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128.

Aus der

Instruktion Friedrich Wilhelms I. für die Erziehung des Kronprinzen Friedrich.

13. August 1718.1

(Cramer, Fr., Zur Geschichte Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. Leipzig 1833. S. 1-20.)

Nachdem es dem höchsten Gott gefallen, Mir bis jetzo Meinen Sohn und Erben so vieler Lande, womit dessen Güte mich gesegnet hat, zu lassen, und Mir wohlbekannt, wie hoch daran gelegen, daß derjenige, von dessen Regierung das Wohl und das Wehe so vieler Lande dependieret, bald von seiner zarten Kindheit an zum Guten und zu allen einem großen Fürsten anständigen Tugenden vermittelst einer sorgfältigen Erziehung, als mit welcher das Heil und die Wohlfahrt so vieler Menschen verknüpft ist, angeführet werde, so habe ich schon längst Meine fürnehmste Sorge dahin gehen lassen, wie Ich vor diesen Meinen geliebten Sohn einen solchen Oberhofmeister und Sousgouverneur finden möchte, von deren Kapazität Ich ein so großes Gut, nämlich eine anständige und glückliche Erziehung, erwarten und denen Ich dannhero ein so teures Pfand und die Hoffnung so vieler Lande anvertrauen und übergeben fönnte.2

Vor allen Dingen wird dahin zu sehen sein, daß das Gemüt, woraus alle menschliche Handlungen herfließen, dergestalt formiert werde, daß es von der ersten Jugend an eine Lust und Hochachtung zur Tugend, hergegen einen Abscheu und Ekel vor die Laster bekomme.

Hierzu kann nichts mehr helfen, als daß die wahre Gottesfurcht beizeiten in das junge Herz dergestalt eingeprägt werde, daß sie Wurzel fasse und im ganzen Leben, auch zu der Zeit, wo feine Direktion oder Aufsicht mehr statt hat, ihre Früchte hervorbringe.

Und gleichwie andere Menschen durch Belohnungen und Strafen der höchsten Obrigkeit vom Bösen ab und zum Guten angeführet werden, also muß solches allein die Furcht Gottes bei großen Fürsten, welche kein menschliches Gericht, Strafe und Belohnung erkennen, auswirken.3...

Was sonst zum Unterricht im Christentume und zur Übung der Gottseligkeit erfordert wird, solches wird der Oberhofmeister ebenmäßig zu besorgen und darob zu halten wissen, als daß

1. Mein Sohn, nebst allen seinen Bedienten morgens und abends das Gebet auf den Knieen verrichte;

1 Diese Instruktion beruht im wesentlichen auf der, nach welcher Friedrich Wilhelm I. selbst erzogen worden war. Vergl. oben S. 215. In neuer Orthogr., weil vom Herausg. nicht streng in der alten wiedergegeben. 2 Zum Oberhofmeister wurde Generallieut. Graf v. Finkenstein, zum Sousgouverneur Obrist v. Kalkstein bestellt. 3 Kurz vorher heißt es, daß eine heilige Furcht und Veneration vor Gott das einzige Mittel sei, die von menschlichen Geseßen und Strafen befreite souveräne Macht in den Schranken der Gebühr zu erhalten.

2. nach geendigtem Gebet ein Kapitel aus der Bibel lese, und das nicht obenhin, sondern daß allemal nach der Vorlesung der fürnehmste Inhalt kürzlich wiederholet, und dafern einige schöne Sprüche, welche sich auf meines Sohnes Zustand schicken, darinnen zu finden, selbige extrahieret werden, damit Er dieselben wiederholen und auswendig lernen könne, wie denn solches auch mit den nützlichsten Liedern und kurzen Gebeten gehalten werden kann;

7. von denen Opern, Komödien und andern weltlichen Eitelkeiten abzuhalten und Ihn so viel möglich einen Degout davor zu machen; und weil die Veneration und der Gehorsam, so Kinder ihren Eltern schuldig seien, auch zur Pietät gehöret, so hat der Oberhofmeister und Sousgouverneur gleich anfangs und beizeiten Meinem Sohne beizubringen, was er mir und Meiner Frau vor Respekt und Submission, welche aber nicht knecht- und sklavisch sein muß, schuldig sei... Sollte aber Mein Sohn wider Verhoffen sich unartig und diesem nicht gemäß auf. führen, so sollen beide sie Ihm bedeuten, es der Königin zu hinterbringen, und müssen sie Ihm mit derselben allezeit schrecken, mit Mir aber niemalen.

Nächst der Gottesfurcht ist nichts, das ein fürstliches Gemüte mehr zum Guten antreiben und vom Bösen abhalten kann, als die wahre Glorie und Begierde zum Ruhme, Ehre und zu der Bravour, weshalb denn vor allen Dingen sowohl der Oberhofmeister, als der Sousgouverneur ihr einziges Augenmerk sein lassen müssen, Ihn von allem aufgeblasenen Stolz und Hochmut... auf alle Weise abwendig zu machen und zu dem Ende alle nur ersinnliche Mittel vorkehren; hingegen aber haben sie Ihn zur Menage, Sparsamkeit und Demut anzuhalten und dahin zu sehen, daß Er ein guter Wirt werde und sich hierzu nach und nach bequemen lerne. Da auch nichts schädlicher, als die Flatterie, so habt Ihr allen, welche zu Meinem Sohne kommen, solche bei Meiner größten Ungnade zu verbieten. .

Was die übrigen Studia und Wissenschaften, so einem Fürsten wohl anstehen, anbelanget, wird der Progreß darinnen mit dem Wachstume der Jahre gesuchet und dahin gesehen werden müssen, daß das nötigste zum ersten, alles aber ohne Efel und Verdruß erlernt werden möge, und weil solches fürnemlich auf die Dexterität des Präceptoris Duhan. ankommen wird, so hat der Oberhofmeister mit demselben, was nach und nach zu thun und vorzunehmen, zu concertieren und Mir davon, ob Ich es approbieren werde, zu berichten.

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Was die lateinische Sprache anbelanget, so soll Mein Sohn solche nicht lernen, und will Ich auch nicht, daß Mir einer davon sprechen soll, sondern sie sollen beide nur dahin sehen, daß er sowohl im Französischen als Deutschen eine elegante und kurze Schreibart sich angewöhne. Die Rechenkunst, Mathematik, Artillerie, Ökonomie muß er aus dem Fundamente erlernen; die alte Historie kann Ihm nur überhin, diejenige aber von unseren Zeiten und von 150 Jahren her muß Ihm aufs genaueste beigebracht werden. Das Jus natural und Gentium, oder Völkerrecht, wie auch die Geographie und was in jedem Lande remarquable, muß er vollkommen inne haben, absonderlich

aber muß meinem Sohne die Historie seines Hauses sorgfältig beigebracht werden. . .

4

Absonderlich haben sie beide sich äußerst angelegen sein zu lassen, Meinem Sohne die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen und Ihm zu inprimieren, daß gleich wie nichts in der Welt, was einem Prinzen Ruhm und Ehre zu geben vermag, als der Degen, und Er als vor der Welt ein verachteter Mensch sein würde, wenn Er solchen nicht gleichfalls liebte und die einzige Glorie in demselben suchte, wie dann auch der Oberhofmeister die Verfügung zu thun hat, daß dem Prinzen die Kriegs-Exercitia spielend bei den Recreations-Stunden beigebracht werden.

Nichts ist, das einem großen Fürsten besser anstehet und nötiger ist, als wohl reden, und das bei allen Vorfallenheiten, weshalb der Oberhofmeister und Sousgouverneur dahin zu sehen haben, daß der Prinz bei Zeiten durch Übungen angeführet werde. . .

(Nachdem weiter der körperlichen Übungen Erwähnung gethan und bestimmt worden ist, daß der Prinz in der unterrichtsfreien Zeit nie allein gelassen werden darf 2c.; nachdem ferner der König dem Oberhofmeister und Sousgouverneur zugesichert hat, sie in der Verwaltung ihres Amtes gegen jedermann zu schüßen und thre Autorität zu stüßen; nachdem auch die Zeit aufzustehen und schlafen zu gehen festgesezt worden, schließt der König mit folgenden Worten:)

Vor solche des Oberhofmeisters und Sousgouverneurs schwere Be dienung bin Jch billig bedacht, denenselben Meine gnädige Belohnung und Erkenntnis spüren zu lassen, und werde Ich selbige dergestalt einrichten, daß sie der Wichtigkeit ihrer Dienste und dieses Emplois, vermittelst dessen Ich ihnen das teuerste Pfand, so Ich auf der Welt habe, anvertraue und übergebe, proportionieret sein soll.5

129.

Friedrich Wilhelm I. und die Leibeigenschaft.

(Stadelmann, Preußens Könige_in_ihrer Thätigkeit für die Landeskultur. 4. Teil: Friedrich Wilhelm III., S. 195 ff. Leipzig 1887.)

a.

Ordre Friedrich Wilhelms I. an den Geheimen-Rat von Creuß.

(Eigenhändig.)

Dem Geheimen Etats-Rath von Creutz befehle hiermit an, die Leibeigenschaft von den Bauern abzuschaffen und sie zu FreyBauern zu machen, die Hoff- Wehren will Ich hiermit Erb- und eigenthümlich auf ihre Kindes Kinder schenken, dagegen sollen sie in jedem Amte einen körperlichen Eyd ablegen, daß sie Mir treu, holdt seyn

=

der Oberhofmeister und Sousgouverneur. 5 An diese Instruktion schließt sich „Das Reglement, wie Mein ältester Sohn Friedrich seine Studien zu Wusterhausen halten soll" an, welches den Erziehern am 3. Sept. 1725 (vgl. Koser, Friedr. d. Gr. als Kronprinz, S. 223) eingehändigt wurde.

wollen, ihre Präftanda fleißig entrichten, die Höfe nicht zu verlassen als mit dem Todt; und wenn sie abbrennen, will Ich sie Holz geben. Dagegen sollen sie die Bauerhöfe in guten Stand setzen und nicht so verfallen lassen, als wenn Krieg wäre. Wenn ein General Calamität ist, da Gott vor sey, alsdann will Ich sie als ein treuer Landes-Vater unter die Arme greifen. Creutz soll dieses alles so einrichten und diesen Meinen ernsten Willen bey der Königsbergschen Kammer-Registratur legen. Dieses gehet nur die deutsche Kammer an, der Litthauischen werde befehlen, was Ich da haben will; dieses gehet Litthauen nichts an.

Königsberg, den 17. Juni 1718.

Fr. Wilhelm.

b.

Bericht der oftpreußischen Kriegs- und Domänen-kammer wegen Aufhebung der Leibeigenfchaft auf den königl. Domänen nebft eigenhändigen Randverfügungen des Königs.

Königsberg, den 18. Juni 1718.

findet obbemeldete Amts-Kammer ihren theuren Eyden und Pflichten nach von unumgänglicher Nothdurft dabey' nachstehendes, jedoch sonder das geringste Maßgeben, vorzustellen, und zwar wie dabey zu be= sorgen, daß

1. der aus der Leibeigenschaft in die Freyheit gesetzte Bauer (und
zwar hauptsächlich aus denen Grenz- Aemtern) austreten, nach
Polen übergehen und als ein freyer Mann daraus nicht zu
reclamiren stehen werde; 2

2. der Bauer seine Söhne, wenigstens diejenigen, so auf dem väter-
lichen Erbe nicht continuiren können, und also bis sie zu Be-
setzung anderer Königl. Bauer-Erbe gebrauchet werden, bis hiezu 3
in denen Dörfern aufbehalten seyn, zu Handwerkern geben, und
folglich dadurch ein Mangel an guten Wirthen zu Besetzung
derer Königl. Bauerhöfe, auch sonsten guten Knechten zu Be-
stellung der Wirthschaft entstehen werde, welche herzustellen bis
hiezu die Unterthänigkeit das einzige Zwangmittel gewesen.*
4. Würde diese Freymachung dazu dienen, daß, da die bäuerliche
Unterthanen bis hiezu schuldig, ihre Kinder zu Dienstbothen auf
die Vorwerker zu geben, sie unter Vorschüßung der erhaltenen
Freyheit sich dawider legen, dadurch aber die Arrendatores in
ihren Wirthschaften sehr zurücke sezen würden.5 . . . und da
7. notorisch, mit wie vieler Mühe man die bäuerliche Unterthanen
aus einem Amte ins andere, oder auch nur aus einem Dorfe

1 näml. bei dem Befehl des Königs, die Aufhebung der Leibeigenschaft betr. 2 Randverf. des Königs: „in 5 Jahr wie viel habe wieder gekriegt mit 3 Leute." a bis jest. Randverf. des Königs: „ist Gottlos_schellmisch.“ 5 Randverf. des Königs: ist nichts."

ins andere zu Annehmung lediger Erbe bringen und leiten können, so ist in alle Wege zu befahren, daß die verliehene Freyheit auch dabeh noch mehrere Difficulte schaffen werde. Außer welchem auch noch

8. wohl zu ermessen stehet, ob Se. Königl. Majestät bey dergleichen der Unterthänigkeit entbundenen Leuten freye Hand behalten werden; dann man ihnen in Folge der Zeit mehreres Schaarwerk, oder bey sich bessernden Zeiten etwas mehres an Zins auferlegt, oder aber wenn sie bey vorkommender Verbesserung Sr. Königl. Majestät Revenues versetzet werden sollten, so dürften sie als freygesprochene Leute sich ungern dazu bequemen und auch hierunter ihre Freyheit mißbrauchen.“

Auf den am Schlusse des Kammerberichts gemachten Vorschlag, die neue Einrichtung probeweise zunächst nur mit einigen Dörfern vorzunehmen, bemerkt der König am Rande:

"

Die Kammer soll nur fleißig seyn und den Bauern recht zu verstehen geben, was sie vor einen Profit haben von der Freyheit, alsdann würde gewiß in etlichen Jahren das Land besser bebauet und gute conditionirte Amts Bauern haben, als ich jego pauvre Bauern habe; die Gebäude aussehen, als wenn Krieg im Lande 10 Jahre gewesen; in Vor-Pommern, da ich in Campagne mit der Armée gestanden und völlig ausfouragiret habe, siehet es nicht in den Dörfern so liederlich aus, als in Preußen in meinen Amts-Dörfern; weil es den Bauern nicht eigen ist, so sagen sie, der König muß decken lassen, der muß alles machen, ich bin Leibeigen; der Bauer rühret nichts an, ich habe mit den Bauern gesprochen, ich weiß alles.""

Friedrich Wilhelm.

6 Randverf. des Königs: „ich bleibe Herr, ich kann immer machen, wie ich es gut finde; die Bauern müssen thun, was ich will; es ist nicht so, wie mit einem Edelmann, der vor das Hof Gericht stehet mit der (?) Bauern, die nicht Leibeigen sind." 7 Nachdem Friedr. Wilh. 1718 den neuen Ansiedlern auf den königl. Domänen in Ostpreußen persönl. Freiheit und das Erbrecht am Gute zugesichert hatte, hob er durch die Patente vom 10. Juli 1719 und 24. März 1723 auch für die bisherigen Unterthanen der Domänen die Leibeigenschaft auf und bestimmte, daß sie ihre Höfe erblich besißen sollten und dieselben auch mit Einwilligung der Domänenkammern verkaufen könnten. In dem Edikt vom 22. März 1719, durch welches den Leibeigenen in den hinterpomm. und kaminschen Ämtern die Höfe zu eigen gegeben wurden, heißt es: „Der König hat in Erwägung gezogen, was es denn für eine edle Sache sei, wenn die Unterthanen statt der Leibeigenschaft sich der Freiheit rühmen, das Ihrige desto besser genießen, ihr Gewerbe und Wesen mit um so mehr Begierde und Eifer als ihr eigenes betreiben und ihres Hauses und Herdes, ihres Ackers und Eigentums sowohl für sich als die Ihrigen für Gegenwart und Zukunft desto mehr gesichert seien." (Vgl. Stadelmann, Friedr. Wilh. I. in f. Thätigk. f. d. Landeskultur Preußens, S. 76.) Der Köuig erreichte bei dem Mangel an Entgegenkommen seitens der Behörden fast nichts; er hat indes durch seine Bestrebungen eine wertvolle Tradition für sein Haus geschaffen.

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