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Dieses sind die Fragen, auf die es ankommt und deren Beantwortung nicht leicht ist.

Ohne Macht ist keine Selbständigkeit und Independenz, also muß Preußen streben, diese wieder zu erlangen. Still stehen kann es jetzt weniger als je...

Soviel ich einsehe, sollte Preußen folgende Grundsätze befolgen:

1) Vor allen Dingen muß es Kraft sammeln, das Innere in allen Zweigen wohl ordnen und planmäßig in Übereinstimmung bringen, auch sich ohne Zeitverlust wieder zum Kampf rüsten, soweit es die Mittel gestatten, besonders zu dem der Verteidigung.

3) Überhaupt zeige man Charakter. Dieser muß dem Staat wieder aufhelfen, so wie der Mangel daran ihn gestürzt hat. Wesentliche Schritte dazu sind geschehen. Preußen hat durch sein Betragen im Unglück und durch treue Beharrlichkeit einen großen Teil der verlorenen Achtung wieder erworben und sich rein gewaschen von den alten politischen Sünden. Man übe eine ehrliche, gerade, treue Politik, ohne List und Trug, die entgegengesezte Napoleons, aber mit großer Konsequenz. Nur dieses fann Vertrauen geben, und nur erst auf Vertrauen in Rechtlichkeit und Konsequenz kann Achtung gegründet werden, statt deren der übermächtige Furcht gebietet. Nur Achtung kann dem Staat Ansehn und Sicherheit verschaffen, der durch Furcht nicht imponieren kann. Auch im Unglück kann man Würde behaupten und einen edlen festen Ton beibehalten.

4) Alle Verwickelungen vermeide man aufs allersorgfältigste und gebe keinen Anlaß zum Streit, damit man Zeit gewinne, sich zu verstärken.

5) Insonderheit ist hierin mit Napoleon die größte Vorsicht nötig, da noch so viele Gegenstände mit ihm auszugleichen sind, und er das Messer noch über uns zuckt. . . . Aber um alles in der Welt schmeichle man Napoleon nicht kriechend, wie ehemals. Damit würde man gewiß den Zweck verfehlen, wie wir ihn verfehlt haben. Napoleon weiß recht wohl, was er von solchen Zuvorkommenheiten und Schmeicheleien zu halten hat, und nur seine Achtung kann frommen. Man hüte sich, mit ihm zu streiten, solange es irgend möglich ist; man beleidige ihn nicht, aber auch gegen ihn benehme man sich mit Würde und Festigkeit und Konsequenz. Von sehr guter Hand ist mir versichert worden, daß man in Paris die Briefe des Königs an Napoleon „les Élégies de Frédéric Guillaume" nannte.

6) Preußen muß sich jetzt Frankreich nicht nähern und sich ja nicht um die Allianz Napoleons bewerben, gegen die er sogar Abneigung geäußert hat. Es muß sich von ihm suchen lassen, und nur dahin trachten, zu verhüten, daß er es nicht zwinge, unter seinen Fahnen zu fechten....

7) Dem Rheinbunde muß Preußen ja nicht beitreten, weil es da= durch der Abhängigkeit das Signal aufdrücken und sich zum Vasallen Napoleons stempeln würde. Es bewahre wenigstens den Schein der Independenz, bis es die Wirklichkeit wieder an die Stelle setzen kann! Selbst angebotene Vorteile dürfen Preußen nicht hiezu bewegen.

9) Rußland hat Preußen schändlich verlassen. Um aber den Charakter der russischen Treulosigkeit, das künftige Benehmen gegen diese Macht und den Grad des Vertrauens richtig zu bestimmen, das man auf sie setzen kann, ist es durchaus nötig, auf die Umstände Rücksicht zu nehmen und auf die Personen, welche dabei gewirkt haben....

Preußen muß Rußlands Nachbarschaft und Macht immer scheuen und schonen. Jezt muß es solches so fest als möglich an der Allianz und den durch die Bartensteiner Konvention eingegangenen Verbindlichkeiten, an den mündlich und schriftlich so oft und so heilig wiederholten Versicherungen des Kaisers halten, sich desselben als Stüße gegen Frankreich, als Vermittler streitiger Punkte bedienen und von seiner Freundschaft den möglichen Ersatz des erlittenen Verlusts und Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten fortgesetzt begehren. .

10) Österreich hat gesäumt, uns zu retten. Wir dürfen ihm darüber keine Vorwürfe machen, weil wir leider 1805 ebenso und viel ärger handelten, die Erfüllung übernommener Verbindlichkeiten absichtlich verzögerten und dadurch ein Mißtrauen veranlaßten, welches offenbar dazu beigetragen hat, Österreich zurückzuhalten. Aber es wäre auch unpolitisch, deshalb Mißvergnügen oder Mißtrauen zu zeigen. Preußens angelegentliche Sorge muß sein, sich unvermerkt immer mehr an Osterreich anzuschließen und die Freundschaft und das Zutrauen dieses Staats zu gewinnen. Eine Vereinigung mit Österreich, England und den anderen, minderen Mächten kann noch einmal Europa von der Sklaverei retten.

III. Grund-Verfassung des Inneren.

Auf einer recht zweckmäßigen Einrichtung der Grund-Verfassung des Innern beruht jetzt die Hoffnung und die künftige Existenz des preußischen Staates. Hier gilt es vor allem, harmonisch mit dem Zeitgeist und dem Weltplan der Vorsehung zu verfahren; und wenn es auch sonst Bedenklichkeiten haben könnte, die Verfassung zu ändern, so verschwinden sie in der gegenwärtigen Lage des Staates. . . . .. Will man den Staat retten, ihn wieder aufblühen sehen, so säume man nicht, die einzigen Mittel dazu zu ergreifen. Ein Phönix erstehe aus der Asche.

Der Herr Geheime Finanz-Rat von Altenstein hat diesen wichtigen Gegenstand vorzüglich schön abgehandelt; ich pflichte ihm aus voller Uberzeugung bei und kann mich also desto kürzer fassen.

Man schrecke ja nicht zurück vor dem, was er als Hauptgrundfaß fordert: möglichste Freiheit und Gleichheit....

1. Der Adel.

Was der Herr Verfasser in Absicht auf den Adel sagt, hat meine vollkommenste Zustimmung. Unfre Meinung erhält vielleicht dadurch einiges Gewicht mehr, daß wir beide zu dem ältesten Adel gehören. Möge sie beherzigt werden und Eingang finden! .

a. Jede Stelle im Staat ohne Ausnahme sei nicht dieser oder jener Kaste, sondern dem Verdienst und der Geschicklichkeit und Fähigkeit aus allen Ständen offen. Jede sei der Gegenstand allgemeiner Amulation und bei feinem, er sei noch so klein, noch so geringe, töte der Gedanke das Bestreben: dahin kannst du bei dem regsten Eifer, bei der größten Thätigkeit, dich fähig dazu zu machen, doch nie gelangen. Keine Kraft werde im Emporstreben zum Guten gehemmt!

b. Das alleinige Vorrecht des Adels zu dem Besitz der sogenannten Rittergüter ist, wie der Herr von Altenstein richtig ausgeführt hat, so schädlich und so wenig mehr für unsre Zeiten und Verfassungen passend, daß die Aufhebung desselben durchaus notwendig ist, sowie die aller übrigen Vorzüge, welche die Gesetze bisher bloß dem Edelmann als Gutsbesitzer beilegten.

d. In Absicht auf die Freiheit von Abgaben treten verschiedene wichtige Betrachtungen ein. Eine völlige Gleichheit sollte aus vielen Gründen auch hiebei stattfinden. Der Adel leistet die Dienste nicht mehr unentgeltlich und mit beträchtlichem Kostenaufwande, weshalb er befreit blieb. Gerechtigkeit fordert seine Beiziehung zu den Staatslasten und ihre gleichheitliche Verteilung.

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2. Der Bürgerstand.

Dadurch, daß einem jeden der Zugang zu allen Stellen, Gewerben und Beschäftigungen eröffnet wird, gewinnt der Bürgerstand und muß dagegen auch seinerseits auf alles Verzicht leisten, was andere Stände bisher ausschloß.

3. Der Bauernstand.

Der zahlreichste und wichtigste, bisher allerdings am mehrsten vernachlässigte und gedrückte Stand im Staate, der Bauernstand, muß notwendig ein vorzüglicher Gegenstand seiner Sorgfalt werden. Die Aufhebung der Erbunterthänigkeit müßte durch ein Gesetz kurz und gut und sogleich verfügt werden. Ebenso wären die Gesetze zu widerrufen, wodurch der Bauer verhindert wird, aus dem bäuerlichen Stande herauszutreten. Die Militärverfassung wird, wenn bei derselben richtige Bestimmungen angenommen werden, hierunter nicht leiden. Man erleichtere ferner den Bauern die Erlangung des Eigentums, es sei in Rückficht auf neue Erwerbungen, oder auf die Abkaufung der gutsherrlichen Rechte. Die Frohnverfassung aufzuheben, ist nicht notwendig. Oft ist sie nicht nur nicht lästig, sondern sogar dem Dienstpflichtigen vorteilhafter, als eine Geldabgabe, nachdem die Lokalumstände sind. Verände rungen hierin überlasse man der freiwilligen Übereinkunft und begünstige sie nur durch die Gesetze, indem man die Grundsäße bestimmt, nach denen die Naturaldienstleistung abgekauft werden kann. Der Willkür und dem Drückenden sete man Schranken durch feste Bestimmungen. Den größten

und schädlichsten Druck verursachen aber die Kriegs- und Dienstfuhren oder der sogenannte Vorspann, weil er den Bauer nötigt, aufs ungewisse mehr Zugvieh zu halten, als er bedarf; weil er dadurch oft auf mehrere Tage in seinen Arbeiten gestört und von seinem Hofe entfernt wird; weil endlich diese Last so ungleich auf das Land verteilt ist. . . .

5. Herstellung des möglichst freien Gebrauchs der Kräfte der Unterthanen aller Klaffen.

Aus dem Hauptgrundsatze, daß die natürliche Freiheit nicht weiter beschränkt werden müsse, als es die Notwendigkeit erfordert, folgt schon die möglichste Herstellung des freien Gebrauchs der Kräfte der Staatsbürger aller Klaffen. Über den zu erleichternden Besitz der Grundstücke ist schon oben das nötige gesagt; auch ihre Benutzung muß frei sein und die Hindernisse, welche man ihr so häufig in den Weg gelegt hat, im Wahn, das Wohl des Staates zu befördern, müssen weggeschafft werden, sei es durch Aufhebung übel gewählter Polizeigesete, oder schädlicher Vermischungen der Eigentumsrechte.

Die Ausübung persönlicher Kräfte zu jedem Gewerbe oder Handwerke werde frei und die Abgabe darauf gleich in den Städten und auf dem Lande. Die Abschaffung der Zünfte und der Taxen, wo nicht auf einmal, doch nach und nach, so wie der Herr von Altenstein es angibt, würde festzusetzen sein, sowie die möglichste Beseitigung aller ältern Monopole. Neue würden nicht erteilt. Vorzüglich aber ist es nötig, sich auch mit der Abschaffung der Zwangsrechte, als des Mühlen-, Brauzwanges 2c. zu beschäftigen. Die Lästigkeit und der Druck derselben sind anerkannt, und es kommt nur darauf an, eine Entschädigung dafür auszumitteln, deren Ausfindung wohl nicht fehlen kann.

203.

Über die preußische Heeresreorganisation.

a.

Über den Anspruch auf Offizierstellen und über militärische Strafen.

1807.

(Aus den Berichten der Militärreorganisations-Kommission' an König Fr. Wilhelm III. Klippel, Das Leben des Generals v. Scharnhorst, III, 310 ff. Leipzig 1871.)

In der königl. Vorlage heißt es: 5. Würde mit dem Eintritt der Un= adligen nicht eine Abänderung zu treffen sein, und solche mehr zugelassen werden müssen?" Hierüber bemerkt die Kommission:

Einen Anspruch auf Offizierstellen können im Frieden nur Kenntnisse und Bildung gewähren, im Kriege ausgezeichnete Tapferkeit, Thätig

1 Diese Kommission wurde vom Könige am 25. Juli 1807 eingesezt und Scharnhorst zum Vorsitzenden bestimmt. Der König hatte selbst eine 19 Punkte umfassende Vorlage (s. Klippel III, 301) ausgearbeitet. Bereits am 31. Aug. 1807 erfolgte die erste Eingabe der Kommission über Punkt 1 und 2 der königl. Vorlage; die zweite Eingabe vom 25. Sept. bezog sich auf Punkt 3–6, die dritte im Spätherbst vollendete, auf die übrigen 13 Punkte.

keit und Überblick. Aus der ganzen Nation müssen daher alle Individuen, die diese Eigenschaft besitzen, auf die höchsten militärischen Ehrenstellen Anspruch machen können. Indem man bisher einem einzigen Stande diese Vorrechte gab, gingen alle Talente und Kenntnisse des übrigen Teils der Nation für die Armee verloren, und dieser Stand sah sich gar nicht in die Notwendigkeit versett, sich die militärischen Talente zu erwerben, da seine Geburt und eine lange Lebensdauer ihn zu den höchsten militärischen Ehrenstellen hinaufbringen mußte. Hierin liegt der Grund, warum die Offiziere in ihrer Bildung gegen alle übrigen Stände so weit zurück waren. Aus eben diesem Grunde wurde die Armee als ein Staat im Staate angesehen, von den übrigen Ständen gehaßt und zum Teil verachtet, da sie doch die Vereinigung aller moralischen und physischen Kräfte aller Staatsbürger sein sollte. Die Vergleichung Preußens mit den sich bildenden benachbarten Staaten, die zum Teil aus ehemaligen Mitbürgern des preußischen Staats bestehen, und welche diese Fehler abgeschafft haben, würde die bisherigen Verhältnisse um so drückender machen, und schon aus diesem Grunde würde eine Abänderung notwendig sein.

In früheren Zeiten fand im preußischen Staate das ausschließliche Recht des Adels zur Offizierstelle gar nicht statt; unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm bestand die Hälfte der Offiziere aus Unadligen, ebenso unter König Friedrich I. Das weitere Avancement nach Anciennetät verhinderte jeden Wetteifer; man bedurfte ja keiner Anstrengung; eine gesunde Leibeskonstitution gewährte alles, was man wünschte. Zur Aufrechthaltung der Armee blieben dem Staate nur Strafen und willkürliche Belohnungen. Erstere sind leicht auszuweichen, lettere schwer anzuwenden und selten mit den Kräften des Staats übereinstimmend.

Die durch Wetteifer erzeugten Talente und das gesetzliche Emporkommen des dadurch erzeugten Genies gingen der Armee und dem Staate gänzlich verloren. Zu den zum vorigen Artikel gehörigen Deliberationen2 sind einige Vorschläge aufgestellt worden, die wenigstens bei der Anstellung zum Offizier diesem Nachteil zuvorkommen sollen. Eine weitere Ausdehnung dieser Grundsätze bei den folgenden Graden würde das einzige Mittel sein, um diesem großen Zwecke überall zu entsprechen.3

Bei dieser Einrichtung würde es unumgänglich notwendig sein, daß dagegen die bisherigen Einschränkungen des Adels aufgehoben würden und er die Freiheit erhielte, seine Güter, an wen er wolle, verkaufen und alle Beschäftigungen treiben zu dürfen.1

Die königl. Vorlage lautet 12: „Sobald aber bei der Rekrutierung weniger Eremption stattfindet, müßte mit den militärischen Strafen eine Änderung geschehen, und sie zwar eben so strenge, aber weniger diffamierend anzuordnen sein, deshalb eine Umänderung der Kriegsartikel vorzunehmen wäre."

Diese Veränderung wird dringend nötig, sobald die Armee aus lauter Einländern besteht und wie so sehr zu wünschen ist

auch

2 über Verhinderung der Anstellung unbrauchbarer Offiziere. 3 Zusaß des Königs: „Eine zweite Prüfung kann stattfinden bei dem Avancement zum Major. Wer sich derselben nicht unterwerfen will, leistet Verzicht auf dieses Avancement und bleibt Kapitän." Vgl. Quellenbuch Nr. 208, § 2.

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