Page images
PDF
EPUB

bestimmten Eltern), der Konfeffion, der Bildung, des Berufs, des Wohnsites, des Gemeinde- und Staatsverbandes. Davon hängen die Rechte der Person ab, und deshalb ist es wichtig, diese besonderen Eigenschaften und Beziehungen einer Person mit Sicherheit zu kennen. Die Aufgabe der Bersonenstandsregister, Standesbücher ist es, dieselben für Jedermann urkundlich darzulegen. Die zweckmäßige Einrichtung dieser Bücher, aus denen dann die Urkunden zum Privatgebrauch der einzelnen Berson entnommen werden, ist demnach ein öffentliches Interesse, das keineswegs schon in allen civilisirten Staaten befriedigt worden ist.

Im Mittelalter war es wiederum die Kirche, welche durch ihre Sorge die fehlende Staatsaufsicht ergänzte und den Bedürfnissen der Leute zu Hülfe kam. Die Institutionen der Kirche begleiteten das menschliche Leben in allen wichtigen Momenten. Der Geburt folgte die Taufe regelmäßig und möglichst bald. Das Taufbuch, welches der Pfarrer führte, konnte so auch zur Beurkundung der Geburt der getauften Kinder dienen. Dabei achtete die Kirche darauf, ob das Kind ehelich oder außerehlich geboren worden sei, und es schloß sich die Erwähnung der Eltern an die Aufzeichnung der Geburt an. Wer nach der Verwandtschaft eines Menschen sich erkundigte, fand daher die nöthigen Aufschlüsse in den Taufbüchern. Das Geschlecht des Kindes war mit dem Namen und sein Alter wenigstens an= nähernd mit dem Datum der Taufe gegeben. Auch die Schulbildung stand unter der Leitung der Kirche und das religiöse Bekenntniß wurde ihr abgelegt. Sie fonnte auch von den Fortschritten der Erziehung Notiz nehmen in ihren Büchern. kam es zur Ehe unter den Erwachsenen, so war die Mitwirkung des Pfarrers durch die Sitte und durch den Einfluß der Kirche, später durch das Geset geboten. Auch die Ehen wurden daher in den Kirchenbüchern eingetragen. Endlich wurde die Leiche der verstorbenen Person von der Kirche begraben, und so erhielt dieselbe neuerdings Gelegenheit, in Verbindung mit dem Begräbniß auch von dem Todesfall Bormerk zu machen und ihre Todtenregister zu führen.

Dieser Zustand dauert zu gutem Theile heute noch fort, obwohl er dem heutigen Rechtsbedürfniß nicht mehr entspricht und dem heutigen Rechtsbewußtsein nicht mehr zusagt. Derselbe war am Plat, so lange der Pfarrer der einzige Mann in der Gemeinde war, dem mar die Fähigkeit zutrauen konnte, diese Bücher zu führen. Im Mittelalter schien derselbe auch nicht abnorm, weil die Kirche damals die Trägerin der ganzen Bildung war, der Staat für Kulturintereffen auf ihre Erziehung angewiesen war und die staatlichen und kirchlichen Befugnisse und Pflichten überhaupt nicht scharf ausgeschieden waren.

Die Kirche hat diese Bücher eingeführt zunächst aus kirchlichen Gründen und zu kirchlichen Zwecken. Es ist aber klar, daß der Personenstand zunächst ein nicht-firchliches Verhältniß ist, von der Religion wesentlich unabhängige Thatsachen voraussetzt und hauptsächlich um der Folgen für das weltliche Recht willen beurkundet werden muß. Für das Alter eines Menschen ist es ganz gleichgültig, ob und wann er getauft worden, aber entscheidend, wann er geboren worden ist. Wenn in den alten Taufbüchern zuweilen nur der Tag der Taufe, nicht der der Geburt vorgemerkt wurde, so entstand daraus mancherlei Unsicherheit über das wirkliche Lebensalter. Ebenso trifft der Todestag und der Begräbnißtag nicht zusammen und ist ein Buch, welches über die Begräbnisse Auskunft gewährt, eine mangelhafte Kontrole für die Todesfälle. Will die Rechtsgemeinschaft, d. h. heute der Staat, dafür sorgen, daß Geburt und Tod genau eingezeichnet werden, so muß er den Geistlichen als Registerführern Vorschriften geben, welche in aller

Weise von weltlicher Art sind und mit kirchlichen Interessen nichts zu schaffen haben. Daraus entsteht aber der weitere Uebelstand, daß völlig ungleichartige Thätigkeiten dem Einen Manne aufgetragen werden, der seinem Hauptberuf nach Diener der Kirche, in dieser besondern Eigenschaft Staatsbeamter ist.

Ohne Konflikte zwischen Staat und Kirche geht es bei solcher Mischung der Funktionen nicht aus. Die Geburt eines Menschen ist für dessen Persönlichkeit auch dann entscheidend, wenn derselbe nicht getauft wird; man muß den Tag derselben wissen, auch wenn man von allem religiösen Verband völlig absieht. Soll nun der Pfarrer gezwungen werden, auch die Geburt der Kinder in sein ,,Taufbuch" einzutragen, deren Eltern ihm die Taufe verweigern? Als reiner Protokollist über den Personenstand müßte er es unbedenklich thun, als Pfarrer hat er gar keine Veranlassung dazu. Aehnliche Fragen erheben sich, wenn die Civilform der Eheschließung sei es als Regel oder als Ausnahme eingeführt ist in allen Fällen, in denen Ehegatten der kirchlichen Trauung entbehren. Die Gesellschaft und der Staat haben ein dringendes Interesse, zu wissen, ob diese Personen in oder außer der Ehe leben. Die Beurkundung ist nothwendig, und doch fühlt Jedermann, daß dem Pfarrer nicht wohl zugemuthet werden darf, die Ehe zu protokolliren, welche im Widerspruch gegen seine Kirche abgeschlossen wird. Wenn endlich die Kirche ihre Theilnahme an dem Begräbniß verweigert oder der Verstorbene angeordnet hat, daß er ohne kirchliche Mitwirkung begraben werden wolle, so ist auch in solchen Fällen der Pfarrer nicht die richtige Person, um ein derartiges Begräbniß und daher den betreffenden Todesfall zu konstatiren. Je mehr nun der Staat die religiöse Freiheit schüßt, desto zahlreicher werden die Fälle, in denen der Einfluß der Kirche zurücktritt, und um so weniger geht es an, die Personenstandsregister den Pfarrern allein in die Hände zu geben. Wird aber die protokollirende Thätigkeit der Pfarrer auf die Glieder der betreffenden Kirche beschränkt, so muß bezüglich aller Andersgläubigen für einen andern Registerführer gesorgt und es müssen andere Bücher angelegt werden. Daraus entstehen aber neue Uebel; denn augenscheinlich verlangt das allgemeine Interesse die möglichste Kon= centration aller Beurkundung der Art an Einem Ort und in Einem Buch.

---

[ocr errors]

Früher oder später wird es daher dahin kommen, daß auch in dieser Bezie= hung weltliche und geistliche Funktionen schärfer getrennt und das seiner Natur nach durchaus weltliche Geschäft der Beurkundung des Personenstandes ganz an weltliche Beamte Gemeindebeamte zunächst übertragen werde. Dann läßt sich bequem dafür sorgen, daß alle für die Rechtsverhältnisse irgend erheblichen Zustände und Momente für die gesammte Bevölkerung übersichtlich dargestellt und vollständig und sicher beurkundet werden. In den antiken Staaten war dafür durch weltliche Beamte gesorgt. Unter den neuern Staaten hat Frankreich zuerst diese Reform und zwar schon seit der Regierung Ludwigs XIV. eingeleitet. Die Bestimmungen des Code Napoleon über die Civilstandregister haben dann auch außer Frankreich in einzelnen Ländern Aufnahme gefunden. Auch in England sind in derselben säkularisirenden Richtung in den letzten Jahrzehnden manche, aber doch nur partielle Verbesserungen geschehen. Langsam nur macht sich der Kontinent von der alten Angewöhnung los. Der Staat scheut sich vor neuen Kosten und vor den Schwierigkeiten des Uebergangs und die Kirche ihrerseits fürchtet mit der Entlastung von dieser Bürde zugleich ein Stüd ihres Einflusses auf das Volk einzubüßen. Aber die Reform wird von Jahr zu Jahr dringender und auch leichter durchzuführen.

Werben guteingerichtete Standestabellen hergestellt, so wird es möglich

sein, eine Reihe von besondern Büchern, die bisher an verschiedenen Orten und für verschiedene Einträge geführt wurden, Taufbücher, Todtenregister, Eheregister, Bürgerbücher, Policeiregister u. s. f. zu entbehren, und alles Wesentliche und Bleibende, was für die Beurtheilung der persönlichen Rechtsverhältnisse eines Menschen erheblich ist, in Einem Buch zusammen zu bringen.

Literatur. R. Cr. Beder, Wissenschafttiche Darstellung der Lehre von den Kirchenbüchern. Frankfurt 1831.

Peter der Große.

Bluntschlt.

Dem Zaren Alexéi Michailowitsch hatte seine zweite Gemahlin, Natalia Kirilowna, die Tochter des Bojaren Kirila Naryschtin, am 30. Mai a. S. 1672 zu Moskau den Zarewitsch Peter geboren, der später zum Kaiser berufen den Beinamen des Großen sich erwarb. Er war die erste Frucht dieser Ehe und seine Geburt war dem Lande um so erfreulicher, als die beiden aus des Zaren erster The entsproffenen Prinzen Feodor und Iwan eine schwächliche Gesundheit zum Erbtheil erhalten hatten. Die großen Anlagen des Zaréwitsch P. offenbarten sich schon in früher Jugend. Er begeisterte sich an den Schilderungen der Helden der russischen Geschichte; ein Deutscher, Franz Timmermann, sein Lehrer der Mathematik, brachte ihm die ersten Begriffe von der Kriegskunst bei, indeß seine Mutter seinen fittlichen Charakter auszubildeu suchte.

B.'s Vorzüge vor seinem älteren Halbbruder, dem kurzsichtigen, ftammelnden Iwan, fielen so in die Augen, daß es nicht schwer war, fie bei der Reichsnachfolge geltend zu machen. So geschah es denn, daß nach Feodors Tode die große Landesversammlung, welche aus Vertretern aller Stände des Volkes bestand und auf dem Kreml zur Wahl eines neuen Zaren schritt, auf die Frage des Patriarchen Joachim, wer von den beiden Prinzen den Thron besteigen solle, für Peter sich entschied. Doch war die Entscheidung keine einstimmige, wie sie nach altem Brauch und Hertommen in Rußland verlangt wurde, um rechtsgültig zu sein. Sophia, die ehrgeizige, kluge und hochbegabte Schwester P.'s, hatte sich selbst das Ziel gesetzt, Herrscherin von Rußland zu werden, und deshalb von jeher alle zu Gunsten ihres Bruders getroffenen Bestimmungen zu vereiteln gesucht. Auch jezt bei der Zarenwahl war es ihr gelungen, durch ihre Anhänger die Einstimmigkeit zu hintertreiben, indem einige Stimmen riefen:,,der Thron gebührt Iwan Alexéjewitsch! Es ist ungerecht, ihm den jüngeren Bruder vorzuziehen."

Doch blieb es trotz dieses Einspruchs bei der einmal getroffenen Wahl; felbft die Strelißen, welche in Rußland ganz dieselbe Rolle spielten, wie die Janitscharen in der Türkei, ließen sich bewegen, P.'n zu huldigen. Da er aber selbst noch zu jung war, um zu herrschen, so führte seine Mutter, die Zarin Natalia, einstweilen die Regentschaft. Inzwischen ließ Sophie nicht nach in der Verfolgung ihrer ehrgeizigen Pläne. Sie war eine Tochter aus der ersten Ehe des Zaren Alexéi Michailowitsch mit Maria Miloslawskoy und von gründlichem Haffe gegen ihre Stiefmutter Natalia erfüllt, weil diese als Mutter B.'s ihren ehrgeizigen Plänen im Bege stand. Sophie suchte durch ihre einflußreiche Familie, die Miloslawskoy, die Streligen für sich zu gewinnen, indem fie reiche Geschenke unter fie vertheilen ließ und ausstreute, daß man dem Zaréwitsch Iwan, der mit Unrecht zu Gunsten $.'s von der Thronfolge ausgeschlossen worden sei, nach dem Leben trachte.

Es wurde so eine Verschwörung vorbereitet, welche am 15. Mai 1682 zum Ausbruche tam, auf die falsche Nachricht hin, daß dieser Tag zur Ermordung

Bluntsøli und Brater, Deutsßes Staats-Wörterbuch. VIII.

4

Iwans festgesezt sei, und daß Natalia schon Pläne gemacht habe, das ganze Korps der Strelißen dem Untergange zu weihen. Der Aufstand brach los. Die rohen Streliten, durch berauschende Getränke zu viehischer Wildheit getrieben, wäizten sich nach dem Kreml und es entstand ein Blutbad, welchem die vornehmsten Anhänger Natalia's, darunter ihr eigener Bruder, zum Opfer fielen, und welchem sie selbst nur wie durch ein Wunder entging, nachdem der erste Wuthausbruch der wilden Horde vorüber war, diese sich überzeugt hatte, daß Iwan noch lebe, und man ihrem Verlangen nachgab, ihn zum Zaren auszurufen. Allein der junge Prinz, welcher seinen Stiefbruder P. zärtlich liebte und dessen geistige Ueberlegenheit neidlos anerkannte, willigte nur unter der Bedingung ein, daß man ihm P. zum Mitregenten seye. Die Strelißen mußten sich fügen und die Krönung beider Zaren wurde mit größter Pracht am 23. Juni 1682 vollzogen, während die eigentliche Herrschaft einstweilen in die Hände Sophiens überging, welche somit das nächste Ziel ihres Ehrgeizes erreicht hatte. Ihr Streben war nun darauf gerichtet, die Partei der Naryschkin gänzlich zu unterdrücken, sich einen mächtigen Anhang zu sichern und die Macht der Strelißen, dieser Moskowitischen Prätorianer, die ihr jezt nach geleistetem Dienste durch ihre Ansprüche lästig wurden, zu brechen und sich möglichst unabhängig zu stellen. Unter allerlei Vorwänden wurden die Streligen in das Innere des Reiches vertheilt, und andere Kriegerschaaren, auf deren Ergebenheit man zählen konnte, in Moskau gebildet zum Schuße des Zarischen. Hauses. Ja, Sophia ging so weit, den Fürsten Chowanskoy, der als Anführer der Strelißen vornehmlich Sophiens Erhebung herbeigeführt hatte, sammt seinem Sohne aus dem Wege räumen zu lassen, als Lohn für seine Dienste. Die Folge davon war ein neuer Aufruhr, welcher hauptsächlich gegen P. gerichtet war, da die schlaue Sophie es verstanden hatte, ihre Schuld ihm zur Last zu legen; allein dieses Mal, wo man den Strelißen eine geordnete Heerschaar gegenüber zu stellen hatte, gelang es bald, ihrer Herr zu werden, und der junge P., noch ein Knabe, aber früh gereift durch die Gräuelscenen und blutigen Erfahrungen, unter welchen er aufgewachsen war, und gereizt durch die Mordversuche, welche man selbst in der Kirche auf ihn gemacht, ließ ein schreckliches Gericht über die Schuldigen ergehen.

Sophie blieb indeß Regentin und wandte unablässig alle Mittel der Schlauheit an, um Anhang unter dem Volke zu gewinnen. Einen mächtigen Bundesgenossen fand sie in dem Fürsten Wassily Galizin, der großen Einfluß auf den Adel und das Volk übte; die Gunst der Truppen suchte sie sich durch einschmei= chelnde Freundlichkeit und reiche Geschenke zu erhalten. Mit dem bloßen Besige der Macht nicht zufrieden, ließ sie nun in den Staatsschriften und Ukasen den Namen der beiden jungen Zaren den ihrigen hinzufügen. Auch die Münzen, deren eine Seite der Zaren Bild und Namen enthielt, zeigten jest auf der andern Seite Sophie, die Krone auf dem Haupte, das Scepter in der Hand, mit dem Titel: Beherrscherin von Groß- und Kleinrußland."

Wir haben es für nöthig erachtet, diese Einzelheiten hier besonders hervor= zuheben, um zu zeigen, in welcher Umgebung und unter welchen Eindrücken P. aufwuchs, da sich Vieles in seinem späteren Lebensgange dadurch erklärt. Früh auf sich selbst angewiesen, umringt von Spähern, fast fortwährend in Lebensgefahr, bildete er, um sich seiner Haut zu wehren, nicht allein seine männlichen Eigenschaften, Muth, rasche Entschlossenheit und Geistesgegenwart schon in jungen Jahren aus, sondern ward auch ein großer Meister jener mehr weiblichen Anlagen der Lift, Verstellung und der zähen Geduld, welche dem slavischen Geschlechte be

sonders eigen find. Während seine Schwester Sophie in Moskau der Verfolgung ihrer ehrgeizigen Pläne lebte und durch die Dauer ungestörter Machtübung sich immer sicherer fühlte, immer sorgloser wurde, ergözte sich der 15jährige P. in dem Dorfe Preobraschenstoje scheinbar am Soldatenspiel, indem er aus fünfzig andern Knaben seines Alters eine kleine Kriegerschaar bildete, welche, durch den Genfer Abenteurer Le Fort disciplinirt, ter Kern seiner künftigen Armee wurde. Sophie fah in diesem Soldatenspiel nichts Gefährliches. Sie war froh, P. auf diese Weise von sich fern zu halten und ließ es arglos geschehen, daß die kleine Schaar fich nach und nach beträchtlich vergrößerte. Der Zufluß von Jünglingen aus den vor nehmsten Geschlechtern Rußlands nach Preobraschenskoje war so groß, daß bald nicht mehr Raum für die Menge war, und ein Theil davon in das benachbarte Dorf Ssemenowsky verlegt werden mußte. Aus diesen beiden Knabenkompagnieen erwuchsen später die berühmten Garderegimenter, welche denselben Namen trugen. Der Umgang mit Le Fort, einem höchst begaoten und wohlunterrichteten Manne, der in französischen und holländischen Kriegsdiensten schon eine reiche Erfahrung gesammelt hatte, dann als Glücksritter nach Rußland gekommen war, wo er bald zum Range eines Generalmajors sich erhob, sollte für P. von größter Bedeutung werden. Le Fort hatte das Innere Rußlands kennen gelernt, wo er sich von der Haltlosigkeit der lockeren, ungeordneten Zustände überzeugte, und suchte nun B. zu bestimmen, seine Macht auf ein nach europäischem Muster organisirtes Heer zu gründen. Er war es, der den jungen Prinzen bestimmte, in Preobraschinskoje die Sprößlinge der vornehmsten russischen Geschlechter um sich zu versammeln und er war es auch, der Ernst in das Soldatenspiel brachte, um zugleich den Kern eines tüchtigen Heeres zu bilden und den russischen Adel, dessen Söhne P. solchergeftalt gleichsam als Geißeln in der Hand hatte, für ihn zu gewinnen. Le Fort wirkte um so mächtiger auf seinen fürstlichen Zögling und erschien in den Augen Sophiens um so unschädlicher, je weniger er sich pedantisch zeigte und je mehr er den Launen P.'s zu schmeicheln schien, mit dem er in wüsten Festgelagen, welche immer ein Hauptvergnügen des Ruffenherrschers blieben, ganze Nächte durchschwelgte. B.'s gewaltige Konstitution war nicht blos den größten körperlichen Strapazen und Entbehrungen, sondern auch den größten Ausschweifungen gewachsen, und in Le Fort fand er einen Mann, der es ihm darin gleichthat, ohne sich davon beherrschen zu lassen, während Sophie das scheinbar wüste Leben, welches beide zusammen führten, gerne sah, in der Hoffnung, P. werde ganz darin untergehen. Sie war deshalb nicht wenig überrascht, als P. ihr am Anfang des Jahres 1688 bei seinem ersten Erscheinen in der geheimen Rathsversammlung eine Haltung zeigte, welche durchaus teinen fügsamen Sinn verrieth. Auf Antrieb seiner Mutter vermählte er fich schon im nächsten Jahre mit der schönen Eudoxia Feodorowna Lapuchin und diese Heirath diente so sehr, sein Ansehen beim Volte zu steigern, daß Sophiens Maßregeln, ihn fortan von den Sizungen des geheimen Rathes fernzuhalten, unwirksam blieben und sie selbst vor der wachsenden Macht, dem zugreifenden Muthe und der schlauen Ueberlegenheit des frühgereiften Jünglings zu zittern begann. Sie suchte ihn durch einen Mordanschlag aus dem Wege zu schaffen; er ward aber zeitig davon in Kenntniß gesezt und suchte Schuß in den Mauern des unfern Moskau gelegenen Klosters Troizkoi Berlockt durch die Bevorzugung, welche er immer den Ausländern hatte zu Theil werden lassen, versammelten sich am ihn bald alle in der russischen Armee dienenden Fremden und zu gleicher Zeit erklärte ihm General Gordon, der damals tüchtigste Befehlshaber, er werde, wenn es zu einem Konflikt zwischen der Regentin Sophie und P. täme, unbedingt zu

« PreviousContinue »