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Die Besteuerung des Reichsfiskus.

Von

Dr. OTTO RICHTER, Düsseldorf.

Seit längerer Zeit schon ist auf die wiederholten Vorstellungen einzelner Gemeinden hin ein Gesetzentwurf von der Reichsregierung in Aussicht gestellt worden, der die Unterwerfung des Reichsfiskus unter die kommunale Einkommenbesteuerung aussprechen soll. Bei dem Aufsuchen der für ein derartiges Gesetz massgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte erhebt sich die Frage, ob und inwieweit der Reichsfiskus überhaupt der direkten Besteuerung durch die Gemeinden unterliegt, und weiterhin, wie sich das entsprechende Verhältnis zwischen dem Reichsfiskus und den Einzelstaaten, insbesondere Preussen, gestaltet. Die Antwort ist theoretisch nicht unbestritten, sie hat zudem eine historisch und praktisch nicht uninteressante Bedeutung.

I) Die einzige positive reichsrechtliche Bestimmung, die sich mit der direkten Besteuerung des Reichsfiskus befasst, ist in dem Reichseigentumsgesetz vom 25. 5. 1873 enthalten; § 1 Abs. 2 bestimmt: Hinsichtlich der Befreiung von Steuern und sonstigen dinglichen Lasten sind die im Eigentum des Reichs befindlichen Gegenstände den im Eigentum des einzelnen Staates befindlichen gleichartigen Gegenständen gleichgestellt. Daraus folgt die unbestrittene Tatsache, dass der Reichsfiskus Grund- und Ge

bäudesteuern an die Einzelstaaten und Kommunen leistet nur dann und insoweit, als dies von Seiten des Einzelstaats geschieht.

1) Der preussische Staatsfiskus ist kraft positiver Gesetzesvorschrift von der staatlichen Grund- und Gebäudesteuer i. a. befreit (Gesetz betr. die anderweite Regelung der Grundsteuer v. 21. 5. 1861, § 4 a, und Gesetz betr. die Einführung einer allgemeinen Gebäudesteuer v. 21. 5. 1861, § 3, Ziff. 2). Nur als Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden, die nicht öffentlichen Zwecken gewidmet sind, ist er steuerpflichtig; seitdem jedoch die direkten Staatssteuern ausser Hebung gesetzt sind, ist dieser Umstand lediglich bei der staatlichen Veranlagung zu berücksichtigen. Es ergibt sich demnach, dass der Reichsfiskus wegen seiner in Preussen liegenden Grundstücke möglicherweise zu Grund- und Gebäudesteuern veranlagt wird, gegenwärtig jedoch solche zu zahlen nicht verpflichtet ist.

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2) Weniger einfach liegt das Verhältnis zwischen dem Reichsfiskus und den Kommunen. Nach dem Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893 sind die dem Staate und demnach auch die dem Reiche gehörigen Grundstücke und Gebäude von den auf den Grundbesitz gelegten Steuern befreit, wenn sie unter die Kategorien fallen, die ihrer Zweckbestimmung wegen steuerfrei bleiben, z. B. Brücken, Strassen, Unterrichtsgebäude, Kirchen, Armen-, Waisen-, Krankenhäuser, Dienstgrundstücke und Wohnungen für Geistliche (diese, soweit sie bisher Steuerfreiheit genossen § 24 Abs. 1. d ff.), oder wenn sie sonst zu einem öffentlichen Dienste oder Gebrauche bestimmt sind (§ 24 Abs. 1. c). Es unterliegen der Besteuerung also zunächst solche Grundstücke und Gebäude, die einem derartigen Zweck nicht gewidmet wurden, z. B. unbebaute Grundstücke, die verpachtet sind (nicht aber ein Schiessplatz, selbst wenn er zum Teil verpachtet ist und Erträge liefert (OVG. E. v. 23. 11. 1900. Bd. 38. 163)) und Gebäude, die Dienstwohnungen von Beamten enthalten (§ 24 Abs. 3).

Archiv für öffentliches Recht. XXIV. 4.

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Eine Besteuerung tritt aber ausnahmsweise auch bei den genannten, öffentlichen Zwecken gewidmeten Grundstücken und Gebäuden ein, wenn die Voraussetzungen der preussischen Kabinettsordre vom 8. 6. 1834 vorliegen, die durch § 24 Abs. 4 aufrecht erhalten und auf alle Gemeinden erstreckt worden ist, in denen sie bisher noch nicht in Geltung war.

Nach dieser KO. sind diejenigen Grundstücke des preussischen Staatsfiskus die in der KO. zum Ausdruck gebrachte Unterscheidung nach Rechtsgebieten hat keine praktische Bedeutung mehrsteuerpflichtig, welche vor 1834 öffentlichen Zwecken gewidmet waren oder später solchen gewidmet wurden, wenn sie schon vor 1834 bezw. vor der Widmung der kommunalen Besteuerung unterlagen. Es besteht aber der Unterschied, dass die Besteuerung von Grundstücken der zweiten Kategorie nur erfolgt, wenn sie bebaut sind (vgl. die KO.: GS. S. 87, GROTEF.-KRETSCHM. Bd. I. 2. S. 751; Ausf.Anw. z. K.Abg.G. v. 14. 7. 1893, A. 16 Ziff. 2). Diese KO. war und ist noch infolge der erwähnten Bestimmung des Reichseigentumsgesetzes von weitgehender praktischer Bedeutung für die Grundstücke des Reichsfiskus.

Auf Grund des § 1 Abs. 1 des genannten Gesetzes ging das Eigentum „an allen dem dienstlichen Gebrauche einer verfassungsmässig aus Reichsmitteln zu unterhaltenden Verwaltung gewidmeten Gegenständen" von den Einzelstaaten auf das Reich über, erwarb also der Reichsfiskus als Rechtsnachfolger der Landesfisci den bedeutendsten Teil seines Gesamtvermögens, insbesondere also das gesamte unbewegliche Inventar der Postverwaltung (ausser in Bayern und Württemberg), der Militärverwaltung (ausser in Bayern), der Marine- und Konsulatsverwaltung. Die Besteuerungsklausel des R.Eig.G.s hatte für diese übernommenen Grundstücke, soweit sie nicht in den Provinzen Hannover, Hessen-Nassau und Schleswig-Holstein lagen, in denen die KO. im Jahre 1873 noch nicht galt, den Sinn, dass der Reichsfiskus zur Zahlung von Steuern herangezogen werden

konnte, falls zuvor auf Grund der KO. der betreffende Landesfiskus steuerpflichtig gewesen war. Von der Besteuerung konnten u. a. auch unbebaute Grundstücke ergriffen werden, nämlich dann, wenn sie von dem Einzelstaat schon vor 1834 öffentlichen Zwecken gewidmet worden waren. In den neu erworbenen Landesteilen jedoch konnten nur solche Grundstücke mit Steuern belegt werden, die vor dem Uebergang auf das Reich auf Grund des betreffenden Provinzialrechts besteuert worden waren.

Die KO. hat aber auch Bedeutung für die vor oder nach Inkrafttreten des R.Eig.G.s unmittelbar erworbenen Grundstücke; denn die Besteuerungsklausel des § 1 Abs. 2 betrifft schlechtweg „die im Eigentum des Reiches befindlichen Gegenstände“. Wie der preussische Landesfiskus, so konnte auch der Reichsfiskus, sobald von ihm erworbene Grundstücke, die in den älteren Provinzen lagen, öffentlichen Zwecken gewidmet wurden, der kommunalen Besteuerung unterworfen werden, wenn eine solche früher erfolgt war; sie war jedoch der Vorschrift der KO. entsprechend auf bebaute Grundstücke beschränkt. Für die Gemeinden in den neuen Provinzen entstand diese Berechtigung naturgemäss erst mit dem Inkrafttreten des K.Abg. G.s.

Der geschilderte Rechtszustand besteht infolge der Aufrechterhaltung der KO. durch das K. Abg. G. fort, sodass also noch gegenwärtig eine Anzahl öffentlichen Zwecken gewidmete reichsfiskalische Grundstücke, die nach § 24 des K.Abg.G.s grundsätzlich steuerfrei sein sollten, der kommunalen Besteuerung unterliegen und solche, die in Zukunft noch erworben werden, dieser unter den angegebenen Bedingungen noch unterworfen werden können.

Der Umstand, dass dieses Besteuerungsrecht der Gemeinden. auf diese KO. zurückgeht, ist von weittragender praktischer Bedeutung: Sie hatte den-Zweck, zu verhüten, dass die Zahl der steuerpflichtigen Grundstücke und Gebäude nicht dadurch

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verringert würde, dass solche öffentlichen Zwecken gewidmet wurden, schuf also keinen neuen Rechtstitel für die Gemeinden, sondern erhielt lediglich den früheren aufrecht. Hieraus ergibt sich zunächst, dass den Kommunen nicht das Recht zusteht, den Steuerbetrag, der vor der Verwendung der Liegenschaften zu einem öffentlichen Zweck zu zahlen war, nach Uebergang auf den Reichs- oder Landesfiskus zu erhöhen (vgl. OVG. E. v. 4. 1. 1898. Bd. 33. 192). Es folgt ferner, dass die Besteuerungsbefugnis der Kommunen in zwei wichtigen Fällen erlischt: Vollzieht sich in der Steuerverfassung einer Gemeinde eine Aenderung dahin, dass eine ältere Steuer, von der gewisse zu öffentlichen Zwecken verwendete Grundstücke den durch die KO. fixierten Betrag fortzuzahlen haben, gänzlich aufgehoben und durch eine neue Steuer ersetzt wird, so tritt Steuerfreiheit für jene Grundstücke ein -- von der älteren Steuer infolge ihrer Aufhebung, von der neueren, weil ihrer Auflegung die KO. entgegensteht" (vgl. OVG. E. v. 6. 3. 1891. Bd. 21. 105, insbes. 111). Diese Folge wird beispielsweise in dem Falle eintreten, dass eine Gemeinde, wie dies neuerdings vielfach geschehen ist, von der Ertragssteuer zu der Besteuerung der Grundstücke nach dem gemeinen Wert übergeht. (Diese Wandlung ist z. B. seit dem 1. 4. 1908 in Berlin eingetreten.) Der auf der KO. beruhende Steuertitel erlischt ferner auch schon, wenn die auf ihm beruhende Steuer in einem einzelnen Etatsjahre ausser Hebung gesetzt wird: denn für die Steuererhebung im einzelnen Falle gibt nicht die auf der KO. basierende Steuerverfassungsvorschrift der Gemeinde für sich, sondern nur in Verbindung mit dem Gemeindebeschluss, die Steuer auch im einzelnen Falle zu erheben, den vollgültigen Rechtstitel ab. Dementsprechend wurden z. B. die fiskalischen Grundstücke von dem sog. Berliner Sublevationsbeitrag gänzlich freigestellt (vgl. OVG. E. v. 6. 3. 1906. Bd. 49. 43).

II) Eine reichsrechtliche Regelung, wie sie bezüglich der Grundund Gebäudesteuer erfolgt ist, fehlt für die sonstigen di

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