Page images
PDF
EPUB

Generale und Offiziere, eine nur noch größere Strenge der Marschordnung zu beobachten. Die Bataillone mußten im Tritt und genauester Richtung, die Züge mit gehörigen Distanzen marschieren. Wehe dem Unteroffizier, der seine Distanz, dem Soldaten, der Tritt oder Richtung verlor; Fuchtel und Stock regierte nach gewohnter Art wie auf dem Exerzierplatz.

Es war 1 Uhr, als die Spitzen unserer Kolonnen die Marschrichtung nach Jena änderten, die Chaussee überschritten und sich gegen Kapellendorf wandten. Noch konnten wir nichts vom Schlachtfelde sehen, ebensowenig mit Bestimmtheit über den Stand der Dinge urteilen. Frohen Muts, durch die empfangene Nachricht mit neuen Hoffnungen erfüllt,3 schritt der Soldat unter lautem Gesange vorwärts. Das beliebte Frisch auf, Kameraden" ertönte in beständiger Wiederholung und wurde, je näher wir dem Orte der Entscheidung kamen, mit steigender Begeisterung gesungen, bis endlich das Pfeifen der Kugeln dem Schwanengesange ein Ende machte...

"

b.

Scharnhorft über die Schlacht bei Auerstädt.

(Brief an seinen Sohn Wilhelm. Klippel, Das Leben des Generals v. Scharnhorst, III, 176. Leipzig 1871.)

Lübeck, d. 5. Nov. 1806.

Mein lieber Wilhelm! In einem Wirbel von unaussprechlichen Arbeiten, Unruhen und Fatiguen habe ich seit 21 Tagen auch nicht einen Augenblick Zeit gehabt, an Dich, mein innigst geliebter Sohn, zu schreiben. Eine unglückliche Schlacht am 14. und eine Menge Arrieregarden-Gefechte und 21 Märsche, jeden von 5-7 Meilen, zum Teil in der Nacht, habe ich glücklich überstanden. In der Schlacht habe ich einen Schuß in die Seite bekommen, der in 8 Tagen geheilt sein wird; eine andere Kugel ging durch die Chenille an der Schulter, wo sie wattiert war, und streifte mich nur. Ein Pferd verlor ich auf der Stelle, das andere wurde mir verwundet und trug in der Not den Prinzen Heinrich aus der Schlacht, nachdem sein Pferd erschossen war, und er nicht gehen konnte; ich schlug mich mit einer Muskete in der Hand mit den letzten Musketieren durch. Ich hatte viel Glück. Der linke Flügel, den ich dirigierte, siegte, und nur erst als der rechte geschlagen, und der Feind dem linken in Rücken kam, wurde der linke gezwungen, sich zurückzuziehen. Das schlechte Betragen mehrerer Kavallerie-Regimenter, die Konfusion im Kommando, das Zurückhalten des Reserve-Corps, 2/3 der Armee unter Kalkreuth, entzog uns den Sieg. Ich war rasend, klagte bei dem König, als ich aus der Schlacht kam, alle die an, welche es verdienten.

3 Um 12 Uhr hatte ein Adjutant des Generals v. Rüchel dem Korps folgende, angeblich vom Fürsten Hohenlohe gesandte Bleistiftnotiz mitgeteilt: „Eilen Sie, General Rüchel, den schon halb errungenen Sieg mit mir zu teilen; ich schlage den Feind auf allen Punkten.“

Seit dieser Zeit hielt ich mich an den Mann, mit dem ich glaubte etwas ausrichten zu können, den General v. Blücher. Wir haben die Arrieregarde 21 Tage gemacht, eine Menge Gefechte geliefert und die meisten glücklich, sind aber nicht über die Oder gekommen, weil wir 3 Tagemärsche zurück waren.

Diesen Brief endige ich in Lübeck, ich fing ihn an in Gadebusch. . Adieu, mein bester Sohn.

v. Scharnhorst.

197.

Das Unglück Preußens in seiner Wirkung auf die Königliche Familie.

(Gräfin Voß, 69 Jahre am preußischen Hofe. Leipzig 1876.)

1. Januar 1807.

So hat Gottes Gnade mich denn noch dies Jahr erleben lassen. Ach! seit dem Monat Oktober haben uns nur Unheil und Schrecknisse aller Art verfolgt. Gott wolle sich unser erbarmen und die Feinde vernichten, die unser armes Land verheeren.

[ocr errors]

Der König ist sehr besorgt, die arme Königin ist es auch, was sie sehr angreift und ihr schadet.

2. Januar.

Die Königin etwas besser. Sehr unerfreuliche Nachrichten; General Lestocq hat viel Leute verloren und sich zurückziehen müssen.

Die Königl. Kinder reisen morgen nach Memel, und wir gehen nach, sobald es irgend geht. . .

[ocr errors]

5. Januar.

Ich reiste mit meinen Kammerfrauen bei einem entsetzlichen Wetter ab. Bei der ersten Station mußte ich liegen bleiben; Sturm und Regen waren so toll, daß die Pferde nicht weiter konnten. Die Königin reiste um 12 Uhr mittags ab mit der Viereck und ihrer Kammerfrau, der Schadow, und kam glücklich bis Kreuz.

Man sagte uns, die Franzosen seien schon bei Heilsberg.

7. Januar.

Es war ein toller Sturm mit dichtem Schneegestöber, und der Weg dicht am Meere, ohne jeden Schutz gegen den Orkan, war überdies ganz abscheulich. Um 3 Uhr kam ich nach Schwart, wo ich nach vieler Mühe und langem Umherfahren endlich ein bescheidenes Unterkommen beim Schulmeister fand. Die Herrschaften kamen bald darauf auch an; der König schickte mir ein bischen Bouillon; die Königin war troß der großen Kälte gottlob ziemlich wohl.

8. Januar.

Ich hatte auf der Erde geschlafen, da kein Bett zu haben war, aber ich schlief doch ganz gut. Der König fuhr früh weiter; ich konnte erst um 8 Uhr Pferde bekommen. Um 11 Uhr kamen wir am Haff an, stiegen in ein Boot und waren um 1 Uhr in Memel.

Die Königin kam ganz zu Wagen und deshalb etwas später. Da fein Sessel da war, um sie aus dem Wagen die Treppen hinauf zu tragen, so trug sie ein Bedienter auf dem Arm, was mir weh that mit anzusehen..

Die Minister Stein und Voß sind beide entlassen. . . .

10. Februar.

Am 7. und 8. ist denn wirklich eine sehr blutige Schlacht gewesen in der Nähe von Eylau, aber die Russen haben sich wieder zurückziehen müssen; es heißt allerdings geordnet und ohne Niederlage. Ein Offizier brachte die Nachricht und sagte, die Franzosen hätten 12,000 Mann verloren und die Russen nur 8000. Die alliierte Armee hat Wunder der Tapferkeit gethan und 12 Adler genommen. Abends kam ein zweiter Offizier, der diese Adler nach Petersburg bringt, und einer derselben wurde der Königin gebracht. Das ist sehr schön und ehrenvoll, aber es ist doch kein Sieg..

16. Juni.

Bennigsen hat die Schlacht bei Friedland am 14. verloren, Lestocq hat sich auf Labiau zurückgezogen. Die Königin war in Verzweiflung, der König ganz gebrochen, Hardenberg allein ruhig, aber auch sehr gebeugt. . .

26. Juni.

Heut war ein sehr trauriger Tag für die arme Königin, aber auch für mich und alle, die ihr Vaterland lieben. Es hat eine Zusammenfunft der drei Monarchen stattgefunden. Der Ort, wo sie sich trafen, ist ein kleines Haus auf der Brücke vor Tilsit. Die arme Königin weinte lange..

28. Juni.

Heut kam ein Brief des Königs an die Königin über die Zusammenfunft am 26. Dieser elende Napoleon hat den König mit gesuchter Gleichgültigkeit und Kälte behandelt, und er schreibt sehr aufgeregt und entrüstet. Es waren zwei kleine Häuschen auf der Brücke über die Memel errichtet; in dem einen waren die beiden Kaiser, in dem andern der König. Welche Insolenz gegen ihn! Auch aßen die beiden Kaiser dann zusammen in Tilsit, unser König mußte allein in einem Dorfe,*) eine Meile von der Stadt, bleiben. Welch' entsetzliche Friedensbedingungen werden wir bekommen nach einem Vorspiel von so ausgesuchter Feindseligkeit und solchem Übermut.

*) Pikkupönen.

3. Juli.

Wir erhielten den Befehl des Königs, nach Tilsit zu kommen, und das bereits morgen. Alle in wahrer Verzweiflung!

4. Juli.

Mit den

Um 8 Uhr früh abgereift, das Herz voll Kummer. Relais erhielt die Königin einen Brief des Königs, der ihr sagte, daß er Hardenberg entlassen müsse, weil Napoleon es peremptorisch verlange. Wie schändlich und schmachvoll ist das allein schon! Endlich kamen wir in dem Dorfe Piktupönen an. . . .

5. Juli.

Kalkreuth hatte geschrieben, daß, wenn die Königin nach Tilsit fäme, Napoleon ihr dort seinen Besuch machen werde, und das sie zum Diner bei ihm eingeladen sei, das gegen 9 Uhr abends stattfände. . . . 6. Juli.

Um 4 Uhr fuhren wir fort mit einer Eskorte der Garde du Corps über die fliegenden Brücken, waren um 5 Uhr in Tilsit und stiegen in dem Quartier des Königs ab. Eine Viertelstunde später kam Napoleon. Ich empfing ihn mit der Gräfin Tauenzien am Fuße der Treppe. Er ist auffallend häßlich, ein dickes, aufgedunsenes, braunes Gesicht; dabei ist er forpulent, klein und ganz ohne Figur; seine großen runden Augen rollen unheimlich umher; der Ausdruck seiner Züge ist Härte; er sieht aus wie die Inkarnation des Erfolges. Nur der Mund ist schön geschnitten, und auch die Zähne sind schön. Er war äußerst höflich, sprach sehr lange Zeit allein mit der Königin, und dann fuhr er fort. Gegen 8 Uhr begaben wir uns zu ihm, da er aus Rücksicht für die Königin sein Diner früher bestellt hatte. Während der Tafel war er sehr guter Laune und sprach sehr viel mit mir. Nach Tische hatte er eine lange Konversation mit der Königin, die auch ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis derselben war. Gott wolle geben, daß es zu etwas hilft! Wir famen um Mitternacht nach Pikkupönen zurück..

7. Juli.

Da es stürmisch war, konnten wir nur sehr langsam über die fliegende Brücke fahren. Als wir beim König abgestiegen waren, erfuhren wir von diesem, daß Napoleon alles, was er am gestrigen Tage der Königin versprochen, bereits widerrufen habe und selbst in der Härte seiner Forderungen noch weiter gegangen sei, als er es vor der Zusammenfunft mit ihr gethan hatte. . . . Später kam der General Barbier, der die Königin zum Diner einlud. Wir fuhren sogleich hin, und Barbier begleitete die Königin. Napoleon sah verlegen und zugleich tückisch und boshaft aus. . . Nach Tische sprach die Königin noch einmal allein mit Napoleon; beim Fortgehen sagte sie ihm, sie werde abreisen und empfinde es tief, daß er sie getäuscht habe. Meine arme Königin, sie ist ganz in Verzweiflung! .

11. Sept.

Die Königin ist schrecklich unglücklich, daß an allen Orten, wo der Konvention zufolge die Franzosen abmarschieren sollen, sie fort und fort bleiben und die armen Einwohner vollends an den Bettelstab bringen. . . . Die Herrschaften sind beide recht leidend; all dieser Kummer muß ihre Kräfte erschöpfen. Wie sollen sie dies Maß von Leiden ertragen! — Die arme Königin weint zu viel!

11. November.

Ich erhielt das Verzeichnis von allem, was die Franzosen teils offiziell aus Berlin nach Paris fortgeschafft, teils einfach geraubt haben, ebenso aus den Königl. Schlössern, wie aus Potsdam; meistens Statuen, Bilder, Porzellan, Vasen, Kostbarkeiten und Kunstwerke aller Art. Es ist eine unglaubliche Liste.

1. April 1808.

Von heut an hört der Tisch der Offiziere bei uns auf; ich ging heute noch zu ihnen hinein, um Abschied zu nehmen; es that mir weh. Leider werden von Tag zu Tag mehr Einschränkungen im Königl. Haushalte notwendig; auch ich verzichte auf einen Teil meines Gehaltes.

3. April.

Alle die armen Offiziere, die hier durchkommen, sind jezt auf halben Sold gesetzt, und es gibt viele, die auch nicht das allergeringste von Sold mehr nehmen. Man weiß, daß manche dieser treuen armen Offiziere Holz hauen, um ihr Brot zu verdienen, andere bei den Bauern in der Wirtschaft und auf dem Felde arbeiten, nur um leben zu können; ist das nicht ein grausames, hartes Geschick?

198.

Gneisenaus Abschiedsschreiben an die Bürgerschaft zu

Kolberg.
8. August 1807.

(Joachim Nettelbed. Eine Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgezeichnet. 2. Teil, S. 182. Hersg. v. Haken. 3. Aufl. Leipzig 1863.)

Meine Herren Repräsentanten der patriotischen Bürgerschaft zu
Kolberg!

Da ich auf unsers Monarchen Befehl mich eine Zeit lang von dem mir so lieb gewordenen Kolberg trenne, so trage ich Ihnen, meine Herren Repräsentanten, auf, den hiesigen Bürgern mein Lebewohl zu sagen. Sagen Sie denselben, daß ich ihnen sehr dankbar bin für das Vertrauen, das sie mir von meinem ersten Eintritt in die hiesige Festung an ge= schenkt haben. Ich mußte manche harte Verfügung treffen, manchen hart

« PreviousContinue »