Page images
PDF
EPUB

Das Ministerium der Girondißten.

Die Kriegserklärung.

Es gibt Vögel, die auf den bewegten Wogen ausruhen und im Sturme ungeheure Entfernungen zurücklegen. So gibt es auch Menschen, denen erst wohl wird in Unruhen und die der Stürme bedürfen, um die volle Schwungfraft ihrer Seele zu entfalten. Eine ähnliche Natur war Dumouriez, nun Minister des Äußern. Jeßt, da ganz Frankreich im Revolutionsfieber irreredete, fühlte er in sich den Beruf, es zu heilen; jeßt, da der Boden unter ihm zitterte, glaubte er erst Stärke unter den Füßen zu haben. Als Franzose wünschte er, dass sein Volk wieder die erste Stelle einnehme unter den Völkern; als Staatsmann verachtete er das Geschwäß von Freiheit und Gleichheit, von dem die National-Versammlung und der Jakobinerclub erdröhnten, weil er nur in einer gefunden Ordnung die Grundlage der Macht sah, und wünschte er darum ein starkes Königthum, glaubte aber, dass nur ein Krieg die zerrüttete Ordnung wieder herstellen könne; als Soldat hoffte er Frankreichs Heere zum Siege zu führen. Darum drängte er in den Verhandlungen zur Entscheidung, überzeugt, dass ein Volk, das sich in so tiefer Erregung befinde, nicht leicht zu besiegen sei, dass aber ein großer Krieg — und zwar sah er einen allgemeinen Krieg voraus die Atmosphäre reinigen werde.

"

Du

mouriez.

"Frankreich", klagt er,) war troß seiner Größe zu einer Macht zweiten Ranges herabgesunken. Die Revolution und das Treiben der Emigranten vernichteten es vollends und ließen es als Macht ganz bedeutungslos erscheinen." Die Vertreter bei den Höfen schienen ihm zu lahm und unzuverlässig, darum rief er viele Gesandte ab und that andere an ihre Stelle. Europa, meint er, 2) war in einer Täuschung befangen, wie Frankreich. Europa sah nur Unruhen und Spaltungen, und die Emigranten erzählten überall, dass die Armee durch die Auswanderung der Officiere zugrunde gerichtet, und dass die Nationalgarde ein Haufera muthloser Bürger sei, der einem geordneten Heere nicht zu widerstehen vermöge; meinte.

1) Dumouriez, Mémoires, II, p. 154.

2) Ibid. II, , p. 170-181.

Was

Europa

bon

Frank

dass man auf dem Lande nach geordneten Zuständen sich sehne, von der Verfassung nichts wissen wolle und mit Freuden die That begrüßen werde, welche den König in seiner Macht wiederherstelle. Das Ausland glaubte, Frankreich löse sich durch die Revolution auf, wie Polen, und werde zertrümmert werden; Spanien, Italien, Deutschland hätten auf die Widererlangung entrissener Provinzen ge rechnet, England auf den Gewinn französischer Pflanzstaaten. Frankreich aber sah Bas in allen Regierungen Europas, wenn sie auch nur die Übertriebenheiten der Rereich von volution missbilligten, nichts als das Treiben von Tyrannen. „Das Verhalten der meinte. Republiken gegen uns“, fährt er fort, 1) war klug aber kalt. Es blieb also unser

Frants

Europa

Preußen.

Gesandter in Venedig, es blieb in Nordamerika der vom Lafayette ernannte Ternant. Die Schweiz widerstand vorsichtig allen Aufreizungen gegen uns. Die Monarchien dagegen waren uns feindselig und lauerten nur auf eine Gelegenheit zum Angriffe. Der Papst grollte über den Verlust von Avignon und seines Einkommens; billigerweise hätte man ihn allerdings dafür entschädigen sollen, und es hätte sich auch mit ihm unterhandeln lassen, hätte die National-Versammlung mit ihrem gehässigen Vorgehen gegen den Clerus es nicht unmöglich gemacht." Zu einer Verhandlung mit den Maltesern und zu einer Entschädigung war Dumouriez bereit. „In Neapel und Parma regierten zwar Bourbonen, die Angst hatten vor der Verbreitung revolutionärer Ansichten, aber beide Staaten waren zu schwach. In Spanien war der König gleichfalls ein Bourbone, und durch den Familienvertrag von 1743 zu helfen verpflichtet, 2) allein durch die Verfassung war der Vertrag erloschen und Aranda, an den sich Dumouriez frei müthig wandte, versprach Neutralität. Auch England wollte neutral bleiben und die ganze Unklugheit Brissots und all der Übermuth des National-Convents und das grausame Verbrechen des Königsmordes waren nöthig, um es von dieser Bahn abzubringen und in den Krieg zu stürzen. Der Statthalter im Haag war in Sorge, dass unsere Revolution die Volkspartei in Holland aufrege; eine ruhige Betrachtung der Geschichte musste ihm sagen, dass er sich vor einem constitutionellen König in Frankreich nicht zu fürchten habe, wohl aber vor einem absoluten. Dänemark beobachtete eine weise Neutralität. Schweden verlor die Hilfsgelder, welche Frankreich ihm früher bezahlte." Von einer Antheilnahme der Jakobiner am Morde Gustavs III. behauptet Dumouriez keine Spur gefunden zu haben. Russland", erzählt er, 3) zeigte sich sehr erbittert gegen uns, vielleicht versteckte es damit eine tiefe Arglist; denn es konnte nur gewinnen, wenn es die Heere Preußens und Österreichs in die Ferne trieb und sich an den Festungen, mit denen Frankreich gespickt ist, zugrunde richten ließ. Die zweite Theilung Polens enthüllte seine Pläne." Die Türkei war des Handels wegen wichtig und zu schonen.

[ocr errors]

Hinsichtlich Deutschlands unterscheidet Dumouriez das Reich, Preußen und Österreich. Eine Entschädigung der Fürsten, die durch die Revolution Rechte und Besizungen verloren, war nur billig. — „Preußen“, sagt Dumouriez in seinen Denkwürdigkeiten, „musste man schonen, man durfte es nicht als Feind behandeln, selbst wenn man seinen Angriff zurückwies; man musste seine Sache von der Sache Österreichs trennen, um ihm

1) Vergl. seine Übersicht über die Lage Europas, Mémoires, II, p. 187–210. 2) Vergl. Bd. XI, S. 792 dieses Werkes.

3) Dumouriez, Mémoires, II, p. 195-197.

Wie Dumouriez mit Preußen und Österreich verhandelt. 443

ein Thor offen zu lassen zur Versöhnung, sobald man merkte, dass die unnatürliche Verbindung mit Österreich zu erkalten beginne.“

an

Ein Beweis dieser Stimmung liegt heute noch im preußischen Staats- Angebot archive, - der Antrag eines Sendlings von Dumouriez, Benoit, an den Breußen. Minister Schulenburg :') Frankreich wolle den Frieden bewahren und doch die monarchische Ordnung wieder herstellen. Das beste Mittel für beides wäre, dass der König von Preußen als Vermittler zwischen Frankreich und den deutschen Fürsten auftrete: Frankreich würde die vom Könige begehrte Entschädigung uneingeschränkt genehmigen und Preußen könne bei dieser Gelegenheit auf die Rückberufung der Emigranten unter billigen Bedingungen antragen, was für Frankreich nöthig wäre, und einige Änderungen in der Verfassung vorschlagen, je weniger, desto besser; nur auf dem Boden der Verfassung könnte die Macht des Königthums verstärkt werden an eine Wiederherstellung der Adelsvorrechte, der Kirchengüter und der großen Magistraturen sei jedoch ohne großen Widerstand und Gefahr nicht zu denken. Man gab in Berlin höflich ablehnende Antwort: keine Antwort. der beiden Mächte suche etwas anderes als Gerechtigkeit und Entschädigung der deutschen Fürsten; Preußen lasse sich von Österreich nicht trennen und werde nicht eher mit Frankreich Unterhandlungen eröffnen, als dort ein gesetzlicher Zustand mit solcher Macht hergestellt sei, dass sich in Sicherheit mit ihm unterhandeln lasse. Friedrich Wilhelm sah im Antrage nur den Versuch, die Verbindung mit Österreich zu lösen, und schloss daraus, dass in Frankreich die Furcht groß sei, dass man an keinen Angriff denke oder Zeit gewinnen wolle.

reich.

Umso entschlossener war Dumouriez zur Herausforderung gegen Öster- Öfterreich, denn dieses habe durch seine Unterstüßung der Emigranten sich feindselig gezeigt, habe, statt zu vermitteln, den König und die Verfassung und sich einen großen Einfluss und die Niederlande zu retten, nur eine harte, schneidige und stolze Sprache geführt. Diesem Verhalten seien Montmorin und Delessart zum Opfer gefallen. Kauniß habe im neuen Minister des Äußern nur einen rasenden Jakobiner gesehen, mit dem man nicht mehr unterhandeln dürfe, und nicht mehr selber, sondern nur noch durch Cobenz1 Antwort gegeben. Die National-Versammlung erwartete von ihm Klarheit der Lage; er fühlte, wie er uns schildert, dass, wenn er sie nicht zu schaffen vermöge, ihm das Schicksal Delessarts bervorstehe. Das Volk schrieb der Königin das hochmüthige Verhalten des Wiener Cabinetes zu und verfolgte diese mit seinem Hasse, den jenes erregte. Man sprach von einem österreichischen Ausschusse in den Tuilerien, und Montmorin galt als EfterHaupt desselben. Ich bin nie auf einen Beweis dafür gestoßen", sagt Dumouriez,2) Aus aber man sprach allgemein davon." In der Annäherung der Feuillans an den schuss. Hof sah man einen Beweis dafür, dass diese Partei im Bunde mit Österreich stehe.

"

1) Sybel fand ihn und theilt ihn mit in seiner Geschichte der Revolutionszeit. Bd. I, S. 375-377, 4. Auflage.

2) Dumouriez, Mém., II, p. 202.

reichischer

Antwort

18. März

Kaunis Als Dumouriez vom Gesandten Noailles entschiedene Antwort forderte, or sandte dieser eine Depesche von Kaunit, in welcher es hieß, die wenigen Ver1792. theidigungsanstalten des verstorbenen Kaisers kämen gegenüber den feindseligen Absichten Frankreichs, gegenüber den sträflichen Ränken der Jakobiner in Belgien in gar keinen Betracht. Seine apostolische Majestät könne sich nicht die Hände im voraus binden, niemand habe das Recht, ihr Schranken vorzuzeichnen; übrigens baue König Franz auf die Gerechtigkeit und Ehrliebe der französischen Nation, auf ihren Verstand und ihre Sanftmuth viel zu sehr, als dass er sich die Hoffnung versage, sie werde bald ihre Würde, ihre Tabel ber Unabhängigkeit, ihre Ruhe den Eingriffen einer blutdürftigen und wüthenden biner. Partei entreißen, welche sich mehr und mehr bestrebe, durch Aufruhr jedes Walten des Geseßes unmöglich zu machen, welche den König und die Verfassung vernichten wolle und die Treue der Verträge wie die heiligsten Pflichten des Staatsrechtes zu täuschenden Wortspielen mache. - Das war eine offene und männliche Sprache.

Jako.

Du

mouriez'

gegnung.

Vergebens sezte Dumouriez in einem neuen Schreiben alle Vortheile Ent auseinander, 1) welche das Bündnis mit Frankreich für Österreich, und alle Nachtheile, welche ein Krieg zur Folge habe, der ohnehin keinen stichhältigen Grund habe und durch einen Vergleich vermieden werden könne. Wegen Clubreden und Broschüren ziehe man doch nicht das Schwert, sonst hätte man längst gegen England einen Kreuzzug unternehmen müssen. Freie Äußerung seiner Ansichten ge währe die Verfassung, die der König auswendig wisse, die er liebe und durchführen wolle; sein Betragen sei unabänderlich, auf seine Offenherzigkeit dürfe man sich verlassen. Als Oberhaupt einer freien und großen Nation werde er alles thun, was mit seiner Würde sich vertrage, um einem auf so kindische Beweggründe sich stüßenden Kriege auszuweichen. Für Avignon, auf welches doch Frank reich niemals seine Ansprüche aufgegeben habe, könne ja der Papst entschädigt werden. Feierlich hätten ja die Franzosen auf jede Eroberung verzichtet, es werde ihnen also nie einfallen, den Belgiern zu sagen, sie sollten sich an Frankreich anschließen.

Noailles. Der französische Gesandte in Wien antwortete am 2. April, dass der junge König Franz eine große Unbeugsamkeit in Grundsäßen kundgebe, und dass die Regierung ihre Erklärung vom 18. März veröffentliche, und fragte: „Ist wohl eine stärkere Beleidigung möglich? Was gibt es nach diesem noch für Wege, die zur Unterhandlung offen blieben?" und bat seiner Stellung enthoben zu werden.

Forde

rungen

Am 5. April meldet Noailles, dass Fürst Kauniß schwer zu sprechen Franz I. sei, dass er sich deshalb an den Vicekanzler Grafen Cobenzl gewendet, dass dieser versichert habe, Franz I. sei weit entfernt, sich in die inneren Angelegenheiten Frankreichs zu mengen, und denke auf keine Weise daran, die Absichten der Ausgewanderten zu unterstüßen; dass man Verstärkungen in das Breisgau gethan habe, bloß weil man sie zur Aufrechthaltung der Ordnung für nöthig ansehe und damit den benachbarten Staaten in der Noth

1) Dumouriez, Mém., II, p. 200.

[blocks in formation]

Hilfe leisten könne. Das europäische Concert werde fortdauern, solange das nicht beigelegt sei, was man mit Frankreich abzurechnen habe. Das seien folgende Dinge:1) 1. Wiedereinseßung der in Lothringen und im Elsass besißhabenden Fürsten in ihre Rechte; 2. Zurückgabe Avignons an den Papst; 3. Maßregeln, um der Regierung eine hinlängliche Kraft zu geben und das im Zaume zu halten, was andere Staaten beunruhigen könnte.

Angabe

mouriez.

Aus diesem lezten Punkte macht aber Dumouriez, entweder um sich von Falsche dem Vorwurfe zu rechtfertigen, er sei es gewesen, der als Minister des Äußern von Du den großen Weltbrand entzündet habe, oder weil er in der Verbannung, wo er jeine Denkwürdigkeiten" schrieb, des Wortlautes sich nicht mehr genau erinnerte, und seine Schlussfolgerung oder Vermuthung für den Text sicher hielt, die Bedingungen:2) Wiederherstellung der Monarchie auf Grundlage der königlichen Sizung vom 23. Juni 1789 — folglich die Wiederherstellung des Adels und des Clerus als Stände.) Wenn die Minister in Wien dies wirklich gefordert hätten, so konnte sich Dumouriez mit Recht über sie lustig machen, dass sie dreiunddreißig Monate geschlafen hätten, und ihnen vorwerfen: „Die Nation schuf und der König genehmigte eine Verfassung auf Grundlage der Gleichheit aller Bürger und der Abschaffung der Stände. Auf den Assignaten beruhte das ganze Finanzsystem: sie waren Anweisungen auf den Grundbesiz des Clerus, den man als Nationalbesig erklärte. Die Nation konnte also diese Bedingungen Österreichs nur annehmen, wenn sie ihre Verfassung in Stücke riss, allen Grundbesig verschmolz, die Käufer dieser Nationalgüter zugrunde richtete, die Wertpapiere für wertlos und den Bankerott erklärte." Das hat aber fein österreichischer Minister verlangt und müßig ist also die Frage: „Konnte man einen so demüthigenden Gehorsam von einer großen Nation verlangen, die stolz darauf war, dass sie ihre Freiheit erobert hatte, und zwar um sie unter das Joch eines Adels zurückzubringen, der seinen König im Stiche gelassen hatte und jezt zurückzukehren drohte, um seine Heimat mit Feuer und Schwert zu verheeren, oder gar für eine hochmüthige Geistlichkeit."*)

Ludwig

will.

Dumouriez erzählt, wie er zum König eilte, und wie dieser seine 6. Ansicht genehmigte und auf sein Andringen ein Schreiben an Franz I. Strieg abfasste, dessen Hauptsäße wir hier mittheilen: „Mein Herr Bruder und Neffe! Die Ruhe von Europa hängt von Ihrer Antwort ab; Eure Majestät kann nicht zweifeln, dass ich aus freiem Willen und ungezwungen die Con

1),,1. La satisfaction des princes possessionés. 2. La satisfaction du Pape pour le comtat d'Avignon. 3. Les mesures que nous jugerons à propos de prendre, mais qui fussent telles que notre gouvernement eût une force suffisante pour réprimer ce qui pourrait inquiéter les autres états." Hist. parlem., XIV, p. 26.

2) Dumouriez, Mémoires, II, p. 206.

-

3) Ces conditions étaient: le rétablissement de la monarchie sur les bases de la séance royale de Louis XVI du 23 juin 1789, par conséquent le rétablissement de la noblesse et du clergé comme ordres; la restitution des biens du clergé, celle des terres de l'Alsace aux princes allemands, avec tous leurs droits de souveraineté et de féodalité, et la restitution au Pape d'Avignon et du

comtat Venaissin.

4) Dumouriez, Mém., II, p. 206–207.

« PreviousContinue »