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ertheilte zu dem Zwecke Einzelnen ihrer Mitglieder ausgedehnte Vollmachten, vermöge deren sie wichtige Bauten zum Schuße oder zum Schmuck der Stadt auszuführen, öffentliche Feste zu leiten oder neu einzurichten hatten. Diese Kommissarien hatten besonders bei längeren Geschäftsführungen einen sehr bedeutenden Einfluß; große Summen gingen durch ihre Hände und eine Menge von Menschen waren von ihnen abhängig. Zu solchen Geschäftsführungen war nun P. wiederholt und Jahre lang berufen, und wenn wir diese dreifache Amtsgewalt in das Auge fassen, so begreifen wir, wie P. es möglich machte, ohne die Verfassung zu verlegen, über das ganze Staatswesen nach innen und außen einen beherrschenden Einfluß zu gewinnen.

So viel über die Form, unter welcher P. den Staat leitete. Was nun das Wesen seiner Politik, Ziel und Inhalt derfelben, betrifft, so müssen wir die beiden Abschnitte seiner vierzigjährigen öffentlichen Thätigkeit unterscheiden, die Zeit, in welcher er sich seinen Einfluß allmählig aneignete, und die Zeit des vollen Machtbesizes seit 444.

In den früheren Jahren mußte er, um die Bürgerschaft, als deren Vertrauensmann er regieren wollte, von allen entgegen stehenden Einflüssen frei zu machen, sich der Partei anschließen, welche Kimon und den spartanisch Gesinnten entgegen arbeitete. Zu diesem Zwecke dienten die Geldvertheilungen aus den Ueberschüssen der Staatskaffe, welche den Einfluß der reichen Bürger lähmten und den Führern der Reformpartei Popularität verschafften. So wurden auf den Rath des Demonides unter Einfluß des P. die Festspenden oder Theorika eingeführt, welche den Armen den Genuß der Schauspiele an der Dionyfien verschafften; es wurde der Kriegerfold eingeführt und dann auch der Richterfold, der Sold für die Volksversammlungen und für die jährlich wechselnden Mitglieder des Raths. Diese Neuerungen standen mit den Grundsäßen der älteren hellenischen Staaten in schroffem Widerspruche und sie find vorzugsweise zu herabseßenden Urtheilen über P. benußt worden. Wie nahe P. an den einzelnen Neuerungen dieser Art betheiligt war, läßt sich nicht genau ermitteln, doch ist er von Zeitgenossen und späteren Schriftstellern dafür verantwortlich gemacht worden, als trage er vorzugsweise die Schuld daran, daß die Athener geldgierig, faul und geschwäßig geworden wären (Plat. Gorgias 515 E). Indessen muß man bedenken, daß die Besoldung der Krieger bei der Machtstellung Athens etwas durchaus Nothwendiges war; die Löhnung für öffentliche Dienste im Frieden war aber eine Konsequenz des demokratischen Princips; denn die bürgerliche Gleichheit war in der That nicht vorhanden, wenn die Armen durch Sorge für ihren Unterhalt von der öffentlichen Thätigkeit fern gehalten waren und dadurch der Gelegenheit entbehrten, eine praktische Kenntniß des ganzen Staatswesens zu erlangen; auch muß man bedenken, daß die Löhnung ursprünglich nur eine sehr geringe Entschädigung war, so daß erst die in der nachperikleischen Zeit eingetretene Verdreifachung die Athener verleiten konnte, ihr Handwerksgeräth liegen zu lassen und den Proceffen nachzulaufen. Endlich war der Mitgenuß an den öffentlichen Schauspielen in Athen von solcher Bedeutung für die allgemeine Bildung, daß darin auch die Einführung der Festgelder ihre Rechtfertigung findet.

Indessen konnten einem Manne wie P. die bedenklichen Folgen dieser Neuerungen und die Mißbräuche, zu denen sie Veranlassung geben mußten, unmöglich verborgen bleiben; sie waren aber nothwendig, um die Macht des Volks und der Volkspartei fest zu begründen, und so wenig wir auch darüber unterrichtet find, wie P. von seinem Standpunkte aus das Löhnungswesen beurtheilte, so fönnen wir doch vorausseßen, daß er als Mitglied einer Partei Manchem beistimmen mußte, was nicht durchaus seinen Ansichten und Absichten entsprach.

Darum war er auch ein anderer Mann, als er nach Berbannung des

Thucydides und Auflösung der kimonischen Partei aufhörte Parteiführer zu sein; als er nicht mehr nöthig hatte, demagogische Mittel anzuwenden, sondern nun die Staatsleitung verwirklichen konnte, auf die er von Jugend an mit raftloser Energie sich vorgebildet hatte. Er trat nur selten vor dem Volfe auf, um bas Volk gegen den Eindruck seiner Persönlichkeit nicht abzuftumpfen; aber wenn er sich als Redner zeigte, so war er kein Schmeichler der Menge, sondern ein ernster Berather, der den Wankelmuth und die Schwächen der Bürger mit unerbittlicher Strenge rügte, so daß das Volk vor ihm sich schämte. Er betete vor jeder Rede, daß er kein überflüssiges Wort sprechen möge. So sehr verschmähte er allen rhetorischen Puß, und nur die Thatsachen selbst, wie er sie einfach darlegte, sollten die Menge von der Richtigkeit seiner Ansichten überzeugen.

Die Ideen seiner Politik waren nichts weniger als neu; sie waren nicht auf dem Wege der Theorie von ihm gefundene, sondern er wollte nichts Anderes, als daß Athen den Beruf erfülle, den es einer geschichtlichen Nothwendigkeit zu Folge übernommen hatte. Durch Solon hatte Athen das Gepräge eines Staats empfangen, der aus der Reihe der vielen griechischen Kantonalstaaten herausgetreten war, um durch Entwicklung eines freien Bürgerthums, durch allseitige Entfaltung hellenischer Tugend und Tüchtigkeit eine vorbildliche Stellung in Anspruch zu nehmen. Durch seine Betheiligung am Aufstande der Jonier war es als ein Großstaat des ägäischen Meeres aufgetreten; es hatte den Sturm der Perserkriege heraufbeschwojoche dann aber durch seinen Heldenmuth das gesammte Vaterland vom Berser ren, errettet. Zum Danke dafür wollten die Spartaner, welche aus eigennüßiger Politik das widerstandsfähige Griechenland auf den Peloponnes eingeschränkt zu sehen wünschten, nicht zugeben, daß das zerstörte Athen als feste Stadt wieder aufgebaut werde. Der List und Entschlossenheit des Themistokles verdankten die Athener ihre Mauern und damit die neue Grundlage eines selbständigen Staatslebens. Er war der zweite Gründer der Stadt, ein Mann von unvergleichlicher Befähigung, um durch rücksichtslose Energie Siege zu erringen und drohenden Gefahren zu begegnen, aber zu gewaltsam und eigenwillig, um in ruhigem Gange die Entwicklung des Staats weiter zu führen. Das that Aristides, welcher den Seebund ordnete, an dessen Spize Athen von den Küstenstaaten berufen wurde, welche in ihrer Vereinzelung ohnmächtig waren. Er gründete den Seebund, auf deffen Leitung Sparta freiwillig verzichtete, mit Weisheit und tadelloser Gerechtigkeit; Kimon befestigte und erweiterte ihn durch seine Siege, welche Athen zum Herrscher des Meeres machten. Die Einheit Griechenlands beruhte nun auf dem Bunde zwischen den beiden Großstaaten, den Kimon auf alle Weise zu erhalten suchte. Er wollte die volle Größe Athens ohne mit Sparta zu brechen, weil ein solcher Bruch seine panhellenische Gesinnung verlegte und weil er in dem Anschluffe an Sparta ein Gegengewicht gegen die Ausartungen der Demokratie erfannte. Aber die nothwendige Voraussetzung einer solchen großgriechischen Politik war die loyale Gesinnung von Seiten Sparta's. Diese war aber nicht vorhanden; der Bund wurde durch Sparta's Schuld zerrissen und nun siegte nothwendig die Partei, welche wieder nach den Gesichtspunkten des Themistokles eine von allen hemmenden Rücksichten freie, eine rein attische Politik verlangte. Jezt gab es in Griechenland Bund und Gegenbund; beide erkannten sich in einzelnen Verträgen nach ihren bestehenden Gebietsverhältnissen an, aber, je mehr alle Staaten nach und nach in diesen Gegensay herein gezogen wurden, um so deutlicher war es, daß es bei der steigenden Eifersucht Sparta's und seiner Verbündeten endlich zu einem Kriege kommen müsse.

Auf diesen Fall Athen vorzubereiten war der erste Gesichtspunkt der perikleischen Politik. Zu diesem Zwecke sezte er es durch, daß durch Vollendung der Berbindungsmauern Athen und Beiraieus zu einer, den Feinden unangreifbaren, Festung zusammenwuchsen. Athen wurde wie eine Insel angesehen und ihre ganze Macht auf die Flotte gegründet, welche in einer Zahl von 300 Trieren stets schlagfertig war und das Meer von Cypern bis zum schwarzen Meere wie ein attisches Gewässer beherrschte. Aus der Verbindung freier Bundesgenossen war durch die Verhältnisse unvermeidlich eine Herrschaft geworden, und so sehr auch B. gegen jede Ueberbürdung und willkürliche Belästigung der Bündner war, so vertrat er doch mit Entschiedenheit die Ansicht, daß das Bestehen des Bundes, das zur Sicherheit des Meeres unentbehrlich war, nicht von den Launen einiger Kleinstaaten beliebig in Frage gestellt werden dürfe. Von den noch autonomen Inselstaaten war Samos der einzige, welcher Athen gefährlich werden konnte. Die rasche Beendigung des samischen Aufstandes (44) war die glänzendste Feldherrnthat des B. und zugleich die Vollendung der unbedingten Seeherrschaft Athens. Um aber die Stadt, wie es nothwendig war, in einer steten Kriegsbereitschaft zu erhalten, bedurfte es eines Schaßes, der auch für außerordentliche Fälle die nöthigen Mittel sofort gewährte. Der Grundstock desselben war die nach Athen verlegte Bundeskaffe, welche dadurch zum attischen Staatsschaße wurde, und P. hat nicht nur jene Verlegung, welche aus dem Vororte eines Bundes die Hauptstadt eines Reiches machte, vorzugsweise betrieben, sondern auch die Verwaltung desselben geordnet und den Grundfag aufgestellt, daß Athen, wenn es nur seiner Verpflichtung gemäß den Schuß des Meeres kräftig übe, den Bündnern keine Rechenschaft über die Verwendung der Gelder schuldig sei. Bis dahin waren nur Tyrannenstaaten geldreich gewesen, weil in ihnen Grundsteuern erhoben wurden, die Bürgerstaaten aber arm; Athen war der erste Staat Griechenlands, wo die Energie freier Bürger mit der Macht des Geldes verbunden war, und P. ist der Schöpfer dieses attischen Freistaats. Die religiösen Formen, unter denen die Staatsgelder der Staatsgöttin geheiligt wurden, so wie die genaue Kontrolle, welche in allen Geldangelegenheiten geübt wurde, dienten dazu, Mißbräuchen vorzubeugen, die in einer Demokratie am leichtesten eintreten konnten.

Ein wichtiger Theil der perikleischen Seepolitik war die Aussendung von Kolonien. Dies waren erstens die sogenannten Kleruchien, d. h. Ansiedlungen attischer Bürger auf solchen Grundstücken, welche in den bundesgenössischen Orten zur Strafe ihres Abfalls eingezogen worden waren; zweitens Kolonien, welche in ben Ländern der Barbaren angelegt wurden, namentlich in dem holz- und metallreichen Thracien; drittens Stadtgründungen, welche nicht durch attische Bürger allein ausgeführt wurden, sondern so, daß unter Leitung Athens sich Einwohner anderer griechischer Staaten betheiligten; so wurde an Stelle des zerstörten Sybaris Thurioi gegründet und Amphipolis am Strymon. So bezeugte sich Athen als hellenische Großmacht, knüpfte neue Handelsverbindungen an, gewann in den wichtigsten Gegenden feste Stüßpunkte seiner Macht und verschaffte seinen Armen Grundbesit. Wie sehr P. darum zu thun war, Athen vor Uebervölkerung und Proletariat zu behüten, bezeugt auch die von ihm veranlaßte Reinigung der Bürgerschaft, indem er es durchseßte, daß nach Wiederherstellung eines alten Gesetzes nur die als Vollbürger angesehen wurden, die von Bater- und Mutterseite der attischen Bürgerschaft angehörten.

Sonst blieb Athen der gastfreie Staat, wie er es zu seinem Heile stets gewefen war; es wurde von Staatswegen nicht nur Alles gethan, um den überseet

schen Verkehr zu begünstigen, sondern P. that auch persönlich viel dafür, Athen zu einem Brennpunkte aller geistigen Intereffen zu machen. So hat sich auf P.'s Einladung der Syrakusaner Kephalos mit seinem Hause, in welchem die edelsten Studien mit Liebe gepflegt wurden, nach Athen übergesiedelt; es erwuchs der Stadt ein besonderer Schmuck aus der großen Anzahl bedeutender Männer, welche als Schutzgenossen an ihrem Gemeinwesen Antheil nahmen.

Wie nun P. persönlich thätig war, um Athen zu einem Herde des geistigen Lebens zu machen, darüber fehlen im Einzelnen die Nachrichten. Wir wissen aber, daß er mit den bedeutendsten Vertretern der Philosophie, Anaxagoras, Zenon, Protagoras in genauem Verkehre stand; für die öffentliche Beredsamkeit war er selbst ein allen Zeitgenossen vorleuchtendes Muster; das Festleben der Athener, welches alle geistigen Kräfte in Bewegung seßte, in würdiger Weise zu heben war er selbst als Festordner thätig und von den großen Dramatikern seiner Zeit war Sophokles nicht nur im Allgemeinen das vollkommenste Organ der perikleischen Zeit, sondern auch ein dem Staatsmanne befreundeter Dichter. Am deutlichsten aber erkennen wir P. als den Mittelpunkt aller höheren Bestrebungen in Athen, wenn wir die bildende Kunst ins Auge fassen. Hier wollte er nicht, wie seine Gegner ihm vorwarfen, in eitler Verschwendung die Stadt aufpuzen, sondern durch großartige Mittel, wie sie nur den Athenern zu Gebote standen, in Berbindung mit einer einsichtigen Oberleitung der hellenischen Kunst, die in den mannigfaltigsten Schulen ihre Lehrjahre durchgemacht hatte, Gelegenheit geben, ihre Meisterwerke auszuführen. Durch die Ueberschüsse der Staatseinkünfte war er im Stande, ohne Besteuerung der Bürger und ohne Vernachlässigung anderer Zweige des öffentlichen Lebens ein großartiges Zusammenwirken aller Künste zu veranlassen, wie es in der Geschichte ohne Gleichen ist; mit Hülfe seines großen Freundes Pheidias brachte er es dahin, daß alle Hellenen Athen als die hohe Schule alles dessen, wodurch sich ihr Volk am meisten von den Barbaren unterschied, anerkennen mußten; es war die geistige Hauptstadt von Hellas, in der sich Jeder um so mehr zu Hause fühlen mußte, ein je gebildeterer Hellene er war; die unterthänigen Städte sollten einer Stadt, die in solcher Weise ihre hegemonische Stellung geltend zu machen wußte, um so lieber gehorchen; die eigenen Bürger um so hingebender und selbstloser sie lieben. Die Kunst war eine religiöse Kunst, welche in der Zeit des Zweifels und sophistischen Dünkels die alten Neberlieferungen stüßen sollte, und zugleich diente sie, ohne ihrer Idealität etwas zu vergeben, den praktischen Staatszwedkeu. Der Parthenon war das Staatsschathaus und im Goldmantel der Parthenos war ein Theil des Staatsschaßes angelegt, um nur im äußersten Nothfalle angegriffen zu werden; die Kunstwerke waren zugleich undergängliche Denkmäler der von Hellenen über Barbaren erfochtenen Siege, sie was ren selbst eine ideale Darstellung des attischen Volkslebens.

P. war dadurch vor Allen würdig, die Athener zu beherrschen, weil er sich selbst in vollkommener Weise beherrschte. Er lebte als schlichter Privatmann, unablässig mit den öffentlichen Angelegenheiten beschäftigt, ein sparsamer, fast karger Haushalter, immer ernst und gesammelt; ein Vorbild unermüdlicher Arbeitskraft. Seine Erholung war die Unterhaltung mit seinen philosophischen Freunden und die Verbindung mit Aspasia, die ihm nach Auflösung seiner ersten Ehe ein häusliches Glück bereitete. Aber troßdem, daß ihm seine Stellung nichts als Arbeit und Mühe einbrachte, entging er der Mißgunst und ihren Anfeindungen nicht. Die Aristokraten haßten ihn als den durch die Masse Herrschenden, die Demokraten als den, welcher die Grundsäge der Verfassung thatsächlich aufgehoben habe.

Die komische Bühne verspottete den Zeus Olympios" und die neuen Pisistratiden", wie sie ihn mit seiner Umgebung nannte. Dann ging man zu ernsten Angriffen über, welche sich zuerst gegen diejenigen richteten, die man für die Hauptvertreter perikleischer Politik hielt, gegen Pheidias, Anaxagoras und Aspasia. Bergeudung des Staatsguts, Begünstigung der Freigeisterei und Abweichung von dem väterlichen Herkommen das waren die Anklagen, die von den zu diesem Zwecke verbundenen Sprechern der Reaktion und der verfassungseifrigen Demofratie erhoben wurden. Pheidias starb 432 im Gefängnisse und der greise AnaTagoras mußte Athen verlassen. Dann richteten sich die Angriffe auf die Person des P. und seine Stellung wurde immer gefährdeter.

In diese Zeit der Gährung trafen nun die auswärtigen Begebenheiten, welche einen nahen Kriegsausbruch als unvermeidlich erkennen ließen. Korinth, durch den Anschluß von Kerkyra an Athen in seiner Existenz bedroht, und gleichzeitig in seiner Kolonie Potidaia gefährdet, heßte Sparta und seine Bundesgenossen zum Kriege; in Sparta gewann die Kriegspartei die Lberhand und ohne daß den Athenern ein Bruch der Verträge nachgewiesen werden konnte, wurde ihnen eine Reihe von Zumuthungen gestellt, deren Abweisung von den Peloponnefiern als Zeichen zum Kriege betrachtet werden sollte. Dazu gehörte die Ausweisung der Alkmäoniden, zu denen P. gehörte, die Wiederherstellung der Selbständigkeit von Aegina und die Aufhebung der Grenzsperre gegen Megara. P. wies alle ungerechtfertigten Forderungen ruhig zurück; er zeigte, daß Athen auf keinen Fall durch seige Zugeständnisse freiwillig von seiner Höhe herunter steigen dürfe. Athen konnte unter keinen günstigeren Verhältnissen den Kampf aufnehmen; es war in vollständiger Kriegsbereitschaft, die Friedenswerke waren vollendet; die steigende Gährung in der Bürgerschaft konnte durch einen gerechten Vertheidigungskrieg am besten abgeleitet werden. Der perikleische Kriegsplan bewährte sich vollkommen. Athen war unangreifbar und konnte sich für die Verwüstung seiner Ländereien turch Flottenzüge rächen. Da brach im zweiten Kriegsjahre die Pest aus. Die in den städtischen Mauern zusammengedrängte Bevölkerung litt fürchterlich; der Unmuth der Verzweifelung wendete sich gegen P., der mit unbeschränkter Oberfeldherrnmacht den Staat beherrschte und in der belagerten Stadt alle Volksversammlungen verbot, Dennoch gelang es seinen Feinden 430 seine Wiedererwählung zu verhindern und seine Berurtheilung zu einer Geldbuße wurde durchgesezt. Aber man fühlte, daß es ohne ihn nicht ging. Er wurde in demselben Jahre wieder an die Spiße des Staats berufen, aber nach kurzer Amtsführung erlag er selbst der Krankheit, die Athens Blüthe geknickt hat (429).

P.'s Größe besteht darin, daß er die idealsten Zwecke der Staatskunst mit praktischer Klarheit verfolgte, von dem edelsten Patriotismus beseelt, ohne alle niedrigen Zwecke des Eigennutes. In einem Freistaate herrschte er, ohne Verlegung der Geseße, kraft der höhern Weisheit und Bildung, die ihm zu Gebote stand, mit unumschränkter Macht, indem er durch seine Reden die edelsten Richtungen in der Bürgerschaft stärkte und die Athener über sich selbst erhob. Eine politische Einigung der Hellenen zu verwirklichen war unmöglich, aber er machte Athen zu einem Hellas in Hellas und das, was Athen ihm verdankt, ist zu allen Zeiten sein bester Befit geblieben. Er hat die Entwickelung Athens zu ihrem Höhepunkte geführt. Daß ein jäher Sturz darauf folgte, dafür ist P. nicht verantwortlich zu machen. Ein Bürgerstaat, wie Athen, der ein weites Reich zu regieren hatte, fonnte nur durch das persönliche Regiment eines Vertrauensmannes der Bürgerschaft glücklich geleitet werden. Von einer solchen Staatsleitung hat P. das

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