg und Missernten in seinem Bestande schädigten. Neben den acuten waren es aber auch manche chronische Infectionskrankheiten und in erster Linie die Syphilis, welche sich in vielen Theilen des Landes sehr stark eingenisset haben. Die gänzliche Unkenntnis der Natur und Wesenheit dieser Krankheit, sowie der Art ihrer Verbreitung, waren nicht weniger als der Mangel einer rationellen individuellen Hygiene und besonders eine kaum glaubliche Vernachlässigung der Körperpflege die Hauptursachen, dass die Lues, welche aller Wahrscheinlichkeit nach zum ersten Male gegen Ende des vorigen und dann in den ersten Decennien des nunmehr zu Ende gehenden Fahrhunderts zu wiederholten Malen durch osmanische Soldaten eingeschleppt wurde, eine so intensive Verbreitung erlangen konnte.

Als nach der sogenannten Occupation die Thatsachen des gehäuften Vorkommens der Syphilis in manchen Theilen des Landes competenterseits constatirt war, betrachtete es die Regierung als ihre Pflicht, die Bekämpfung dieser Krankheit, ebenso wie aller anderen Infectionskrankheiten in Angriff zu nehmen; hiebei stiess sie aber auf ein entschiedenes Misstrauen des in Vorurtheilen und Aberglauben befangenen Volkes. Wie eine Festung, die im Sturme nicht genommen werden kann, einer wenn auch langwierigen Belagerung endlich erliegt, so musste man hier durch langsames und vorsichtiges Vorgehen das Misstrauen des Volkes besiegen. Die wahrhaft glänzenden und in der Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens vielleicht einzig dastehenden Erfolge der Vaccination, die gelungenen Heilungen mancher desperaten oder wenigstens seitens der Bevölkerung als solche angesehenen Krankheitsfälle, wie nicht minder das selbst lose und stets humane Vorgehen unserer Aerzte belehrten das Volk, dass alle seitens der Regierung getroffenen Massnahmen nur seinem eigenen Wohle dienen sollten. Sowie nun einmal das Vertrauen gewonnen war, konnte man daran gehen, den Kampf gegen die endemische Syphilis aufzunehmen.

Wenn auch die Prostitution hierzulande mit der Volkssyphilis in keinem unmittelbaren Connexe steht, so musste dieselbe dennoch mit Rücksicht auf den Gesundheitsschutz der Truppen und in Anbetracht des Umstandes als dieselbe mittelbar, wenigstens in den grösseren Städten die einheimische Bevölkerung schädigen könnte, einer Regelung unterzogen werden. Man entschied sich für Duldung der Prostitution und reglementirte dieselbe im Sinne der Kasernirung sowie

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der sanitäts- und sittenpolizeilichen Ueberwachung. Diese Massregel war zweifellos von Nutzen, denn wie die früher mitgetheilten Zahlen über die Verbreitung der Syphilis und der venerischen Krankheiten unter den in Bosnien und der Herzegovina dislocirten Truppen beweisen, kommen diese Leiden ungefähr 23 % seltener, als in den österreichisch ungarischen Truppen überhaupt vor.

Der Bau einer verhältnissmässig grossen Zahl von Spitälern in wenigen Jahren, besonders der sogenannten Bezirksspitäler, die Begründung einer Spezialabtheilung für Syphilis und Hautkranke am Landesspital in Sarajevo, die Errichtung der Gemeindeambulatorien in allen. jenen grösseren Orten, wo noch keine Spitäler bestehen, die Verfügung der unentgeltlichen Ordination in sämmtlichen Krankenhäusern und Ambulatorien für mittellose Kranke, und die Verabfolgung von antiluetischen Mittel auf Landeskosten an dieselben, die bedeutende Vermehrung und materielle Sicherstellung des amtsärztlichen Personals, die Bestellung weiblicher Aerzte für die besonderen Bedürfnisse der mohammedanischen Frauen, die Exmissionen der Aerzte auf Landeskosten in die von der Syphilis heimgesuchten Dörfer, sowie endlich die sanitäre Ueberwachung der Schuljugend bilden in allgemeinen Zügen die Massregeln, welche die Regierung im Kampfe gegen die Volkssyphilis in Anwendung gebracht hat. Die bedeutenden materiellen Opfer, welche bis jetzt für diesen Zweck gebracht wurden und noch gebracht werden, dürften aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit einen vollen Erfolg haben. Wenn die in der Spitalsstatistik (Tabelle I) verzeichneten Daten nicht fehlerhaft sind, was bei der tüchtigen, fachlichen Ausbildung unserer Aerzte angenommen werden muss, können wir schon jetzt von einer Abnahme der Syphilis im Lande sprechen.

Das mit Riesenschritten culturell fortschreitende Volk ist bereits über die Ursache und das Wesen der Syphilis soweit aufgeklärt, dass es dermalen nur noch in ganz vereinzelten Fällen sein Heil bei den einheimischen Quacksalbarn sucht; die weitaus überwiegende Mehrzahl der Kranken wendet sich nun an die geschulten Aerzte. die sich ihrerseits die redlichste Mühe geben, das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.

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