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Feldherrn ohne Witz,
Stückleut' ohne Geschütz,
Flüchter ohne Schuh,
Nirgend Raft und Ruh.
Mit Mann 2c.

Speicher ohne Brot,
Aller Orten Not,
Wagen ohne Rad,

Alles müd' und matt,
Kranke ohne Wagen,

So hat sie Gott geschlagen.

218.

Die Konvention von Tauroggen.

1812.

York an den König Friedrich Wilhelm.

(Droysen, Das Leben des Feldmarschalls Grafen York v. Wartenburg, Bd. I, S. 359.)

Tauroggen, d. 30. Dec. 1812.

Durch einen spätern Abmarsch wie der Marschall;' durch die vorgeschriebene Marschdirektion von Mitau auf Tilsit, bloß um den Rückzug der 7. Division zu decken; durch böse Wege und endlich durch ungünstige Witterung in eine höchst nachteilige Lage versetzt, habe ich mich genötigt gesehen, mit dem Kaiserlich Russischen General-Major v. Diebitsch die Konvention abzuschließen, welche ich Ew. Majestät hiemit allerunterthänigst zu Füßen lege.

Fest überzeugt, daß bei einem weiteren Marsch die Auflösung des ganzen Corps und der Verlust seiner ganzen Artillerie und Bagage eben so unausbleiblich gewesen sein würde, wie bei der großen Armee, glaubte ich als Unterthan Ew. Majestät nur noch auf Allerhöchst Dero Interesse und nicht mehr auf das Ihres Verbündeten sehen zu müssen, für den das Corps nur geopfert wäre, ohne ihm in seiner Lage noch wahre Hülfe leisten zu können.

Die Konvention läßt Ew. Majestät in Höchst Ihren Entschließungen freien Willen; sie erhält aber Ew. Majestät ein Truppencorps, was der alten oder einer etwaigen neuen Allianz Wert gibt und Allerhöchstdieselben nicht unter die Willkür Ihres Alliierten jetzt, von dem Sie die Erhaltung oder Retablierung Ihrer Staaten als Geschenk annehmen müßten.2

1 Macdonald. 2 Die Konvention bestimmt in Art. 1, daß das preußische Corps den Landstrich zwischen Memel, Tilsit und dem Haff beseße, und daß dieser Landstrich als neutrales Gebiet betrachtet werde mit dem Vorbehalt des Durch zuges russischer Truppen. Nach Art. 2 bleibt das preuß. Corps neutral bis zu den eingehenden Befehlen des Königs; sollte derselbe die Wiedervereini gung mit der französischen Armee befehlen, so wird dieses Corps bis zum 1. März nicht gegen Rußland dienen. Art. 3 seyt fest, daß, wenn der König oder der Kaiser

Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich ge= fehlt haben sollte; ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht als treuer Unterthan und wahrer Preuße gefehlt zu haben. Jetzt oder nie ist der Zeitpunkt, wo Ew. Majestät sich von den übermütigen Forderungen eines Alliierten losreißen können, dessen Pläne mit Preußen in ein mit Recht Besorgnis erregendes Dunkel gehüllt waren, wenn das Glück ihm treu geblieben wäre.

Diese Ansicht hat mich geleitet. Gebe Gott, daß sie zum Heile des Vaterlandes führt.

York.

(In einem zweiten, ausführlicheren Schreiben,3 durch welches York ebenfalls dem Könige gegenüber seinen Schritt rechtfertigt, heißt es u. a.:)

Tilsit, den 3. Jan. 1813.

Ew. Königl. Majestät Monarchie, obgleich beengter, als im Jahre 1805, ist es jetzt vorbehalten, der Erlöser und Beschüßer Jhres und aller deutschen Völker zu werden. Es liegt zu klar am Tage, daß die Hand der Vorsehung das große Werk leitet. Der Zeitpunkt muß aber schnell benutzt werden. Jetzt oder nie ist der Moment, Freiheit, Unabhängigkeit und Größe wieder zu erlangen, ohne zu große und zu blutige Opfer bringen zu müssen. In dem Ausspruch Ew. Majestät liegt das Schicksal der Welt. Die Negociations, so Ew. Majestät Weisheit vielleicht schon angeknüpft, werden mehr Kraft erhalten, wenn Ew. Maj. einen kraftvollen und entscheidenden Schritt thun. Der Furchtsame will ein Beispiel, und Östreich wird dem Wege folgen, den Ew. Majestät bahnen.

Ew. Königl. Majestät kennen mich als einen ruhigen, kalten, sich in die Politik nicht mischenden Mann. So lange alles im gewöhnlichen Gange ging, mußte jeder treue Diener den Zeitumständen folgen; das war seine Pflicht. Die Zeitumstände aber haben ein ganz anderes Verhältnis herbeigeführt, und es ist ebenfalls Pflicht, diese nie wieder zurückkehrenden Verhältnisse zu benutzen. Ich spreche hier die Sprache eines alten treuen Dieners; und diese Sprache ist die fast allgemeine der Nation. Der Ausspruch Ew. Maj. wird alles neu beleben und enthusiasmieren; wir werden uns wie alte echte Preußen schlagen, und der Thron Ew. Majestät wird für die Zukunft felsenfest und unerschütterlich dastehen.

Ich erwarte nun sehnsuchtsvoll den Ausspruch Ew. Maj., ob ich gegen den wirklichen Feind vorrücke, oder ob die politischen Verhältnisse erheischen, daß Ew. Majestät mich verurteilen. Beides werde ich mit

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die Konvention verwerfen sollte, das Corps nach dem Orte, den der König befehlen würde, ungehindert marschieren dürfe. Diese 3 Art. sind die wichtigsten der Konvention, welche 7 Art. enthält. 3 Droysen S. 368.4 Der König, durch die ihn hart bedrängenden Verhältnisse gehindert, seine Zustimmung zu erteilen, ver kündete erst am 12. März dem bange harrenden York, daß derselbe durch eine Kommission als vorwurfsfrei erkannt worden sei. Diese Kabinettsordre nebst einem Armeebefehl gleichen Inhalts ebenfalls bei Droyjen a. a. D. II, 21.

treuer Hingebung erwarten, und ich schwöre Ew. Königl. Majestät, daß ich auf dem Sandhausen ebenso ruhig, wie auf dem Schlachtfelde, auf dem ich grau geworden bin, die Kugel erwarten werde. Ich bitte daher Ew. Majestät um die Gnade, bei dem Urteil, das gefällt werden muß, auf meine Person keine Rücksicht nehmen zu lassen. Auf welche Art ich sterbe, ich sterbe immer wie

Ew. Majestät allerunterthänigster und getreuester Unterthan York.

219.

Friedrich Wilhelms III. Aufruf „An Mein Volk.“*)

17. März 1813.

(Nach der schlesischen privilegierten Zeitung von Sonnabend, dem 20. März 1813. Faksimiliert bei Stade, Deutsche Geschichte II, S. 68. Bielefeld und Leipzig 1881.)

So wenig für Mein treues Volk, als für Deutsche bedarf es einer Rechenschaft über die Ursachen des Kriegs, welcher jetzt beginnt. Klar liegen sie dem unverblendeten Europa vor Augen.

Wir erlagen unter der Übermacht Frankreichs. Der Frieden, der die Hälfte Meiner Unterthanen Mir entriß, gab uns seine Segnungen nicht, denn er schlug uns tiefere Wunden, als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen, die Hauptfestungen blieben vom Feinde besetzt, der Ackerbau ward gelähmt, so wie der sonst so hoch ge= brachte Kunstfleiß unserer Städte. Die Freiheit des Handels ward gehemmt und dadurch die Quelle des Erwerbs und des Wohlstands verstopft. Das Land ward ein Raub der Verarmung.

Durch die strengste Erfüllung eingegangener Verbindlichkeiten hoffte Ich Meinem Volke Erleichterung zu bereiten und den französischen Kaiser endlich zu überzeugen, daß es sein eigener Vorteil sei, Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber Meine reinsten Absichten wurden durch Übermut und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu deutlich sahen wir, daß des Kaisers Verträge mehr noch wie seine Kriege uns langsam verderben mußten. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Täuschung über unsern Zustand aufhört.

Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litauer! Jhr wißt, was Ihr seit fast sieben Jahren erduldet habt; Ihr wißt, was Euer trauriges Los ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert Euch an die Vorzeit, an den großen Kurfürsten, den großen Friedrich. Bleibt eingedenk der Güter, die unter ihnen unsere Vorfahren blutig erkämpften: Gewissensfreiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. Gedenkt des großen Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, der Russen, gedenkt der Spanier, der Portugiesen. Selbst

*) verfaßt von dem Staatsrat Theodor Gottlieb v. Hippel.

kleinere Völker sind für gleiche Güter gegen mächtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen. Erinnert Euch an die heldenmütigen Schweizer und Niederländer.

Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden, denn unser Beginnen ist groß und nicht geringe die Zahl und die Mittel unserer Feinde. Ihr werdet jene lieber bringen für das Vaterland, für Euren angebornen König, als für einen fremden Herrscher, der, wie so viele Beispiele lehren, Eure Söhne und Eure letzten Kräfte Zwecken widmen würde, die Euch ganz fremd sind. Vertrauen auf Gott, Ausdauer, Mut und der mächtige Beistand unserer Bundesgenossen werden unseren redlichen Anstrengungen siegreichen Lohn gewähren.

Aber welche Opfer auch von einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhören wollen Preußen und Deutsche zu sein.

Es ist der letzte, entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand; keinen andern Aus weg gibt es, als einen ehrenvollen Frieden, oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet Ihr getrost entgegengehen um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen: Gott und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen, mit ihm einen sicheren, glorreichen Frieden und die Wiederkehr einer glücklichen Zeit.

Breslau, d. 17. März 1813.

Friedrich Wilhelm.

220.

Kutusows Proklamation „An die Deutschen.“*)

Kalisch 13./25. März 1813.

(Corpus Juris Confoederationis Germanicae, I, 146 f. Herausg. von G. v. Meyer. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 1858.)

Indem Rußlands siegreiche Krieger, begleitet von denen Sr. Majestät des Königs von Preußen, Ihres Bundesgenossen, in Deutschland auftreten, fündigen Se. Maj. der Kaiser v. Rußland und Se. Maj. der König v. Preußen den Fürsten und Völkern Deutschlands die Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit an. Sie kommen nur in der Absicht, ihnen diese entwendeten, aber unveräußerlichen Stammgüter der Völker wieder erringen zu helfen und der Wiedergeburt eines ehrwürdigen Reiches mächtigen Schutz und dauernde Gewähr zu leisten.

*) Am 28. Februar war zu Kalisch der Vertrag abgeschlossen worden, durch welchen sich der Zar verpflichtete, die Waffen nicht eher niederzulegen, bis Preußen die Macht vor 1806 wiedererlangt hätte.

Nur dieser große, über jede Selbstsucht erhabene und deshalb Jhrer Majestäten allein würdige Zweck ist es, der das Vordringen Ihrer Heere gebietet und leitet. Diese unter den Augen beider Monarchen von ihren Feldherren geführten Heere vertrauen auf einen waltenden gerechten Gott und hoffen, vollenden zu dürfen für die ganze Welt und unwiderruflich für Deutschland, was sie für sich selbst zur Abwendung des schmachvollsten Joches so rühmlich begonnen. Voll von dieser Begeisterung rücken sie heran. Ihre Losung ist Ehre und Freiheit. Möge jeder Deutsche, der des Namens noch würdig sein will, rasch und kräftig sich anschließen; möge jeder, er sei Fürst, er sei Edler, oder er stehe in den Reihen der Männer des Volks, den Befreiungsplänen Rußlands und Preußens beitreten mit Herz und Sinn, mit Gut und Blut, mit Leib und Leben! . . .

Der Rheinbund, diese trügerische Fessel, mit welcher der Allentzweiende das erst zertrümmerte Deutschland selbst mit Beseitigung des alten Namens neu umschlang, kann als Wirkung fremden Zwanges und als Werkzeug fremden Einflusses länger nicht geduldet werden. Vielmehr glauben Ihre Majestäten, einem längst gehegten, nur mühsam noch in beklommener Brust zurückgehaltenen allgemeinen Volkswunsche zu begegnen, wenn sie erklären, daß die Auflösung dieses Vereins nicht anders, als in ihren bestimmten Absichten liegen könne.

Hiermit ist zugleich das Verhältnis ausgesprochen, in welchem Se. Majestät der Kaiser aller Reußen zum wiedergebornen Deutschland und zu seiner Verfassung stehen wollen. Es kann dies, da Sie den fremden Einfluß vernichtet zu sehen wünschen, kein anderes sein, als eine schüßende Hand über ein Werk zu halten, dessen Gestaltung ganz allein den Fürsten und Völkern Deutschlands anheimgestellt bleiben soll. Je schärfer in seinen Grundzügen und Umrissen dies Werk heraustreten wird aus dem ureignen Geiste des deutschen Volkes, desto verjüngter, lebenskräftiger und in Einheit gehaltener wird Deutschland wieder unter Europens Völkern erscheinen können. . . .

Frankreich, schön und stark durch sich selbst, beschäftige sich fernerhin mit der Beförderung seiner innern Glückseligkeit. Keine äußere Macht wird diese stören wollen, keine feindliche Unternehmung wird gegen seine rechtmäßigen Grenzen gerichtet werden. Aber Frankreich wisse, daß die anderen Mächte eine fortdauernde Ruhe für ihre Völker zu erobern trachten und nicht eher die Waffen niederlegen werden, bis der Grund zu der Unabhängigkeit aller Staaten von Europa festgesetzt und gesichert sein wird.

Im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Selbstherrschers aller Reußen und Sr. Majestät des Königs von Preußen.

Gegeben im Hauptquartier zu Kalisch, den 13./25. März 1813.
Fürst Kutusow-Smolenskoi.

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