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Zu der neuen Verbindung der vier Mächte gegen Na poleon wurden alle christlichen Mächte, selbst Ludwig 18, eingeladen. Der König von Spanien erklärte ebenfalls feinen Beitritt, nur daß er, wegen Rangstreitigkeiten, den Vertrag nicht unterzeichnen ließ. Von Brasilien erfolgte für Portugal der Beitritt erst, nachdem in Belgien bereits Napoleons Schicksal entschieden worden war. Dagegen schlossen sich die Schweiz, Danemark und sämmtliche teutsche Fürsten durch besondere Verträge den großen Maasregeln der Verbündeten gegen Napoleon an.

Zugleich wirkte Napoleons Wiedererscheinen und der bes vorstehende neue Weltkampf auf die Beendigung der Congreßangelegenheiten. Man fühlte, daß in einem so entscheidenden Augenblicke keine Zeit weiter zu verlieren wäre. Zuerst ward also die polnisch-sächsische Sache dadurch beseitigt, daß die Congreßmächte für Preußen, außer den übrigen Entschädigungsländern, die kleine Hälfte des Königreiches Sachsen und das Großherzogthum Posen bestimmten. Bei dem Könige von Sachsen, welcher von Friedrichsfelde (22. Febr.) nach Preßburg abgegangen war, erschienen (S. Márj) Metternich, Talleyrand und Wellington als Abgeordnete des Congresses. Sie unterhandelten drei Tage über seine Bus stimmung zu der Entscheidung des Congresses über die von ihm abzutretenden Länder; allein er erklärte (11. März) in einer Note, daß seine Staaten nicht als eroberte Länder zu behandeln wären, weshalb er auch die Gültigkeit der von den fünf Mächten festgeschten Abtretung nicht anerkennen könne; doch nehme er die Verwendung derjenigen Mächte an, welche bis jest Theilnahme für ihn gezeigt hätten. Weil nun von der Beendigung der sächsischen Angelegenheit die Beendigung der meisten übrigen Territorialausgleichungen abhing; so vereinigten sich (12. März) die Bevollmächtigten der fünf Mächte zu dem Beschlusse, daß Preußen den ihm bes stimmten Theil von Sachsen für immer in Besih nehmen, das aber, was dem Könige von Sachsen zurückgegeben werde, der einstweiligen Regierung Preußens unterworfen bleiben solle. Erst nach dieser entscheidenden Bestimmung willigte,

der König von Sachsen (6. Apr.) in die festgesette Länders abtretung, worauf (18. Mai) ein besonderer Friede zwischen Preußen und Sachsen abgeschloffen ward, der König nach Dresden (7. Jun.) zurückkehrte, und auch das sächsische Heer den Maffen der Verbündeten gegen Napoleon sich anschloß. Bald nach diesem Frieden ward (8. Jun.) die teutsche Bundesacte - freilich nur nach den allgemeinsten und (9. Jun.) ! Umriffen eines Staatenbundes aufgestellt, die allgemeine Congreßacte bekannt gemacht, worauf der Congreß sich auflösete, und die verbündeten Monarchen ihren Heeren über den Rhein folgten.

709.

Napoleons Rüstungen.

Oestreichs Krieg

gegen Murat von Neapel.

Napo

Die starke Erklärung der vier europäischen Hauptmächte vom 13. März 1815 ward zu Wien entworfen, bevor Nas poleon Paris erreicht und die Regierung als Kaiser wieder angetreten hatte. Nicht ohne kluge Berechnung der Verhältnisse erschienen im Moniteur (Apr.) Betrachtungen über diese Erklärung, in welchen die Meinung ausgesprochen ward, daß die Verbündeten bei der ganz veränderten Gestalt der Dinge einen andern Entschluß faffen würden. leon selbst schrieb (4. Apr.) an die verbündeten Monarchen mit dem Ausdrucke friedlicher Gesinnungen, obgleich seine und Caulaincourts Schreiben zurückgewiesen wurden; eben so waren die öffentlich mitgetheilten Adressen des Senats und Staatsraths an ihn, so wie die (29. März) von ihm erklärte Aufhebung des Negerhandels, und die Ergáns jungs acte*), welche er (22. Apr.) zur vierten Constitus tion Frankreichs vom Jahre 1799 mit zwei Kammern (einer Kammer der Pairs und einer Kammer der Repräsen tanten) und mit völliger Preßfreiheit gab, sämmtlich darauf berechnet, sich populår im In- und Auslande zu machen.

*) Sie steht vollständig in den europäischen Constitutionen Th. 1., S. 307 ff.

Hölip Weltgeschichte IV. 6te Aufl.

25

„Napoleón fey ja im Befihe des französischen Thrones; Ludwig 18 habe denselben selbst verlassen; es sey nirgends Blut geflossen; nirgends habe Widerstand statt gefunden; es bestehe in Frankreich kein Bürgerkrieg; auch beruhige sich Napoleon mit den im Pariser Frieden festgefesten Grenzen Frankreichs, und werde diese Grenzen, nur durch einen Ans griff dazu gezwungen, überschreiten.”

Die zu Wien versammelten Mächte fanden bei diesen diplomatischen Gegenwirkungen Napoleons, welche auf die Stimmung in Europa berechnet waren, für nöthig, eine bes sondere Commission (9. Mai) zu bilden, welche bestimmen sollte, ob, nach den in Frankreich eingetretenen neuen Verhältnissen seit Napoleons Rückkehr, und nach den in Paris erschienenen Bekanntmachungen, eine neue Erklärung nöthig geworden wáre, welches aber (12. Mai) die Commission verneinte, worauf das deshalb abgefaßte Protocoll, außer den Ministern der acht Mächte, welche den Pariser Frieden unterzeichnet hatten, auch von den Bevollmächtigten Dänemarkß, Siciliens, Sardiniens, der Niederlande, Bayerns, Sachsens, Hanno vers und Würtembergs unterzeichnet ward. Die Commission sprad) nämlich in ihrer Erklärung folgende Grundsäge aus: ,,die Freiheit eines Volkes, seine Regierungsform zu verändern, müsse gewisse Grenzen haben; fremde Mächte wären zwar nicht befugt, einer Nation vorzuschreiben, welchen Gebrauch sie von jener Freiheit machen solle; sie waren aber berechtigt, gegen dea Mißbrauch sich zu verwahren, welchen sie zum Nachtheile Anderer davon machen könnte. Zwar maßten sich die vers bündeten Mächte nicht an, den Franzosen eine Regierung aufzudringen; sie hätten aber bei ihrem Einzuge in Paris erklärt, daß sie nie mit Bonaparte unterhandeln würden, und diese Erklärung habe seine Verzichtleistung auf den Thron, und den Vertrag mit ihm vom 11. Apr. bewirkt. Der Friedens zustand zwischen Frankreich und Europa beruhe seit der Zeit auf dem Pariser Frieden, und diefer könne mit der Herrschaft Bonaparte's nicht bestehen. Deshalb hätten die Verbündeten einen offenen Krieg gewählt, und die Meinung der Völker habe sich dafür erklärt."

Bevor aber Napoleon noch seine neugebildeten friegeris schen Massen nach Belgien führte, wo zwei Heere unter Wellingtons und Blüchers Befehlen standen, ward das Schicksal seines Schwagers, des Königs Joachim Murat von Neapel, schnell entschieden. Obgleich seit dem 11. Jan. 1814 mit Oestreich gegen Napoleon verbündet, hatten doch seine Unthätigkeit im Felde, und die von Napoléon an ihn und seine Gemahlin geschriebenen und aufgefangenen Briefe es bewiesen, daß seine Politik erst den Erfolg abs warten, und bis dahin cine doppelte Rolle zwischen beis den kämpfenden Partheien zu seinem Vortheile spielen wollte. Sogleich nach Napoleons Sturze (1814) beschte Murat mit seinen aus Oberitalien zurückgezogenen Truppen die påpsts lichen Marken, von welchen ihm Oestreich 400,000 Einwohner zugesichert hatte, und lehnte die ihm (Aug. 1814) von Oests reid und Großbritannien gemachten Anträge ab, gegen ans derweitige Entschädigung, auf Neapel, zu Gunsten Ferdis nands 4, zu verzichten. In Wien war man daher, nach Eröffnung des Congresses, gemeint, ihm Neapel zu lassen, und Ferdinand den vierten zu entschädigen; doch wirkten später die drei boutbonischen Höfe, besonders die von Tals leyrand vorgelegten Briefe Napoleons an Murat und dessen Gemahlin, welche im Februar und März 1814 mit ihrem Bruder, dem Kaiser, fortdauernd in Verbindung geblieben war, so gegen ihn, daß Großbritannien (25. Jan. 1815) zu Wien erklärte, és halte sich, bei Murats bewiesenet Duplis citat, aller Verpflichtungen gegen ihn für entbunden. Mus rat, der damals mit den Carbonari einverstanden war, welche Italiens politische Einheit wünschten, und die vom Congreffe beabsichtigte neue Zerstückelung der Halbinseln in mehrere fleinere Staaten mißbilligten, rechnete zu viel auf Hefe in Italien allerdings laut gewordene Stimmung und auf fein eignes Feldherrntalent, als er sich für den Mann fielt, welcher Italiens politisches Geschick bestimmen könnte, and als er im Februar 1815, wo Napoleon bereits seinen Plan zur Landung in Frankreich beschlossen hatte, von Dest eich den Durchzug eines Heeres durch Mittel- und Obers talien verlangte, weil sich ein Heer Ludwigs 18 auf der

Grenze Italiens zusammengezogen hatte. Allein Destreich lehnte Murats Gesuch ab, und verstärkte seine Massen in Italien. Demungeachtet unterhandelte, nach Napoleons Landung in Frankreich, Murat noch mit Oestreich und Großbritannien, zugleich aber auch mit Napoleon, bis er die Maske abwarf, und von dem Papste, mit der Erklärung, ,,er betrachte Napoleons Sache als die feinige, und werde diesem beweisen, daß sie ihm nie fremd gewesen sey," den Durchzug seiner Truppen durch den Kirchenstaat, so wie von Oestreich die Befehung der früher verabredeten Demars cationslinie in Oberitalien verlangte.

Da jog Destreich, welches (7. Apr.) die ihm auf dem Congreffe zugetheilten italienischen Lånder, zur Befriedigung der Wünsche der Italiener, in das politische Ganze des neuen lombardisch - venetianischen Königreiches vereinigte, den offenen Kampf den längern fruchtlosen Unters handlungen vor, und erklärte (10. Apr.) an Murat den Krieg. Zwar hatte Murat (30. März) alle Italiener aufs gerufen, unter ihm für die Unabhängigkeit Italiens zu fechs ten; allein es gelang ihm nicht, sein Heer von 60,000 Mann über den Po zu führen, und daselbst die alten, noch an Nas poleons Siege gewöhnten, Soldaten mit sich zu vereinigen. Denn ob er gleich die Oestreicher aus Cesena (30. Már) verdrängte, und Bologna (2. Apr.) beseßte; so wurden doch die Neapolitaner vom Generale Bauer bei Ferrara, und vom Generale Mohr (8. und 9. Apr.) bei ihrem Angriffe auf den Brückenkopf von Occhiobello zurückgewiesen, und bald von den einzelnen vordringenden dstreichischen und toskanischen Heeresmaffen so überflügelt, daß Murat Bologna verlassen und sich nach Ancona zurückziehen mußte. Jest trug Mura auf einen Waffenstilstand an (21. Apr.); allein Bianchi der, an Frimonts Stelle, den Oberbefehl der Oestreicher er halten hatte, lehnte ihn ab, und besiegte die der Zahl nad überlegenen Neapolitaner unter der Anführung des König (2. und 3. Mai) bei Tolentino. Nirgends leisteten di Neapolitaner bedeutenden Widerstand; Unordnung, Manga an Tapferkeit und Kriegszucht, waren in ihren Massen un

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