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hergehen, ihm gleichsam nur als dekoratives Beiwerk eingefügt sein, sondern der Vortrag muß sich auf die vorher der Betrachtung dargebotenen Stücke stüßen. Ein so vorbereiteter Vortrag wird auf fruchtbaren Boden fallen, weil er einer durch das Interesse an der Sache erzeugten und geschärften Aufmerksamkeit begegnet. Sollte die lernende Jugend nicht schon durch die Betrachtung der Thatsachen selbst für das erwärmt und begeistert worden sein, was einen gesunden Menschen erwärmen und begeistern muß, so gelingt es vielleicht dem Lehrer noch in dem Vortrage, durch seine Begeisterung schlummernde Gefühle zu entflammen. Doch, meine ich, wen Thatsachen nicht zu begeistern vermögen, den läßt auch die gewandteste Rhetorik kalt, oder sie erzeugt höchstens ein Aufflackern, wie das eines Strohfeuers.

Das vorstehend skizzierte Verfahren bezieht sich lediglich auf die Form der Darbietung; was zu geschehen hat, die Resultate zu befestigen, gehört anderen Stufen der unterrichtlichen Behandlung des Stoffes an. Nur sei an das von O. Jäger (Bemerkungen über den geschichtl. Unterricht S. 16—19) empfohlene Operieren mit dem Stoffe erinnert und außerdem auf folgendes hingewiesen. Die vorgeschla gene Form der Darbietung nimmt weit weniger die rein mechanische Gedächtnisthätigkeit der Lernenden in Anspruch, die gerade im Geschichtsunterrichte häufig zu sehr kultiviert wird, als vielmehr die judiciöse, welche denkend und urteilend der Gegenstände sich be mächtigt. Darin dürfte ein nicht gering zu schäßender didaktischer und erzieherischer Vorteil liegen. Das auf judiciösem Wege dem. Gedächtnisse Überlieferte haftet leichter und nachhaltiger, es läßt sich leichter und sicherer reproduzieren. Quantum scimus, tantum memoria tenemus. Einseitige mechanische Gedächtnisthätigkeit erlahmt und ertötet das Interesse, die Wurzel des Wollens und Strebens; ihr wohnt ein Bildungswert nicht inne: die judiciöse aber belebt und stärkt das Interesse. Auf geistigem Gebiete besißt man eben nur, was man durch selbsteigenes Denken erarbeitet hat.

Das Wesentliche meines Wunsches noch einmal zusammenfassend, wiederhole ich: die Quellenstücke möchten nicht nur zur Ausschmückung und Belebung des Vortrags verwendet werden, auch möchte nicht nur der Vortrag des Lehrers nach Möglichkeit aus ihnen schöpfen“, sondern sie möchten in organische Verbindung mit dem Unterrichte gebracht werden.

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Der Durchführbarkeit eines solchen Unterrichtsbetriebes wird Mangel an Zeit entgegengehalten. Daß man sich dabei auf die charakteristischen

und wesentlichen Ereignisse und Erscheinungen beschränken muß, ge= bietet allerdings die dem Geschichtsunterrichte zugemessene Zeit. Liegt jedoch in dieser Beschränkung irgend eine Gefahr? Das Wissen muß zwar bei einer gewissen Tiefe eine entsprechende Breite haben; allein Breite wie Tiefe sind ja bei dem von der Schule zu vermittelnden Wissen nach anderen Grundsäßen, als denen des Fachstudiums zu bemessen. Dazu liegt bei keinem Unterrichtsgegenstande die Gefahr, die Breite auf Kosten der Tiefe zu begünstigen, so nahe, wie gerade bei der Geschichte. Der Bildungswert des Wissens liegt nicht schon in dem bloßen Besiße von Kenntnissen, sondern er bemißt sich nach der Art und Weise, wie diese Kenntnisse erworben worden sind. Je mehr dieser Weg den Geseßen der Entwicklung geistigen Lebens entspricht, desto größer ist der Gewinn derer, die ihn wandeln; desto lebendiger ist das Wissen; desto mehr gestaltet es sich zu einem entwicklungsfähigen, das Leben und Streben mächtig anregenden Besize. Nicht in der Menge, sondern in der Konstruktion des Wissens liegt sein Wert. Nur ein lebendiges, d. i. ein auf Anschauung begründetes und psychologisch richtig zusammengefügtes Wissen verbürgt ein Können; ein lebendiges Wissen nur zeitigt die vom Geschichtsunterrichte erhofften Früchte.

Man weiß den hohen Wert der Geschichtsquellen, die im griechischen und lateinischen Sprachunterrichte durch die Lektüre der Klassiker erschlossen werden, für den Unterricht in der alten Geschichte sehr wohl zu schäßen, im wesentlichen aus denselben Gründen, die in diesem Vorworte für das Unterrichtsverfahren angeführt worden sind, nach welchem dem Unterrichte in der neueren Geschichte geeignete Quellenstücke zu Grunde gelegt werden möchten. D. Jäger sagt a. a. D. Seite 38: „Dort (bei Homer, Herodot, Xenophon, Sallust, Virgil, Livius) schaut der Schüler das Leben einer interessanten Vergangenheit unmittelbar und mit eigenen Augen; ... er erarbeitet sich den intellektuellen Genuß, den dieses Betrachten längst entschwundenen Lebens gewährt, während er dem Geschichtsvortrage bloß folgen kann, gelangweilt, wenn er langweilig, neugierig, wenn er anziehend ist: aber in jedem Falle ohne jene intensive Freude, welche die ernste, produktive Arbeit gegenüber der bloß rezeptiven begleitet." Mögen nun auch die Ergebnisse der Lektüre griechischer und römischer Schriftsteller, soweit sie im Sprachunterricht gewonnen werden können, hinreichendes Anschauungsmaterial für den Unterricht in der alten Geschichte bieten: woher aber schöpft der Unterricht in der neueren Geschichte solches Material? Keine andere Disciplin arbeitet ihm in

dieser Beziehung in die Hand. Daher scheint es geboten, ihm diesen Vorteil durch besondere Veranstaltung zuzuwenden, zumal das Eindringen in das Verständnis von Quellenstücken zur neueren Geschichte nur unerhebliche sprachliche Schwierigkeiten zu überwinden hat.

Der Stoff des vorliegenden Quellenbuches ist auf drei Semester berechnet; steht gewissen Anstalten mehr Zeit dafür zur Verfügung, um so besser. Rein zahlenmäßig betrachtet, kommen, das Semester zu 18 Arbeitswochen angenommen, bei 296 Nummern auf die Woche durchschnittlich 5-6 Quellenstücke.

Um das Buch weiteren Kreisen zugängig zu machen, erscheint gleichzeitig mit der 2. Auflage, jedoch getrennt davon die Übersesung der fremdsprachlichen Stücke, die auch für die 1. Auflage benußt werden kann.

Hinsichtlich der Orthographie und Interpunktion der Terte sind die in der 1. Auflage befolgten Grundsäße maßgebend geblieben. Bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts ist die Originalorthographie, soweit sie in Nichtoriginaldrucken überhaupt unangetastet geblieben, beibehalten worden, indem nur, um das Lesen der älteren Terte zu erleichtern, das für „u" stehende „v“ und „w“ und umgekehrt um= geschrieben worden ist. Von Friedrichs d. Gr. Regierungszeit ab er= scheinen die Texte, abgesehen von einigen Schriftstücken Friedrichs d. Gr. und Blüchers, in der neuen Schulorthographie. Die französischen Terte find sämtlich in neuere Orthographie umgeschrieben. Die Interpunktion folgt durchgängig dem gegenwärtigen Brauche.

Zwickau, den 5. August 1889.

Max Schilling.

Inhaltsverzeichnis.

Rt..*)

I.

Zeitalter der Reformation.

1. Die wittenbergische Nachtigall. Gedicht von H. Sachs 2.* Aus den „Epistolae obscurorum virorum“

3. Aus: Machiavelli, Der Fürst.

4. Einige Artikel Joh. Tezels

5. Luthers Thesen gegen den Ablaß

6. Luther und Kajetan zu Augsburg

7. Luther und Miltig zu Altenburg 8.* Aus der Leipziger Disputation

9. Über die Kaiserwahl. Sprüche von Sebast. Brant

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10. Karls V. Krönung

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11. Luthers Brief an Leo X.

1520

12. Luthers Schriften werden verbrannt. Gedicht von Ulrich v. Hutten

1520

13. Aus der Rede des päpstlichen Gesandten Hieronymus Aleander gegen Dr. Luther auf dem Reichstage zu Worms

1521

14. Luthers Rede auf dem Reichstage zu Worms

1521

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20. Beschwerden der weltlichen Stände über den Stuhl zu Rom

und die geistlichen Stände im Reich

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21. Von dem großen Lutherischen Narren. Von Thomas Murner 22. Gutachten der Leipziger theologischen Fakultät über die Luthersche Übersetzung des neuen Testaments

1522

1523

23. Von dem Luther. Gedicht von Michael Styfel.

24. Fürsten, Adel und Städte. Gedicht von Ulrich v. Hutten 25. Rechtspflege. Dialog

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3

*) Die mit bezeichneten Nummern enthalten fremdsprachliche Quellenstüce.

Nr.

Jahr

Seite

Gewerbes

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32. Landesherrliche Verordnung zum Schuß des bürgerlichen

33. Ein Bild aus dem Fehdewesen des 16. Jahrhunderts. Von Göz von Berlichingen

34. Lied auf Sickingens Tod

35. Luther und die Schule

1551

1523

1524

36. Der Bundschuh. Von Pamphilus Gengenbach

1513

37. Zwölf Artikel der Bauern.

1525

38. Der Landsknechtorden. Gedicht von Jörg Graff

39. Schlacht bei Pavia. Gedicht und Prosastück.

1525

40. Das Gotha-Torgauische Bündnis zwischen Kurfürst Johann von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen

1526

41. Karls V. geheime Instruktion zur Vertilgung der Lutherischen Sette

1526

42. Über den Reichstag zu Speier

1526

43. Protestation gegen den speierschen Reichsabschied
44. Ein feste Burg ist unser Gott. Von Dr. M. Luther
45. Nürnbergischer Religionsfriede

1529

1532

46. Aus Karls V. und des H. Röm. Reichs peinlicher Gerichtsordnung

1532

47. Kaiser, König und Papst gegen die Protestanten

1545

48. Epitaphium auf den Tod Doktor Martin Luthers. Gedicht von Hans Sachs

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53. Manifest des Kurfürsten Moriz, den Feldzug gegen den Kaiser und das Bündnis mit Frankreich betreffend

1552

54. Der Religionsfriede zu Augsburg

1555

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60

75

II.

Beitalter des dreißigjährigen Krieges.

55. Die Jesuiten und der augsburgische Religionsfriede 56. Der Majestätsbrief

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57. Lied gegen König Friedrich (Vor der Prager Schlacht)
58. Kritik der Achtserklärung gegen Friedrich V.
59. Religion und Freiheit. Ein offener Anschlag Tillys
60. Aus dem Soldatenleben des dreißigjährigen Krieges
61. Wallensteins Disciplin.

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61. Klagen der Fürsten über Wallenstein auf dem Konvent zu Regensburg

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65. Gustav Adolfs Abschiedsrede an die Stände im Reichstage zu Stockholm

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