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nachdem sie am Pruth das Reich gerettet hatte, ließ er sie im Jahre 1712 feierlich als Zarin anerkennen und vor seinem Tode auf dem Kreml als Kaiserin frönen und salben.

Da P. in der Erfüllung seiner Friedensbedingungen sehr saumselig zu Werke ging, so erfolgte im Jahre 1711 eine neue Kriegserklärung der Türken. Allein durch russische Bestechungen am türkischen Hofe und durch Vermittlung der englischen und holländischen Regierung ward der Friede schon im Frühjahr 1712 wieder hergestellt. Ebenso wurde eine dritte Kriegserklärung, welche auf das unablässige Antreiben Karls von der Pforte im Herbst desselben Jahres ausging, durch russisches Gold bald wieder in einen Friedensvertrag umgewandelt. Der Sultan war nachgerade des ewigen Drängens feines königlichen Gastes müde geworden und, da dieser sich hartnädig weigerte, die Türkei zu verlassen, so wurde er in seinem Hause von einer förmlichen Armee belagert, nach mörderischem Widerftande gefangen genommen und in das Schloß Demirtasch bei Adrianopel geführt, von wo er endlich gegen Ende des Jahres 1714 in seine Staaten zurückkehrte.

Der nordische Krieg, dessen Früchte P. allein erntete, hatte inzwischen mit furzen Unterbrechungen fortgedauert. Ein russisches Heer, verstärkt durch die Sachsen, belagerte im Jahre 1711 unter Mentschitows Führung Stettin und Stralfund. Stenbork vertheidigte die deutschen Provinzen (1712) gegen die Russen, Sachsen und Dänen und schlug bei Gadebusch mit 8000 Mann ein faft dreimal stärkeres Heer in die Flucht. Hier wie früher zeigte sich bei jeder Gelegenheit die größere Kriegstüchtigkeit der Schweden, aber sie wußten ihre Erfolge nicht auszubeuten, da die Feldherrn Karls eben so trosköpfig waren und ebenso ihre persönlichen Launen und Rachegelüfte über die Forderungen einer klugen Politik sezten, wie er selbst.

Karl fand nach seiner Rückkehr das Reich in Verwirrung, die reichsten Provinzen verloren oder in Gefahr, den Adel feindselig gegen den Thron gestimmt, das Volk verarmt, die Finanzen erschöpft. Abgesehen von den russischen Eroberungen, welche ganz Esthland, Liefland, Ingermannland, Karelien und einen Theil von Finnland umfaßten, war Pommern von den Preußen besett, Bremen und Verden in den Händen der Hannoveraner. Gegen Ende des Jahres 1715 fiel die Festung Stralsund, und im folgenden Jahre auch Wismar, der lezte schwedische Anhaltspunkt auf deutschem Boden, in die Hände der Feinde.

Durch den Grafen Görz, welchen Karl in seine Dienste zog, und welcher als ein eben so gewiegter Finanzminister wie als überlegener Diplomat gerühmt wurde, hoffte Karl seinem erschöpften Reiche wieder aufzuhelfen. In der That schienen die klugen Maßregeln und diplomatischen Anknüpfungen des erfahrenen Staatsmannes ganz geeignet, einen neuen Aufschwung des Reiches herbetzuführen. Es gelang ihm, Karl zu einer Aussöhnung mit Rußland zu bewegen, um sich ungestört an seinen anderen Feinden entschädigen zu können. Im Jahre 1718 wurden auf der Alands-Insel Lofoe zwischen Schweden und Rußland Friedenspräliminarien abgeschlossen, in welchen P. rücksichtslos das Interesse seiner bisherigen Verbündeten opferte, um dem Könige Karl die Wiedererlangung aller seiner deutschen Staaten zu sichern. Der Vertrag würde auch zur Ausführung gekommen sein, wenn Karl, im Begriff, Norwegen zu erobern, nicht im December desselben Jahres bei der Belagerung der Festung Friedrichshall seinen Tod gefunden hätte.

Nun erfolgte in Schweden eine Adelsrevolution, welche den Grafen Görz beseitigte und die (mit dem Erkprinzen Friedrich I. von Hessen-Kassel vermählte) jüngere Schwester des verstorbenen Königs, Ulrike Eleonore auf den Thron

brachte. Es ist hier nicht der Ort, auf den dadurch erzeugten Umschwung der Dinge einzugehen, welcher die Friedenspräliminarien vernichtete und Schweden den Verwüstungen der Ruffen preisgab.

Als am 10. September 1721 der Friede von Nystadt dem nordischen Kriege ein Ende machte, war Rußland zu einer Großmacht ersten Ranges emporgewach= sen und Schweden zu einer Macht zweiten oder dritten Ranges herabgesunken, deren Schicksale fortan von Petersburg aus gelenkt wurden, gleichwie die Schidfale Bolens und Dänemarks.

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Der russische Senat und der heilige Synod, eine neue Schöpfung P.'s, bewogen ihn gemeinsam, jezt den Kaisertitel sich beizulegen, der auch sofort von Breußen, Holland und Schweden anerkannt wurde, während die anderen Mächte erst später und unter ullerlei Vorbehalt sich zur Anerkennung bequemten. Zu gleicher Zeit wurde ihm auch vom Senat und Synod der Beinamen des Großen" defretirt, den weder Mitwelt noch Nachwelt ihm streitig gemacht haben. Wenige Monate nach seiner Erhebung erklärte er seine Tochter Elisabeth für volljährig und verband damit (5. Febr. 1722) die Bestimmung, daß es jedem Herrscher von Rußland anheimgegeben sein solle, seinen Nachfolger selbst zu ernennen eine höchst gefährliche Bestimmung, wie die spätere Geschichte von Rußland lehrt. Bon den Erlebnissen P.'s auf den verschiedenen Reisen, welche er nach Deutschland, Dänemark, Frankreich u. s. w. unternahm, können wir nur einzelne anführen, die besonders tief in den Gang seiner Regierung_eingreifen, wie z. B. feine Begegnung mit Leibniz, welche die Gründung der Petersburger Akademie zur Folge hatte, sowie seinen viermonatlichen Aufenthalt in Paris (1717), wo er mit Begeisterung aufgenommen wurde und mit dem Regenten einen Freundschaftsund Handelsvertrag abschloß, endlich seinen ersten Besuch in Karlsbad (1711), wo er seine zerrüttete Gesundheit herstellte und dann neu gekräftigt in Torgau bei der Königin von Polen die Vermählung seines einzigen Sohnes Alexei mit der Brinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel feierte.

Er hatte gehofft, den Prinzen, welcher sich den gewaltsamen Neuerungen seines Baters und der Bevorzugung der Ausländer wenig geneigt zeigte, durch diese Vermählung mit einer anmuthigen und feingebildeten deutschen Prinzessin günstiger zu stimmen; allein Alexei blieb nach wie vor der altrussischen Partei treu, deren Liebling und Hoffnung er war und durch welche er sich zu Schritten verleiten ließ, die im Jahre 1718 eine hochnothpeinliche Untersuchung und seinen Tod zur Folge hatten. Ob er am gebrochenen Herzen starb oder heimlich umgebracht wurde, muß dahin gestellt bleiben: gewiß ist, daß P. ein Gericht von 124 Würdenträgern berief, welche nichts Eiligeres zu thun hatten, als das Todesurtheil des seinem Vater verhaßten Prinzen auszusprechen, und ebenso gewiß ist, daß P. dieses Urtheil mit eigener Hand unterschrieb.

Für P., der das große Wert seines Lebens durch seinen eigenen Sohn gefährdet glaubte, mögen sich gewichtige Entschuldigungsgründe anführen lassen, allein nicht minder gewichtige Gründe lassen sich zur Entschuldigung seines Sohnes anführen. Der unglückliche Prinz, der mit ganzem Herzen an seiner Mutter hing, mußte es in jarter Jugend mit ansehen, wie der Zar sie mißhandelte und endlich ganz verstieß und ins Kloster sperrte, weil sie hinter den Mätreffen ihres Gemahls nicht zurückstehen wollte. Seine Anhänglichkeit an die Verstoßene bewirkte, daß der Zar ihn selbst kühl und abweisend behandelte. Er sah die verführerische Katharina, die schon durch vieler Herren Hände gegangen, an die Stelle seiner Mutter gesezt und die mit ihr in wilder The erzeugten Kinder sich selbst vorgezogen. War es unter solchen Umständen zu verwundern, daß er den Freunden seiner Mutter, die ihm mit Liebe und Ehrfurcht ent

gegen kamen, mehr Vertrauen schenkte, als dem verschmigten, hochmüthigen Mentschikow und den andern wüsten Günstlingen seines Vaters, die ihn mit Hohn und Verachtung behandelten ?

P. offenbarte seine an Grausamkeit streifende Strenge nicht blos durch die Verurtheilung seines eigenen Sohnes, auch unter den Großen seines Reiches, unter seiner nächsten Umgebung suchte er zuweilen aufzuräumen, wobei sich denn freilich jedesmal auf das Unzweifelhafteste herausstellte, daß sie allesammt Schelme und Betrüger waren und der größte von Allen sein Liebling Mentschikow, den er von Zeit zu Zeit durchprügelte, und sich dann wieder mit ihm versöhnte und ihn küßte.

Der große Zar lernte während seiner langen Regierung nur drei Männer_kennen, auf deren Treue und Uneigennüßigkeit er sich ganz verlassen konnte: in den ersten Jahren die zu früh verstorbenen Generale Gordon und Le Fort und in den leßten Jahren den General v. Münnich, der ein Lieblingswerk P.'s, die Ausgrabung des großen Ladoga-Kanals, zu Stande brachte, nachdem die früher damit beauftragten Würdenträger Millionen unterschlagen hatten, ohne das Werk im Geringsten zu fördern. Der Ladoga-Kanal, welcher den Wolchowstrom mit der Newa vereint, war von unermeßlicher Wichtigkeit für Petersburg, da es der Stadt, ehe er ausgeführt wurde, häufig an Brotkorn fehlte, welches aus dem Innern des Landes auf dem Wolchowstrom kommend, den äußerst gefährlichen Ladogasee zu passiren hatte, um in die Newa zu gelangen. Bei stürmischem Wetter, welches oft Wochen lang anhielt, wagte kein russischer Schiffer sich über den See und der Stadt blieb so lange alle Kornzufuhr abgeschnitten. Man begreift danach, wie sehr dem Gründer Petersburgs die Anlage des Kanals am Herzen lag, und die Schwierigkeiten der Ausführung des Werkes mögen aus der einfachen Angabe erhellen, daß seine Länge 14 deutsche Meilen beträgt. Pissarew, ein Günstling des Zaren, hatte die Lösung der wichtigen Aufgabe übernommen, bevor P. seinen berühmten Zug nach dem damals durch innere Zwiste zerrütteten Persien begann, um, den Blick begehrlich nach Indien richtend, am kaspischen Meere festen Fuß zu fassen und Rußland denselben Einfluß in Asien zu sichern, den es in Europa schon behaup tete. Die Städte Derbend und Baku öffneten ihm ohne Widerstand die Thore und, ohne eine eigentliche Schlacht zu schlagen, bemächtigte er sich der Provinzen Ghilan, Masenderan und Astrabad, welche freilich sechs Jahre später, durch den Bertrag von Rescht, wieder verloren gingen.

Noch muß eine Expedition erwähnt werden, die P. ebenfalls mit Hinblic auf Indien, nach Bahara ausrüstete.

Schon Iwan Wassiljewitsch, P.'s Vorbild, hatte den Plan gefaßt, sich in der Bucharei festzusehen, um von dort Verbindungen mit Indien einzuleiten. Den damals gescheiterten Plan nahm P. wieder auf, eine Expedition nach Chiwa unter dem Fürsten Tscherkasky damit verbindend, welche übrigens ebenfalls ohne Erfolg blieb.

Nach seiner Rückkehr von Persien, in Moskau durch einen großartigen Triumphzug verherrlicht, fühlte P. seine Kräfte, wie seine gute Laune, mehr und mehr schwinden.

Seine rastlose Thätigkeit, seine mit großen Strapazen verbundenen Feldzüge und nicht in lester Linie - seine Ausschweifungen hatten ihn vor der Zeit vufgerieben und, je mehr er der Natur troßte und seine Kräfte überschäßte, defto heftiger waren die Rückfälle seiner unheilbaren Krankheit. Dazu kam der tiefe Schmerz, den er empfand, wenn er sah, daß alle seine Reformpläne im Innern des Reiches auf Sand gebaut waren und daß er sich im Grunde auf Niemand

verlassen konnte, als auf sich selbst, und daß die strengen Strafen, die er auf Untreue und Bestechlichkeit gefeßt, mehr gedient hatten, diese Uebel zu fördern als fie auszurotten. Er glich, seinem Volke gegenüber, einem Schulmeister, der keine anderen pädagogischen Mittel anzuwenden weiß, als den Stock, und bei dem besten Willen, das geistige und leibliche Wohl der ihm anvertrauten Zöglinge zu fördern, durch unzeitige Strenge die störrische Jugend nur noch störrischer macht.

Es hat etwas Rührendes, das rastlose Bestreben des genialen Barbaren zu sehen, sich und sein Volk zu bilden, zu sehen, wie er mit Stock und Knute gegen die unglaublichen, ihm überall entgegen tretenden Schwierigkeiten ankämpft, ohne zu begreifen, daß man Bildung und Ehrgefühl einem Volke mit Stock und Knute nicht beibringen fann.

Unter seinen zahlreichen Reformen müßten wir, außer der Gründung eines Kommerz kollegiums, noch diejenigen in's Auge faffen, welche sich auf die Besserung der Gerichtshöfe und der Gesetzgebung beziehen, wenn daraus dem Volke ein wirklicher Gewinn erwachsen wäre. Allein das ist nicht der Fall. Recht und Gesetz sind noch heute in Rußland Worte ohne Sinn, und daß sie das sind, daß dem Volke bis auf diesen Tag alles Rechtsbewußtsein fehlt, daran trägt P. ein gutes Theil Schuld. Es liest sich recht schön, wenn man von ihm rühmt, daß er die Vorrechte des Adels vernichtete und durch den Tschin, die von ihm eingeführte Rangordnung, allen freien Russen die Möglichkeit gab, durch persönliches Berdienst zu den höchsten Würden und Ehren emporzufteigen. Aber in Wirklichfeit stellt sich die Sache ganz anders heraus, denn gerade dieser Tschin, diese chinesische Rangordnung von 14 Stufen, durch welche der geschmeidigste Rücken am besten sich hindurch windet, hat die russische Beamtenforruption in ein System gebracht, das wie ein immer weiter fressender Krebsschaden im Staatskörper sißt.

P. nar der eigentliche Gründer des russischen Staats, wie er heute dasteht, aber er hat dieser gigantischen Schöpfung ungeheure Opfer gebracht.

Er war, wie fast alle bedeutenderen Selbstherrscher, ein gekrönter Revolutionär, der Nichts durch Ueberzeugung bewirkte, Nichts durch gesetzliche Entwicklung erwachsen ließ, vielmehr die Verbindungsfäden mit der Vergangenheit zerschnitt und Alles durch die Zwangsmittel roher Gewalt umschuf. In diesem Sinne ist er das lehrreichste Beispiel der Geschichte, indem er uns zeigt, daß selbst die ge= nialste Kraft sich fruchtlos erschöpft, wenn sie dem Volksleben feindlich gegenübersteht, und daß eine, blos auf Bajounette geftüßte Selbstherrschaft wohl nach Außen glänzende Erfolge zu erringen vermag, sonst aber nur zum Verderben des Volkes gereicht. Die Opposition gegen das durch P. gegründete Regierungssystem brachte Rußland mehr als einmal an den Rand des Verderbens. Man erinnere sich nur der Empörungen von Stenka Rasin und Pugatschew!

Bieles von dem, was man P. zuschreibt, läßt sich richtiger auf den Zaren Iwan Wassiljewitsch (den Grausamen) zurückführen, der auch ein großer Reformator war, Handel und Gewerbe begünstigte, die ersten Druckereien und Schulen anlegte und eine Menge fremder Gelehrter und Künstler nach Rußland zog, ohne dadurch den Haß des Volkes zu wecken, das ihn abgöttisch verehrte, weil es ihm viele Erleichterungen verdankte und sich immer seines Wohlwollens zu erfreuen hatte, im Gegensatz zu dem üppigen Adel, mit welchem er allerdings grausam umsprang.

B. hat wohl die Furcht, aber nicht die Liebe seines Volkes zu erwecken ge= wußt, denn mehr noch, als durch seine ausländischen Neuerungen, machte er sich verhaßt durch sein über ganz Rußland gespanntes Spionirneß und die BegünstiBluntscli und Brater, Deutsches Staats-Wörterbuch VIII.

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gung der Angeberei, denn er zuerst führte in Rußland die geheime Polizei ein, diese bis heute fortwuchernde Landplage, vor welcher sich Niemand im eigenen Hause sicher fühlt.

Es bliebe uns noch nachzuweisen übrig, daß auch die früher in milderen Formen sich bewegende Leibeigenschaft durch P. gefestigt wurde, wenn wir in diesem wichtigen Punkte den Leser nicht auf den vortrefflichen Aufsatz des Staatswörterbuches verweisen könnten, in welchem Herr Tschitschérin, einer der hervorragendsten Rechtsgelehrten Rußlands, die Geschichte der russischen Leibeigenschaft behandelt hat.

3ft also nicht zu leugnen, daß P.'s innere Reformen zu manchem Tadel ge= rechten Anlaß bieten, so sind dagegen die Erfolge seiner auswärtigen Politik faft beispiellos in der Geschichte. Hier hat sich sein weit blickender Herrschergeist in wunderbarster Weise bewährt, denn Alles, was in dieser Richtung seit seinem Tode geschehen ist und noch geschieht zum Nachtheil anderer Völker, ist nur die folgerichtige, zähe Ausführung seiner Gedanken und Entwürfe. Durch ihn ist Rußland zum Weltreich geworden. Mit eiserner Hand hat er es nach Europa vorgeschoben und zugleich weit nach Asien hinein ausgedehnt.

P. starb, nach furchtbaren Leiden, am 8. Febr. 1725, im Alter von nicht ganz 53 Jahren. Seine monumentale Gestalt schien darauf angelegt zu sein, ein Jahrhundert zu überdauern, allein er wußte nicht Maß zu halten und zerstörte früh seine Gesundheit durch Ueberanstrengung seiner Kräfte. Jedenfalls hat er in seinem verhältnißmäßig kurzen Leben die Arbeit von Jahrhunderten gethan. Leibniz, Boerhave, Charlotte Sophie, Gordon, Münnich kurz, alle hervorragenden Menschen, die mit ihm verkehrt haben, stimmen darin überein, daß er geistig wie körperlich eine imposante Erscheinung war. Eine sehr anschauliche Schilderung von ihm gibt ein ungenannter Deutscher, der acht Jahre in seiner Nähe lebte, von der Gründung Petersburgs angefangen und der sich folgendermaßen über ihn vernehmen läßt:

,,Seine jezige Czaarische Majestät, Peter Aleréjewitsch, ist ein Herr von langer, wohlgewachsener Statur, bräunlich von Farbe im Angesicht, welches roth liniiret und vivace ist, so daß es ein majestätisch munteres Wesen und ein unerschrockenes Gemüth anzeigt. Er gehet gerne mit seinen eigenen, natürlichen, gekräuselten Haaren und hat einen kleinen Schwickelbart, so ihm wohl anstehet. Gewöhnlich siehet man S. M. in solchen schlechten Kleidern, daß man ihn sonften nicht kennet, ihn nimmer vor einen so großen Monarchen halten sollte" *).

Wir müssen zur Ergänzung dieses Berichts bemerken, daß P. bei Festen und Feierlichkeiten sich mit gesuchter Pracht kleidete, und eine außerordentlich reiche Garderobe hinterlassen hat, welche heute noch zu sehen ist und deutlich zeigt, daß er allen Medelaunen des Hofes von Versailles bis ins Kleinlichste sich unterwarf. Sonst war er sehr frei und ungezwungen in seinem Verkehr, besonders mit Fremden. Den holländischen Gesandten empfing er einmal auf einem Mastbaum sizend und den englischen an der Drechselbank. Er trug immer einen mächtigen Stoc und ein chirurgisches Besteck bei sich, den erstern, um ertappte Betrüger, gleichviel ob hohe Beamte oder geistliche Wunderthäter, auf der Stelle durchzuprügeln, und das lettere, um alle möglichen Operationen zu verrichten. Mitten auf der Straße zog er Leidenden die Zähne aus. Nichts war seiner raftlosen Thätigkeit zu groß und nichts zu klein, und die Geschichte muß ihm das Zeugniß geben, daß, wenn er auch nicht immer das Beste gethan, er es doch immer gewollt hat.

* Beschreibung von Petersburg und Kronschlott im J. 1711. Leipzig 1713. H. G.

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